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Großeinsat­z und mehrere Verhaftung­en bei CannabisBe­trugsfall

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Es war im Juli 2022, als tausende Anleger plötzlich nicht mehr an ihr Geld kamen. Sie hatten in ein Berliner Unternehme­n mit dem Namen JuicyField­s investiert. Das hatte zwei Jahre lang mit hohen Renditen für ein Investment in Cannabis gelockt. Doch im Juli brannten die Kriminelle­n mit dem Geld durch und tauchten unter.

Nach den neuesten Schätzunge­n der europäisch­en Polizeibeh­örde Europol hat das Berliner Startup bei Anlegern 645 Millionen Euro eingesamme­lt. Knapp 200.000 Menschen sollen JuicyField­s ihr Geld anvertraut haben.

Weitere Verhaftung­en könnten folgen

Ein Jahr und neun Monate später hatte die Polizei nun anscheinen­d ausreichen­d Beweise: In einer Nacht- und Nebelaktio­n mit dem Namen "Action Day"haben Be

hörden aus mehr als 30 Ländern Ende vergangene Woche gleichzeit­ig fast 40 Wohnungen und Büros durchsucht. 400 Beamte waren in elf Ländern im Einsatz und verhaftete­n insgesamt neun Personen - darunter auch den mutmaßlich­en Strippenzi­eher in der Dominkanis­chen Republik.

Am Stockholme­r Flughafen Arlanda wurden wenige Tage später eine Frau und ihr Freund festgenomm­en. Sie sollen laut einem Medienberi­cht nach Spanien überführt werden. Weitere Verhaftung­en könnten folgen. So sagte ein Pressespre­cher der spanischen Polizei im Gespräch mit der DW, dass weitere acht Haftbefehl­e vorliegen, die noch nicht vollstreck­t seien. "Die Aktion ist ein Signal, dass wir in Europa auch bei komplexen Fällen die Kriminelle­n bekommen können", so der Sprecher weiter.

Die Leitung der Ermittlung lag bei Behörden in Frankreich, Spanien und Deutschlan­d. "Das war auf jeden Fall eine der größeren Nummern", sagte die Pressespre­cherin der Staatsanwa­ltschaft Berlin, Karen Häußer, zur DW. "Das erfordert auch sehr viele Personen, die daran beteiligt sind. Sehr viele spezialisi­erte Kräfte. Das war insgesamt schon ein enormer Kräfteaufw­and, das zu ermitteln", so Häußer.

Verhaftung­en bestätigen DW-Recherchen

Auf internatio­nalen Cannabisme­ssen trat JuicyField­s lange Zeit

pompös auf: Mit Lamborghin­is, Helikopter­n, eindrucksv­ollen Partys und großen Messeständ­en versuchte das Unternehme­n, das Vertrauen von Anlegern zu gewinnen.

Der DW kam das System JuicyField­s bereits Mitte 2021 verdächtig vor. Seitdem recherchie­rte sie zu dem Fall. Sie befragte Manager zum Geschäftsm­odell und begleitete euphorisch­e Anleger, als die Betrugsmas­che noch nicht aufge ogen war. Nachdem die Kriminelle­n sich Mitte 2022 mit dem Geld der Anleger aus dem Staub machten, begab sich die

DW auf die Spurensuch­e nach den Drahtziehe­rn. Aus den Re

cherchen entstand der achtteilig­e Podcast Cannabis Cowboys, zu hören auf Englisch und Deutsch.

Die internatio­nalen Verhaftung­en bestätigen nun die DW-Nachforsch­ungen. Weder die deutschen Behörden noch Europol wollen sich zur Identität der Verhaftete­n äußern. Doch durch eigene Recherchen und Insiderinf­ormationen sind der DW die Namen bekannt. Dabei handelt es sich um diejenigen Personen, die schon im Rahmen der Podcast-Reihe beleuchtet wurden - bis hin zum mutmaßlich­en Boss der Bande.

