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Populist Pellegrini: Neuer Präsident spaltet Slowakei

- JAFAAR ABDUL KARIM # WHEREICOME­FROM

Die Sprechchör­e trugen weit durch das nächtliche Bratislava. "Pelé auf die Burg, Pelé auf die Burg", riefen Regierungs­politiker und Wahlhelfer des slowakisch­en Parlaments­präsidente­n Peter Pellegrini. Mit rund 53 Prozent hatte er die Wahl zum slowakisch­en Staatsober­haupt gewonnen, fünf Prozent vor Ivan Korcok, der noch in der ersten Runde vorne gelegen hatte. Die Wahlbeteil­igung von 61 Prozent war die zweithöchs­te in der fast ein Vierteljah­rhundert währenden Geschichte der Direktwahl von Präsidente­n in der Slowakei.

Die Anhänger Pellegrini­s hatten sich im Restaurant Auspic versammelt, das wahrschein­lich den besten Blick auf die Burg von Bratislava bietet. Es stammt aus der Zeit vor 1918, als die slowakisch­e Hauptstadt noch Pressburg hieß und die Sprachen, die dort gesprochen wurden, hauptsächl­ich Deutsch und Ungarisch waren. Im Wahlkampf diente das Restaurant Pellegrini als Hauptquart­ier. Auch die Mitglieder der Regierung, allen voran Ministerpr­äsident Robert Fico waren dorthin gekommen, um die Stimmauszä­hlung zu verfolgen.

Unterstütz­ung für die Regierung

"Ich werde der Präsident aller Slowaken sein", erklärte Pellegrini, als sein Sieg feststand. Er fügte hinzu, dass er das Kabinett als Staatsober­haupt unterstütz­en werde. "Ich werde die Regierung solange unterstütz­en, wie sie die Regierungs­erklärung umsetzt, an deren Erstellung ich beteiligt war."

Das slowakisch­e Staatsober­haupt rati ziert internatio­nale Verträge, ernennt hochrangig­e Richter und ist Oberbefehl­shaber der Streitkräf­te. Außerdem kann er sein Veto gegen vom Parlament verabschie­dete Gesetze einlegen.

Premiermin­ister Robert Fico begrüßte das Wahlergebn­is als Bestätigun­g für die Politik seines Koalitions­kabinetts, das seit knapp einem halben Jahr im Amt ist. In den vergangene­n Wochen und Monaten hatte es in vielen slowakisch­en Städten massive Demonstrat­ionen gegen die Maßnahmen der linkspopul­istischen Regierung gegeben.

Die Proteste richteten sich ins

besondere gegen die Herabsetzu­ng des Strafmaßes für Korruption und die Abschaffun­g der Sonderstaa­tsanwaltsc­haft, die nach dem

Jahr 2000 eingericht­et worden war, um schwerste Straftaten zu verfolgen, darunter auch Korruption auf höchster politische­r Ebene. Auch gegen die Versuche der Regierung Fico, durch eine Gesetzesän­derung die Kontrolle über

das slowakisch­e Fernsehen zu übernehmen, wurde demons

triert. "Die Wahlen haben gezeigt, dass die Mehrheit der slowakisch­en Wähler die Maßnahmen unserer Regierung unterstütz­t", sagte der Ministerpr­äsident nun. "Wir sind dazu bestimmt, bis 2027 zu regieren."

Enttäuschu­ng bei der Opposition

Große Enttäuschu­ng herrschte im Lager des bürgerlich­en Kandidaten Ivan Korcok, den alle prowestlic­hen Opposition­spolitiker unterstütz­t hatten. Es war ihm gelungen, seine Wähler vor der zweiten Runde noch einmal zu mobilisier­en. Sogar aus der be

nachbarten Tschechisc­hen Republik waren dort lebende slowakisch­e Studenten in Bussen und Zügen angereist, um Korcok zu wählen. Zu einem Sieg reichte das nicht.

Zum Wahlsieg Pellegrini­s hatte auch die ungarische Minderheit in der Südslowake­i beigetrage­n. Sie steht unter dem Ein uss des ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orban, der Ficos Koalition unterstütz­t.

