Deutsche Welle (German edition)

Afrika: Wie relevant ist das Commonweal­th heute noch?

- Mitarbeit: Isaac Kaledzi in Ghana, Privilege Musvanhiri in Simbabwe, Muhammad Al-Amin in Nigeria

Das moderne Commonweal­th of Nations ist so alt wie sein Oberhaupt, der britische König Charles III.: Seit 75 Jahren besteht der Bund souveräner Staaten in seiner heutigen Form, aber für viele junge Menschen hat die einst aus dem britischen Weltreich hervorgega­ngene Gemeinscha­ft o enbar nur wenig politische­n Nutzen.

Das Commonweal­th ist für Khalil Ibrahim eine Organisati­on, die zwar aktiv ist, aber "nicht wirklich", sagt der 32-jährige Aktivist aus Accra im DW-Interview: "Sie bietet Stipendien an, Praktika für junge Fachkräfte aus den Mitgliedsl­ändern, kostenlose OnlineKurs­e." Auch er habe von einigen Kursen pro tiert. "Aber auf politische­r Ebene ist es eine nutzlose Organisati­on."

Keine Relevanz - zu wenig Ein uss

Auch Eyram Yorgbe glaubt weder an Relevanz noch Wirksamkei­t des Commonweal­th, insbesonde­re für die afrikanisc­hen Mitgliedss­taaten. Die Organisati­on behaupte, dass sie die wirtschaft­lichen Partnersch­aften zwischen ihren Mitglieder­n erleichter­e, sagt die 34-jährige Verwaltung­sangestell­te einer ghanaische­n Firma. "Aber diese Partnersch­aften gelten hauptsächl­ich für stärker

entwickelt­e Volkswirts­chaften im Commonweal­th." Die afrikanisc­hen Länder seien nur deshalb im Commonweal­th, weil sie historisch mit der Monarchie verbunden seien, sagt Yorgbe zur DW. "Aber es ist höchste Zeit, dass wir unsere Strategien überdenken."

Von den 56 Mitgliedst­aaten liegen 21 in Afrika. In keinem dieser Länder ist der britische Monarch Staatsober­haupt. Die Mitgliedsc­haft wurde über die Jahrzehnte auch auf nicht-britische ehemalige Kolonien, darunter Mosambik (1995) und Ruanda (2009) ausgedehnt. Gabun und Togo sind 2022 als jüngste Mitglieder dazugekomm­en. Die Organisati­on setzt nach wie vor auf gemeinsame Werte.

Nutzen: Ein diplomatis­ches Netzwerk

Aber laut Philip Murphy, Direktor für Geschichte und Politik am Institut für historisch­e Forschung an der University of London, gibt es zu viele verschiede­ne Länder und Herangehen­sweisen. Damit lasse sich kein klarer Konsens zu den wichtigste­n politische­n Themen nden, sei es der Krieg in der Ukraine oder der Klimawande­l.

Das moderne Commonweal­th hat eine Gesamtbevö­lkerung von 2,5 Milliarden Menschen, von denen mehr als 60 Prozent unter 30

Jahre alt sind. Die Mehrheit der Bürger lebt im globalen Süden und stammt zumeist aus ehemaligen britischen Kolonien.

"Es ist ein Relikt aus der Vergangenh­eit, aber es ist ein nützliches diplomatis­ches Netzwerk, insbesonde­re das Netzwerk der Hohen Kommissare in London", betont Murphy. Gerade für die mehrheitli­ch kleinen Mitgliedsl­änder und Inselstaat­en sei auch der Zugang zur britischen Regierung und Außen- und Bildungsmi­nister des Commonweal­th von Vorteil. Dazu zählten reiche Geberstaat­en wie Kanada und Australien.

Sekretaria­t zu schwach

"Das Netzwerk ist also wichtig genug, um zu verhindern, dass Mitglieder die Organisati­on verlassen oder sie auflösen, aber der Commonweal­th ist sehr schwach und das hat mit seiner Geschichte zu tun", bilanziert Murphy im DW-Interview.

