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Listicle: Was Sie jetzt über Rafahwissen müssen
Israel bereitet sich auf einen Angri auf Rafah im Süden des Gazastreifens vor. Für Zivilisten wurden die ersten Notunterkünfte errichtet. Doch noch fehlt für die O ensive die Zustimmung von Premierminister Netjanhu.
Seit Anfang Februar wird in Israel über eine mögliche Militäroffensive auf Rafah im südlichen Gazastreifen diskutiert. Laut israelischen Medienberichten vom Donnerstag (25.04.) haben die Streitkräfte ihre Vorbereitungen für die Offensive inzwischen abgeschlossen. Demnach fehlt nur noch die Zustimmung der israelischen Regierung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuletzt erklärt, die Offensive könne bereits "in den kommenden Tagen" beginnen. Rund sechs Wochen "ununterbrochene Kämpfe" hat die Armeeführung öffentlich für die Operation kalkuliert.
Sicherheitsexperten gehen dennoch nicht davon aus, dass die Offensive unmittelbar bevorsteht, auch wenn sich die Gerüchte aktuell wieder verdichten. Nachbar Ägypten versucht derzeit, ein neues Geiselabkommen zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln - in der Ho nung, damit auch die Offensive auf Rafah abwenden oder zumindest verzögern zu können.
Wie ist die Situation der Menschen in Rafah?
Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen sind auf der Flucht. Von den gut 2,3 Millionen Einwohnern haben bis zu 1,4 Millionen in Rafah Zu ucht gefunden, nachdem die israelischen Streitkräfte den Norden des Gazastreifens eingenommen haben. Damit ist Rafah derzeit die bevölkerungsreichste Stadt im Gazastreifen.
Die Flüchtlingslager in der Region um Rafah sind voll - es fehlt an Nahrungsmitteln, Medikamen
ten und Trinkwasser. "Die humanitäre Lage in Gaza ist unglaublich schlecht", sagte eine Vertreterin der US-Entwicklungsbehörde USAID. Im Süden des Gazastreifens leide fast ein Viertel der Bevölkerung unter katastrophaler Ernährungsunsicherheit. Besonders betroffen sind Kinder.
Warum ist Rafah so wichtig für Israel?
Rafah gilt als letzter großer Stützpunkt der islamistischen Terrorgruppe Hamas, die am 7. Oktober vergangenen Jahres ein Massaker in Israel verübt und 240 Menschen aus Israel in den Gazastreifen als Geiseln verschleppt hatte.
Israel geht davon aus, dass sich noch bis zu vier der ehemals 24 Hamas-Brigaden in oder unter
Rafah versteckt halten. Sie zu bekämpfen, ist aus dieser Perspektive ein entscheidender Schritt zur
Zerschlagung der Organisation.
Die Kampfkraft der Hamas ist nach sieben Monaten Krieg mit Israel geschwächt, aber militärisch besiegt ist die Terrorgruppe nicht. Zwar hat die Zahl der Raketenangriffe auf Israel stark abgenommen, doch verfügt die Organisation weiterhin über viele Raketen und Drohnen. Beobachter gehen davon aus, dass Israel bislang 70 bis 80 Prozent des Waffenarsenals der Hamas zerstört hat.
Wie will Israel die Zivilbevölkerung in Rafah schützen?
Die israelische Armee hat in dieser Woche mitgeteilt, die Vorbereitungen für eine Evakuierung der Zivilisten aus Rafah seien abgeschlossen. Das israelische Verteidigungsministerium habe rund 40.000 Zelte für Zivilisten aus Rafah beschafft, um die Menschen in und um die Stadt unterzubringen. Die Nachrichtenagentur AP veröffentlichte Bilder einer ersten größeren Zeltstadt westlich von Chan Yunis. Wo weitere Versorgungspunkte entstehen könnten, ist derzeit unklar.
Unterdessen haben die USA mit dem Bau eines provisorischen
Hafens vor der Küste begonnen. Die provisorische Hafenanlage im Norden des Gazastreifens könnte nach US-Angaben Anfang Mai betriebsbereit sein und von da an die Versorgung der Zivilbevölkerung erleichtern.
Doch der Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für Hunderttausende Binnen üchtlinge erfordert vieler Partner. Ein solcher Prozess mit der Beteiligung von Hilfsorganisationen, UN-Agenturen und Geberstaaten könnte noch mehrere Wochen dauern. Aktuell kommt ein Großteil der Hilfen über den Grenzübergang Rafah in die Camps.
Was sagen die anderen?
Im Falle einer israelischen Militäroffensive befürchtet das Nachbarland Ägypten, dass viele Flüchtlinge aus der Grenzstadt Rafah auf den ägyptischen Sinai kommen könnten. Medienberichten zufolge habe die Führung in Kairo Israel in diesem Zusammenhang mit der Aufkündigung des Friedensvertrages gedroht. Der ägyptische Außenminister Samih Schukri hat das aber dementiert.
Massive Kritik an den OffensivPlänen kommt auch von Israels wichtigstem Verbündeten, den USA. US-Präsident Joe Biden forderte Israels Premier bereits im Februar auf, die Offensive nicht ohne einen glaubwürdigen Plan zum Schutz der Zivilbevölkerung zu beginnen. Außenminister Antony Blinken sagte vor einer Woche: "Wir können eine größere Militäroperation in Rafah nicht unterstützen."
Der Artikel wurde aktualisiert. Ergänzt wurde das Dementi des ägyptischen Außenministers zur möglichen Aufkündigung des Friedensvertrages.