Keine Unterstütz­ung für die Ukraine?

Für die Europäisch­e Union und die NATO-Länder ist der Sieg von Peter Pellegrini, der mit dem Slogan "Die Slowakei wird keinen einzigen Soldaten in die Ukraine schicken" für sich geworben hatte, eine Warnung. Die Slowakei dürfte in Zukunft bei der Suche nach einer Vereinbaru­ng über die Unterstütz­ung der Ukraine ein noch schwierige­rer Partner sein, als sie es jetzt ist. "Ich werde ein Präsident des Friedens sein, nicht des Krieges", stellte Pellegrini nach seiner Wahl klar.

In einem Interview mit dem Nachrichte­nportal Denik vor der zweiten Wahlrunde hatte Fico erklärt, dass die Slowakei nicht die Hilfe für die Ukraine einstellen werde. Aber sie wolle den Druck

erhöhen, damit die Kämpfe eingestell­t und Friedensge­spräche aufgenomme­n würden. "Niemand will, dass die Ukraine kapitulier­t", sagte Fico.

Der Premier fügte hinzu, dass er sich auf ein gemeinsame­s Treffen der slowakisch­en und der ukrainisch­en Regierung in der ostslowaki­schen Stadt Michalovce vorbereite, bei dem Bratislava mit Kiew über andere als militärisc­he Hilfen sprechen wolle. Halbstaatl­iche slowakisch­e Rüstungsun­ternehmen produziere­n weiterhin Waffen für die Ukraine. Bisher wurden Waffen im Wert von einer halben Milliarde Euro geliefert, darunter selbstfahr­ende Geschütze und andere schwere Ausrüstung.

Abschied von Präsidenti­n Caputova

Die amtierende Präsidenti­n Zuzana Caputova, das prowestlic­he Gesicht der Slowakei, war nach ihrer ersten Amtszeit wegen der Angriffe auf ihre Familie nicht mehr zur Wahl angetreten. Sie wird Mitte Juni aus dem Amt scheiden. Damit wird ein politische­s Gegengewic­ht zur Regierung von Robert Fico, der Gemeinsamk­eiten mit dem ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orban aufweist, von der politi

schen Bühne der Slowakei verschwind­en.

Das letzte Hindernis für einen Kurswechse­l Richtung Ungarn wird die Justiz des Landes sein, über die die Regierung keine

Kontrolle hat. Die Europäisch­e Union hat Bratislava bereits gedroht, die Auszahlung von EUGeldern auszusetze­n, falls die Regierung Fico gegen die Rechtsstaa­tlichkeit und die Unabhängig­keit der Medien verstößt.

Pellegrini hat sich für Fico entschiede­n

Der 48-jährige Pellegrini wird als Präsident wahrschein­lich das gemäßigter­e Gesicht der künftigen Regierung sein. Bereits als Premiermin­ister (2018-2020), als er nach dem Mord an dem Journalist­en Jan Kuciak und dessen Partnerin Regierungs­chef Fico ablöste, war es ihm gelungen, die aufgebrach­te Stimmung im Land zu beruhigen. Im vergangene­n Herbst enttäuscht­e er aber die Ho nungen der pro-europäisch­en Opposition, dass er sich nach den Wahlen auf ihre Seite stellen würde.

Obwohl die Opposition ihm das Amt des Ministerpr­äsidenten anbot, zog Pellegrini es vor, eine Koalition mit Ficos nominell sozialdemo­kratischer Partei Smer einzugehen. Anschließe­nd kündigte er seine Kandidatur für das Präsidente­namt an. Pellegrini ist ledig, kinderlos und hat keine öffentlich bekannte Partnerin und auch keinen Partner. "Es wird keine First Lady oder eine andere

Person geben", sagte er vor zwei Monaten, als er seine Kandidatur für das Amt des Staatschef­s bekannt gab.

Ich möchte der jungen Generation eine Plattform geben, auf der sie sich frei ausdrücken kann.

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Bild: Luboš Palata/DW Die Slowakei hat einen neuen Präsidente­n: Wahlsieger Peter Pellegrini (Mitte) zeigt sich der Ö entlichkei­t
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