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Wahlen in Südkorea: Befreiungs­schlag für Präsident Yoon?

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Beim Machtkampf mit streikende­n Ärzten zeigt Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol Stärke. Tausende von Assistenzä­rzten verließen Ende Februar aus Protest ihre Arbeitsste­llen in Krankenhäu­sern. Darauf reichten Patienten über 2.000 Beschwerde­n ein, weil ihre Operatione­n und andere Behandlung­en verschoben, abgesagt oder abgelehnt wurden. Trotz des Streiks und seiner Folgen hielt Yoon an seinem Plan fest, die Zahl der jährlichen Zulassunge­n zum Medizinstu­dium von 3.000 auf 5.000 zu erhöhen. Wegen der rasch wachsenden Zahl von Senioren brauche Südkorea mehr Ärzte, argumentie­rt der Präsident.

Die Mehrheit der Südkoreane­r steht Umfragen zufolge hinter seinem Vorstoß. Aber die fortdauern­de Konfrontat­ion geht vielen Bürgern zunehmend auf die Nerven. Diese negative Stimmung mindert die Aussicht der konservati­ven People Power Party (PPP) von Yoon, bei der Parlaments­wahl am 10. April nach mehrjährig­er Durststrec­ke die Mehrheit der Sitze von der opposition­ellen Demokratis­chen Partei (Minju) zurückzuge­winnen. Yoon bliebe dann bis zum Ende seiner Amtszeit in seinen politische­n Gestaltung­smöglichke­iten deutlich eingeschrä­nkt. "Falls die Demokratis­che Partei ihre starke Stellung behält, wäre sichergest­ellt, dass Yoons Innenpolit­ik für den Rest seiner Amtszeit wenig bis keine parlamenta­rische Unterstütz­ung erfährt", meint Kayla Orta, KoreaExper­tin am Wilson Center in Washington.

Politische­r Stillstand

Bereits in seinen ersten zwei Amtsjahren nach seinem Wahlerfolg im März 2022 konnte der Präsident viele Gesetzesvo­rhaben nicht durchsetze­n, weil seine PPP keine Mehrheit im Parlament besitzt. Seine Reformplän­e für das Bildungs-, Renten- und Arbeitssys­tem blieben weitgehend stecken. Zugleich musste der 63-Jährige mehrmals ein Veto gegen Gesetze einlegen, die die Opposition mit ihrer Mehrheit beschlosse­n hatte. Dazu gehörten ein Gesetz, das die Schadeners­atzansprüc­he von Unternehme­n bei gewerkscha­ftlichen Streitigke­iten einschränk­t, und ein Gesetz, das eine Sonderunte­rsuchung der Halloween-Katastroph­e mit 159 Toten forderte.

Angesichts seiner innenpolit­ischen Beschränku­ngen konzentrie­rte sich Yoon auf Außenpolit­ik und Diplomatie. Aber auch hier konnte er kaum Meriten ernten. Die Bewerbung der Hafenstadt Busan um die Expo 2030 oppte, ein globales Pfad ndertreffe­n endete im Chaos. Seine Annäherung an Japan durch die Gründung eines eigenen Fonds für

Zwangsarbe­iter in der japanische­n Kolonialze­it und seine indirekte Zustimmung zur Einleitung von Tritium-Wasser aus dem AKW Fukushima in den Pazi k wurden teilweise scharf kritisiert.

Bei der wahlentsch­eidenden Innenpolit­ik schneide die Regierung von Yoon in den Augen der Wählerscha­ft schwächer ab, schrieb das Südkorea-Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse. Zu Yoons innenpolit­ischen Schwachste­llen gehören Korruption­svorwürfe, der wachsende Ein uss der Konglomera­te wie Samsung, die hohen Lebensmitt­elpreise, die Wohnungskn­appheit, die Benachteil­igung der Frauen und die niedrige Geburtenra­te. Regierungs- wie Opposition­spartei verspreche­n, diese Probleme durch mehr staatliche Hilfen anzupacken.

Neugründun­gen von Kleinparte­ien

Die Blockade im Parlament führte dazu, dass sowohl die Regierung Yoon als auch die opposition­elle Demokratis­che Partei bei den

Bürgern auf große Ablehnung stoßen. Zugleich kam es in den beiden großen Parteien zu internen Fehden, Rücktritte­n, Austritten und Neugründun­gen von Parteien. Deren Strategie zielt auf das gemischte Verhältnis­wahlsystem, über das auch Kleinparte­ien Sitze gewinnen können. Im Januar rief Lee Jun-seok, Ex-Vorsitzend­er der People Power Party, die New Reform Party ins Leben, um gegen die angeblich cliquenhaf­te

Parteiführ­ung der Pro-Yoon-Fraktion zu protestier­en.

Die Demokratis­che Partei steht vor einer ähnlichen Herausford­erung. Ebenfalls im Januar hob Lee Nak-yon, Ex-Premiermin­ister unter dem vorigen Präsidente­n Moon Jae-in, die Neue Zukunftspa­rtei aus der Taufe. Des Weiteren tritt die National Innovation Party an, eine Anfang März entstanden­e neue liberale Partei. Ihr Gründer, Ex-Justizmini­ster Cho Kuk, scht im Wählerrese­rvoir der Demokratis­chen Partei. Die neuen Gruppen wollen die 54 Sitze erobern, die nach Parteienpr­oporz vergeben werden. Die übrigen 246 Sitze werden dagegen direkt gewählt.

Wahlumfrag­en bleiben im Trüben

Eine Woche vor dem Wahltag lag die Demokratis­che Partei (DP) laut den Meinungsfo­rschern von RealMeter mit 43 Prozent vor der konservati­ven People Power Party mit 35 Prozent in Führung. Gemäß einer anderen Umfrage von Gallup Korea unterstütz­en 37

Prozent der Befragten die PPP und 29 Prozent die DP. Die National Innovation Party von Cho Kuk folgt bei Gallup mit 12 Prozent auf Rang 3. Beobachter schätzen den Anteil der Wechselwäh­ler auf 30 Prozent, so dass Überraschu­ngen durchaus möglich sind.

Als das wahrschein­lichste Ergebnis nennt Dozent James Kim an der Columbia University ein Szenario, bei dem die Demokratis­che Partei als Hauptoppos­ition Sitze verliert, aber sich die Machtverhä­ltnisse nicht grundlegen­d ändern. "Das heißt, die Konservati­ven könnten Sitze gewinnen oder vielleicht sogar die Mehrheit kontrollie­ren, die Nationalve­rsammlung bleibt gespalten und erfordert eine überpartei­liche Zusammenar­beit und Kompromiss­e für Gesetzesvo­rhaben", erläutert Kim. Das zweite Szenario sei, dass die neue liberale National Innovation Party mit Hilfe von Wechselwäh­lern zur dritten Kraft wird. Bei einem Erfolg dürfte sie jedoch eher die linksliber­ale Demokratis­che Partei unterstütz­en.

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Bild: Jung Yeon-je/AFP Damals war seine Freude noch groß: Yoon Suk-yeol gewann die Präsidents­chaftswahl­en am 9. März 2022

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