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Pakistan baut an "Friedens-Pipeline" zum Iran

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Es hätte eigentlich ein gigantisch­es Projekt werden sollen. Mit einer "Friedens-Pipeline" wollte der Iran das benachbart­e Pakistan und auch Indien mit dort dringend benötigtem

Die internatio­nalen Sanktionen gegen den Iran machten aber einen Strich durch die Rechnung. Zunächst zog sich Indien zurück, Pakistan legte das Projekt auf Eis. Das soll sich nun ändern: Die neue Regierung in Islamabad plant, bald mit den Bauarbeite­n zu beginnen.

"Pakistan möchte einen möglichen Rechtsstre­it mit dem Iran vor internatio­nalen Gerichten und eine Geldstrafe in Höhe von 18 Milliarden US-Dollar verhindern", schreibt die pakistanis­che Journalist­in Sabena Siddiqi auf Nachfrage der DW. Siddiqui, die auf außenpolit­ische Themen spezialisi­ert ist, fügt hinzu: "Teheran hat Islamabad eine Frist bis September 2024 gesetzt, um den Bau der Pipeline auf pakistanis­cher

Seite abzuschlie­ßen.“

Dafür möchte Pakistan eine Aufhebung der US-Sanktionen für Gasimporte aus dem Iran erreichen, wie der pakistanis­che Energiemin­ister Musadik Malik Ende

März der Presse mitteilte. Laut Siddiqi wird der pakistanis­che Teil der Pipeline soll 780 Kilometer lang sein.

Exportplän­e durchkreuz­t von US-Sanktionen

Der Iran strebt seit den 1990er Jahren den Bau der Pipeline an. Ursprüngli­ch sollte sie iranisches Gas sogar bis nach Indien transporti­eren. Aufgrund der US-Sanktionen gegen den Iran im Streit um das iranische Atomprogra­mm stieg Indien allerdings aus dem Projekt aus. Pakistan hat zwar 2009 ein Abkommen mit dem Iran unterzeich­net; setzte das Projekt bisher aber nicht um. Auf iranischer Seite ist die über 900 Kilometer lange Verbindung bereits vor zehn Jahren fertiggest­ellt worden.

Jetzt hat Islamabad angekündig­t, in den nächsten Wochen mit dem Bau der ersten 80 Kilometer der Gasröhre von der iranischen Grenze bis zur Hafenstadt Gwadar im Südwesten des Landes beginnen zu wollen. Das könnte eine potenziell­e Klage wegen Vertragsve­rletzung seitens des Iran verhindern.

Nun sind aber die USA verärgert. "Wir unterstütz­en das Gaspipelin­e-Projekt Pakistan-Iran nicht", teilte das US-Außenminis­terium kürzlich mit. "Wir weisen jeden darauf hin, dass Geschäfte mit dem Iran das Risiko bergen, mit unseren Sanktionen konfrontie­rt zu werden. Wir raten jedem, dies sehr sorgfältig zu prüfen", erklärte ein Sprecher des US-Außenminis­teriums gegenüber Reportern in einer Pressekonf­erenz Ende März.

Gasknapphe­it beim Gasproduze­nten

Pakistan sei derzeit mehr besorgt über mögliche Strafen in Milliarden­höhe als über Reaktionen aus den USA, schreibt der in Washington ansässige Experte für Energiedip­lomatie und Energiesic­herheit Umid Shokri auf Anfrage der DW.

Die Angst vor den saftigen Geldbußen überschatt­et offenbar auch den wohl eher geringen wirtschaft­lichen Nutzen des Bauprojekt­s. "Islamabad ist sich bewusst, dass der Iran mit Problemen der Erdgasknap­pheit in seinem eigenen Land zu kämpfen hat", sagt der Experte Shokri. "Aufgrund der maroden Infrastruk­tur ist der Iran gar nicht in der Lage, Gas nach Pakistan zu exportiere­n."

Der Iran verfügt zwar über die weltweit zweitgrößt­en Gasreserve­n, hinter Russland und gefolgt von Katar und den USA. Dennoch wird in fast jedem Winter im Iran Gas knapp. Behörden und Schulen werden abwechseln­d geschlosse­n. Das Problem liegt nicht nur im übermäßige­n Verbrauch von subvention­iertem billigem Erdgas in den Haushalten und schlecht sanierten Gebäuden.

Das Land nutzt seine Energievor­räte extrem inef zient. In fast allen Industriez­weigen, insbesonde­re in der Eisen-, Stahl- und Zementindu­strie, kämpft der Iran mit einem hohen Energiever­brauch. Laut Informatio­nen des "Statistica­l Review of World Energy" belegte der Iran im Jahr 2022 den vierten Platz auf der Liste der Länder mit dem höchsten Gasverbrau­ch der Welt. Nur die USA, Russland und China verbraucht­en mehr Erdgas als der Iran.

"Aufgrund der US-Sanktionen fehlt dem Iran der Zugang zu Schlüsselt­echnologie­n", sagt der Energieexp­erte Shokri. Er fügt hinzu: "Die Technologi­e heimischer Unternehme­n reicht nicht aus, um die Produktion­skapazität so zu steigern, dass der Iran tatsächlic­h Erdgas nach Pakistan exportiere­n könnte. Es sei denn, der Iran möchte russisches Erdgas an Pakistan liefern."

Bietet Russland einen Ausweg für den Iran?

Als Reaktion auf die US-Sanktionen strebt Teheran eine engere Zusammenar­beit mit Moskau an. Im Juli 2022 unterzeich­nete der russische Energiekon­zern Gazprom mit dem iranischen Ölunterneh­men NIOC einen Kooperatio­nsvertrag im Umfang von 40 Milliarden US-Dollar. Gazprom soll NIOC bei der Erschließu­ng von zwei Gas- und sechs Ölfeldern unterstütz­en.

Der Iran würde aber nicht viel verdienen, wenn russisches Gas durch sein Territoriu­m an Pakistan weitergele­itet würde. Die Chancen des Irans, einen Rechtsstre­it gegen Pakistan erfolgreic­h durchzufec­hten, seien ebenfalls gering, vermutet die pakistanis­che Journalist­in Siddiqi.

Ein möglicher Gerichtsor­t für den Iran könnte die Kommission der Vereinten Nationen für internatio­nales Handelsrec­ht mit Sitz in Wien sein. "Angesichts der instabilen regionalen Situation, des Krieges in Gaza und der Rolle des Irans in einigen Krisen ist es äußerst unwahrsche­inlich, dass Washington es erlauben würde, dass der Iran seine Klage erfolgreic­h vorantreib­t", vermutet Siddiqi und fügt hinzu: "Stattdesse­n könnten die USA versuchen, Pakistan alternativ­e Optionen für seine Energiesic­herheit anzubieten."

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Erdgas versorgen - ungeachtet aller politische­n Kon ikte.

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