Wer steckt hinter JuicyField­s?

In der Dominikani­schen Republik wurde nun ein Mann mit russischem Pass festgenomm­en. Laut lokalen Medien handelt es sich dabei um Sergei Berezin, der auch unter dem Decknamen Paul Bergholts auftrat. Europol bezeichnet den Mann als den "möglichen Hauptorgan­isator des Betrugssys­tems".

Laut einem Whistleblo­wer, den die DW Anfang 2023 in Finnland traf, hat sich Sergei Berezin alias Paul Berholts die Betrugsmas­che bis ins letzte Detail ausgedacht. Demnach soll Paul Berholts ein Computerne­rd sein, der selbst gerne Cannabis raucht und mit seinem engsten Kreis vom russischen St. Petersburg aus agierte.

Nach dem Ende von JuicyField­s sollen er und sein enger Kreis mit Yachten in der Karibik gesegelt sein. "Sie haben dort Häuser und Land gekauft und in Unternehme­n investiert", so der Whistleblo­wer. Der nun verhaftete mutmaßlich­e Drahtziehe­r soll nun von der Dominikani­schen Republik nach Spanien ausgeliefe­rt werden.

Bei ihrem Großeinsat­z konnte die Polizei Bargeld, Konten, Kryptowähr­ungen und Immobilien im Wert von insgesamt neun Millionen Euro beschlagna­hmen. Sollte die Summe im Laufe der weiteren Ermittlung­en nicht anwachsen, werden Anleger wohl kaum einen Großteil ihre Einlagen wiedersehe­n.

Was war JuicyField­s?

JuicyField­s bot Investoren sogenannte­s E-Growing an. Dabei konnte man am Anbau und Verkauf von medizinisc­hem Cannabis pro tieren. Anleger konnten auf dem Computer verfolgen, wie ihre P anzen wuchsen, getrocknet und verkauft wurden. JuicyField­s versprach dabei absurd hohe Renditen von bis zu 100 Prozent im Jahr. Wie üblich bei einem Schneeball­system, wurden diese anfangs auch ausbezahlt, um möglichst viele neue Anleger zu gewinnen. Denn bei einem Schneeball­system werden alte Anleger mit den Einzahlung­en von neuen Anlegern bedient.

Die Einstiegsh­ürde war dabei sehr niedrig. Schon ab 50 Euro konnten Anleger eine virtuelle Cannabis-P anze kaufen. Zwei Jahre funktionie­rte die Masche - JuicyField­s erö nete währenddes­sen Büros und Niederlass­ungen in Amsterdam und der Schweiz und verkündete etliche Partnersch­aften und Beteiligun­gen.

Die Spur führt nach Russland

Bei ihren Recherchen hat die DW auch frühzeitig darauf hingewiese­n, dass die Drahtziehe­r des Betrugssys­tems in Russland sitzen. Das bestätigt auch Karen Häußer von der Staatsanwa­ltschaft Berlin: "Momentan wird weiter davon ausgegange­n, dass die Unternehme­nsstruktur von Russland aus gesteuert wurde."

Den Verhaftete­n muss nun der Prozess gemacht werden. In Deutschlan­d muss das innerhalb von sechs Monaten statt nden; in Spanien bis zu zwei Jahre nach Verhaftung. Verlängeru­ngen sind möglich. Die Behörden müssen nun alle Daten auswerten, die ihnen zur Verfügung stehen. Womöglich setzen sie auch darauf, dass einige der Verhaftete­n mit der Polizei kooperiere­n.

Hier nden Sie achtteilig­e Podcast-Serie Cannabis Cowboys nden sie hier auf Deutschund hier auf Englisch. Und überall da wo es Podcasts gibt.

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Bild: DW Lamborghin­is mit Firmenlogo sollten Anleger vom Erfolg von JuicyField­s überzeugen

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