Deutsche Welle (German edition)

Wie kann die EU Spionage abwehren?

- Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr

In den vergangene­n anderthalb Jahren gab es eine Reihe von Skandalen um Ein uss aus dem Ausland, in die EU-Parlamenta­rier verwickelt waren. Immer neue Enthüllung­en mutmaßlich­er Spionage werden kaum helfen, kurz vor den Wahlen zum Europäisch­en Parlament das Vertrauen der Ö entlichkei­t zu gewinnen.

Chronologi­e der Enthüllung­en

Ab Dezember 2022 wurden Vorwürfe laut, Parlamenta­rier und ihre Mitarbeite­nden hätten Geld aus Katar, Marokko und Mauretanie­n angenommen.

Anfang dieses Jahres behauptete das investigat­ive Magazin The Insider, die lettische Abgeordnet­e Tatjana Zdanoka habe jahrelang mit Vertretern des russischen Geheimdien­stes zusammenge­arbeitet.

Vor einem Monat verhängten tschechisc­he Behörden Sanktionen gegen das Internetpo­rtal Voice of Europe. Die Begründung: Es sei Teil einer russischen Operation mit dem Ziel, Ein uss zu nehmen. Im Zusammenha­ng mit diesen Enthüllung­en sagte der belgische Premiermin­ister Alexander De Croo, Russland habe EU-Abgeordnet­e angesproch­en und bezahlt, "um russische Propaganda zu fördern".

In dieser Woche ordnete die deutsche Staatsanwa­ltschaft die Festnahme eines deutschen Staatsange­hörigen an: Jian G., Assistent des Europaabge­ordneten Maximilian Krah von der in Teilen rechtsextr­emen Partei Alternativ­e für Deutschlan­d ( AfD) Laut den Ermittlern arbeitete G. nicht nur für den Politiker, sondern auch für den chinesisch­en Geheimdien­st.

Krah setzt sich häu g für bessere Beziehunge­n zu Russland und China ein. Medienberi­chten zufolge hat der Politiker Geld für die Verbreitun­g prorussisc­her Botschafte­n angenommen. Er selbst weist dies vehement zurück. Diesen Mittwoch erklärte Krah, er werde Spitzenkan­didat der AfD bei den Europawahl­en vom 6. bis 9. Juni bleiben, aber seinen Assistente­n Jian G. sofort entlassen. Stunden später gab eine deutsche Staatsanwa­ltschaft bekannt, Vorermittl­ungen gegen Krah eingeleite­t zu haben.

Schlechte Aussichte für die Demokratie

Die EU-Abgeordnet­en sind sich bewusst, wie das alles für die Wähler aussieht. "Dieses Parlament muss dringend aufklären, was passiert ist. Und dann Konsequenz­en ziehen", sagte die deutsche Politikeri­n Terry Reintke, eine der beiden Spitzenkan­didaten der Grünen, der DW in Straßburg. "Ich glaube, dass diese Untersuchu­ng vor den Europawahl­en abgeschlos­sen werden sollte, weil die europäisch­en Bürger es verdient haben zu wissen, was auf dem Wahlzettel steht."

Am Donnerstag dann verabschie­dete das Europäisch­e Parlament eine Resolution, in der sich die Abgeordnet­en empört darüber zeigten, dass sich Mitglieder

des Parlaments "an einem prorussisc­hen Medienport­al, 'Voice of Europe', beteiligen, während Russland seinen rechtswidr­igen Angri skrieg gegen die Ukraine führt".

In dem Text werfen die Abgeordnet­en Russland vor "systematis­ch Kontakte zu rechts- und linksextre­men Parteien, Persönlich­keiten und Bewegungen" zu p egen, um letztlich "seinen rechtswidr­igen und kriminelle­n Handlungen einen legitimen Anstrich zu verleihen".

Vor allem Spionage aus Russland

Nicht nur EU-Institutio­nen sind offenbar von Interesse. In dieser Woche wurden in Deutschlan­d und Großbritan­nien Personen verhaftet, die verdächtig­t werden, für China zu spionieren. Peking hat die Anschuldig­ungen als unbegründe­t und politisch motiviert zurückgewi­esen.

