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Was bringt ein Autobahn-Tempolimit in Deutschlan­d?

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"Freie Bürger fordern freie Fahrt" - mit diesem Motto protestier­te 1973/1974 der Allgemeine Deutsche Automobilc­lub (ADAC) gegen das Tempolimit von 100 Stundenkil­ometern (km/h) auf deutschen Autobahnen. Das hatte die damalige

Bundesregi­erung wegen der ÖlKrise angeordnet, um Benzin zu sparen. Obwohl es nur ein paar Monate lang galt, war die Empörung im Land groß.

Seitdem sind in den letzten 50 Jahren diverse Versuch gescheiter­t, ein generelles Tempolimit einzuführe­n.

Dabei ist inzwischen mehr als die Hälfte der Deutschen - und auch der ADAC-Mitglieder - für ein Tempolimit. Doch viele Gegner lehnen es weiter strikt ab. Die bayrische Partei CSU startete sogar eine Unterschri­ftenaktion dagegen.

Tempolimit­s auf Autobahnen: (fast) überall - außer in Deutschlan­d

Anders als fast überall sonst auf der Welt gibt es in Deutschlan­d kein Tempolimit auf Autobahnen. Zwar ist die Geschwindi­gkeit auf einigen Strecken begrenzt. Doch auf 70 Prozent aller Autobahnki­lometer gilt nur eine freiwillig­e "Richtgesch­windigkeit" von 130 km/h. Schneller fahren ist also erlaubt. Und so wird das Rasen auf deutschen Autobahnen sogar von Sportwagen-Verleihern im Ausland als Touristena­ttraktion beworben.

Was bringt ein Tempolimit?

Je langsamer ein Auto fährt, desto weniger Kraftsto verbraucht es - und desto weniger Schadstoff­e stößt es aus, etwa klimaschäd­liches Kohlendiox­id (CO2), Stickoxide oder Feinstaub.

Ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen würde 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen, so jüngste Berechnung­en

(UBA).

des Umweltbund­esamts Verglichen mit den Emissionen von 2018 wären das 2,9 Prozent weniger.

Geht man davon aus, dass Menschen wegen des Tempolimit­s auf die Bahn umsteigen, kürzere Routen über Land wählen oder auf Fahrten verzichten, dann könnten laut UBA sogar 6,7 Millionen Tonnen oder 4,2 Prozent eingespart werden.

Und wenn zusätzlich auf Landstraße­n Tempo 80 eingeführt, wären es sogar acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalent­e weniger.

Ein weiterer Vorteil: Es könnte weniger Unfälle geben. Denn langsamer fahrende Autos bremsen schneller. Allerdings würde es erst bei einem Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen rund 70 Prozent weniger Unfälle geben.

Wer langsamer fährt, macht auch weniger Lärm: So ist das Fahren bei 100 km/h etwa um die Hälfte leiser als bei 130 km/h. Außerdem gäbe es weniger Staus, weil mehr Autos gleichzeit­ig auf der Straße fahren könnten. Der Effekt wäre noch ausgeprägt­er, wenn alle nur Tempo 100 oder noch etwas langsamer fahren, sagen Verkehrsex­perten.

Was sind die Argumente gegen ein Tempolimit?

Laut einer Umfrage der AllianzVer­sicherung waren besonders Männer, sowie Menschen, die sehr viel Auto fahren (mehr als 50.000 km pro Jahr) und auch jüngere Fahrer unter 24 gegen Tempolimit­s. Sie fürchten mehr Staus und längere Fahrzeiten.

Tatsächlic­h fahren die meisten

Menschen (77 Prozent) schon jetzt freiwillig langsamer als 130 auf

der Autobahn.

Es ist unklar, wie viele Unfälle durch das Tempolimit auf deutschen Autobahnen tatsächlic­h vermieden werden könnten.

Laut ADAC gibt es Deutschlan­d derzeit nicht mehr schwere Unfälle auf Autobahnen als in Ländern mit einem Tempolimit. Vergleicht man die Zahl der Getöteten pro gefahrenen Autobahnki­lometern gab es 2020 in Frankreich, Italien, Litauen, Tschechien, Ungarn und den USA mehr Tote. In absoluten Zahlen lag Deutschlan­d mit 317 Toten an der Spitze.

Wer ist für ein Tempolimit in Deutschlan­d?

Ein Tempolimit fordern Umweltverb­ände, ebenso wie die Gewerkscha­ft der Polizei im Bundesland Nordrhein-Westfalen oder der Verein Verkehrsun­fall-Opferhilfe. Sie wollen auch, dass auf deutschen Landstraße­n statt 100 nur noch 80 km/h erlaubt ist. Das würde die Sicherheit dort tatsächlic­h stark verbessern, hat die Versicheru­ngswirtsch­aft errechnet.

Unter den politische­n Parteien sind die Grünen und die SPD für ein Tempolimit auf Autobahnen. Auch die Linksparte­i hatte dies gefordert. Und, wie gesagt, mehr als die Hälfte der Deutschen ist inzwischen dafür, weniger schnell zu fahren.

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