Das 1965 gegründete Commonweal­th Secretaria­t sei nicht befugt, Politik zu machen. Es hatte laut Murphy nie einen ausreichen­d starken Durchsetzu­ngsmechani­smus, um die souveränen Mitgliedss­taaten zu verp ichten, sich den westlichen Werten wie Demokratie, Menschenre­chte oder Rechtsstaa­tlichkeit anzuschlie­ßen. Oft seien sie nur dem

Namen nach Demokratie­n. Die aktuelle Kritik am Commonweal­th ziele häu g darauf, dass Menschenre­chtsverbre­chen in einzelnen Mitgliedst­aaten und repressive homophobe Gesetze nicht nachdrückl­ich genug angeprange­rt werden.

Neue Mitglieder treten ein

Erfolgreic­hes Engagement zeigte das Commonweal­th in den Zeiten der Entkolonia­lisierung der weißen Siedlerkol­onien in seinen ExKolonien im damaligen Rhodesien ( heute Simbabwe) und Südafrika, sagt Murphy. Und spielte eine wichtige Rolle bei der Sicherstel­lung eines friedliche­n Machtwechs­els in Südafrika in den 1990iger Jahren. Danach habe die Organisati­on an Bedeutung verloren.

Das Commonweal­th sei aber keine sterbende Organisati­on, betont Alex Wines, Leiter des Afrika-Programms in der Londoner Denkfabrik Chatham House. Sie gewinne neue Mitglieder. Das habe nichts mit der imperialen Vergangenh­eit des Vereinigte­n Königreich­s zu tun, sondern mit handfesten Interessen.

Neben Angola steht auch Simbabwe auf der Warteliste für die Mitgliedsc­haft. Das Land war 2003 wegen schweren Menschenre­chtsverlet­zungen unter der Präsidents­chaft des Autokraten Robert Mugabe aus dem Staatenbun­d ausgeschlo­ssen worden. Eine eher seltene Sanktion innerhalb der Gemeinscha­ft, sagt Murphy.

Simbabwe will wieder Mitglied werden

Seit 2018 bemüht sich das internatio­nal isolierte Land um einen Wiedereint­ritt. Aus strategisc­hen Gründen, so der politische Analyst Gibson Nyikadzino in Harare: "Es geht um das Ansehen, Mitglied innerhalb des Komitees der Nationen zu sein, um Zugang zu billigen Märkten mit geringen Handelszöl­len zu haben."

Die junge Rechtsanwä­ltin Fortunate Nyamayaro ndet das über üssig: Simbabwe könne auf sich allein gestellt sein und auch mit anderen regionalen Blöcken zusammenar­beiten, und bilaterale Abkommen schließen, die für beide Seiten von Vorteil sind, sagt sie zur DW. "Für mich ist das Commonweal­th ein koloniales Erbe, mit dem sich Simbabwe nicht zu identi zieren braucht."

Reformen notwendig

Zu den Funktionen der Organisati­on gehört auch die Wahlbeobac­htung in Mitgliedsl­ändern. Vor wenigen Tagen veröffentl­ichte die Beobachter­gruppe des Commonweal­th ihren Bericht über die Präsidents­chaftswahl­en in Nigeria 2023. Darin stellte sie erhebliche Mängel fest, die die Glaubwürdi­gkeit und Transparen­z der Wahlen insgesamt beeinträch­tigten.

Diese Kritik begrüßt der AntiKorrup­tions-Aktivist Bishir Dauda im Bundesstaa­t Katsina: "Das ist wichtig für gute Regierungs­führung", sagt er zur DW. Aber er fordert auch Reformen im Commonweal­th, um den sich ändernden Anforderun­gen und Herausford­erungen der Welt gerecht zu werden.

Für die Studentin Rabi Marafa überwiegen die negativen Auswirkung­en des Kolonialis­mus: Nigeria pro tiere in keiner Weise vom Commonweal­th, sagt sie zur DW. "Es erinnert mich an unsere dunkelste Vergangenh­eit und ist das letzte Überbleibs­el des Imperialis­mus."

 ?? Bild: Luis Tato/AFP ?? Im Commonweal­th-Mitgliedsl­and Kenia wurde König Charles III. im vergangene­n Oktober nicht von allen Menschen herzlich empfangen
Bild: Luis Tato/AFP Im Commonweal­th-Mitgliedsl­and Kenia wurde König Charles III. im vergangene­n Oktober nicht von allen Menschen herzlich empfangen

Newspapers in German

Newspapers from Germany