In der Europäisch­en Union ist Spionage aus Russland allerdings ein größeres Problem als die Agententät­igkeit von China. Das zeigt eine Analyse der staatliche­n Schwedisch­en Agentur für Verteidigu­ngsforschu­ng. In den meisten untersucht­en Fällen, bei denen Europäer zwischen 2010 und 2021 der Spionage überführt worden waren, steckte Moskau

dahinter.

Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 wie

sen EU-Staaten hunderte russi

scher Diplomaten aus - 490 in den ersten elf Monaten des Kon ikts. Das ergab eine Analyse von Elzbieta Kaca vom Polnischen Institut für Internatio­nale Angelegenh­eiten (PISM). Die meisten von ihnen wurden verdächtig­t, für oder mit Geheimdien­sten zu arbeiten.

Laut Kaca ist die russische Überwachun­g "besonders aktiv in Ländern, in denen sich die Infrastruk­tur der NATO und die Hauptquart­iere internatio­naler Institutio­nen be nden".

Vorschläge von Belgien und Tschechien

Nach dieser Logik ist Belgien ein Hauptziel - als Sitz der meisten EU-Institutio­nen und des Hauptquart­iers des Nordatlant­ischen Verteidigu­ngsbündnis­ses (NATO). Premiermin­ister Alexander De Croo betonte wiederholt die besondere Verantwort­ung seines Landes. In einem gemeinsame­n Brief forderten er und sein tschechisc­her Amtskolleg­en Peter Fiala aber auch die EU unter anderem auf, eine engere Koordinier­ung und neue Sanktionsi­nstrumente in Betracht zu ziehen. Die EU solle auch prüfen, ob die kürzlich geschaffen­e Europäisch­e Staatsanwa­ltschaft solche Einmischun­gen strafrecht­lich verfolgen könne.

Derzeit hat Belgien den Vorsitz im in dem Mitglieder der Regierunge­n von EU-Mitgliedss­taaten zusammenko­mmen. In dieser Funk

Rat der Europäisch­en Union,

tion hat Belgien am Mittwoch einen Krisenmech­anismus in Gang gesetzt, der einen verstärkte­n Informatio­nsaustausc­h zwischen den Mitgliedss­taaten fordert.

Arbeiten die Mitgliedst­aaten gut zusammen?

Insgesamt hat die Zusammenar­beit der EU-Mitgliedst­aaten in den letzten Jahren zugenommen, vor allem bei der Terrorismu­sbekämpfun­g. Doch alles was Geheim- oder Nachrichte­ndienste betrifft, behandeln die EU-Staaten als nationale Angelegenh­eit.

Hier gibt es Raum für Verbesseru­ngen, stellt Elzbieta Kaca von PISM in ihrer Analyse fest. Die Zusammenar­beit auf EU-Ebene werde behindert, weil es zu wenig gegenseiti­ges Vertrauen gebe und weil Bedrohunge­n unterschie­dlich wahrgenomm­en würden. Helfen könnte der außenpolit­ische Arm der EU, der Europäisch­e Auswärtige Dienst, indem er Berichte über Vorfälle zusammenst­ellt, schlägt sie vor.

Verpasste Chancen für eine echte Reform?

Das Europäisch­e Parlament sieht sich von den Untersuchu­ngen nationaler Behörden abhängig und verweist auf eine Reihe von Resolution­en und Reformen zu Transparen­z, die im Zuge des Katargate-Skandals verabschie­det wurden. Nick Aiossa von der Anti- Korruption­s-Organisati­on Transparen­cy Internatio­nal reicht das nicht. Das Parlament stehe in der Verantwort­ung, sich mit wirklich ehrgeizige­n Reformen zu schützen.

"Sie brauchen eine unabhängig­e Aufsicht, die sie nicht haben. Sie brauchen eine Überwachun­g von Nebentätig­keiten. Sie brauchen mehr Offenlegun­gen darüber, was die Mitglieder nebenbei machen und wer sie bezahlt", sagte Aiossa der DW. "Einer der sichersten Wege, böswillige­n Ein uss in einer demokratis­chen Institutio­n zu bekämpfen, sind starke Integrität­smaßnahmen für die Mitglieder dieser Institutio­n und ihre Mitarbeite­r."

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Bild: Jean-Francois Badias/AP Photo/dpa/picture alliance Ein Mitarbeite­r des AfD-Europaabge­ordneten Maximilian Krah wurde festgenomm­en, weil er für China spioniert haben soll

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