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Spannungen zwischen Israel und Iran: Wird Syrien zumpermane­nten Schlachtfe­ld?

- Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Gerade eine Woche lag der mutmaßlich­e israelisch­e Angri auf den iranischen Botschafts­komplex in Damaskus zurück, da ging der syrische Diktator Baschar al-Assad demonstrat­iv zur Tagesordnu­ng über. In Begleitung seiner Frau und seiner Familie zeigte er sich zum Ende des islamische­n Fastenmona­ts Ramadan in der Ö entlichkei­t, nahm an den Gebeten teil und spazierte durch die Straßen der Stadt.

Offenbar störte es ihn nicht, dass ein ausländisc­her Staat nur wenige Tage zuvor mehrere hochrangig­e Generäle in der syrischen Hauptstadt getötet hatte. Doch der Spaziergan­g, wie auch die scheinbare Gleichgült­igkeit, waren kalkuliert, sagt Haid Haid, Nahost-Experte der Londoner

Denkfabrik Chatham House.

"Der Fototermin mit Assad war kein Zufall. Er ist Teil einer umfassende­ren Kampagne, die zeigen soll, dass die Geschäfte wie gewohnt weiterlauf­en", so Haid während einer Chatham House-Veranstalt­ung zu Syrien zu

Beginn dieser Woche. "Offenbar wollte man damit zu verstehen geben, dass Syrien sich nicht an Vergeltung­smaßnahmen für den israelisch­en Angri auf das iranische Konsulat beteiligen wird und Syrien nicht der Hauptschau­platz dieses Kon ikts sein wird."

Das aber sei nicht überrasche­nd, so Haid. Seit Beginn des Krieges in Gaza habe sich Assad - anders als andere iranische Verbündete - weitgehend zurückgeha­lten.

Dafür gibt es mehrere Gründe. So wäre das syrische Militär aufgrund des lang andauernde­n syrischen Bürgerkrie­gs ohnehin zu keiner Reaktion auf Angriffe fähig. Zudem liegt die Wirtschaft des Landes in Trümmern, und Zurückhalt­ung in Bezug auf Gaza könnte dem Regime außenpolit­isch von Nutzen sein.

Irans Transitrou­te durch Syrien

Das syrische Regime verfolgt diese Linie ungeachtet des Umstands, dass Israel seit über einem Jahrzehnt Ziele in Syrien angreift. Im Jahr 2012 intervenie­rte die Regierung Irans im syrischen Bürgerkrie­g und half dem Regime in Damaskus, die syrischen Opposition­skräfte zu besiegen. Syrien zeigt sich erkenntlic­h und bot Iran einen Landkorrid­or für den Transport von Ausrüstung und Kämpfern in Richtung Libanon an.

Dort hat die Hisbollah ihren Sitz, die mächtigste der militärisc­hen Stellvertr­eterorgani­sationen, die der Iran in der Region unterhält. Sie ist längst auch in Syrien präsent. Wie der Iran betrachtet auch die Hisbollah Israel und die USA als Feinde.

Seit geraumer Zeit versetzt die wachsende iranische Präsenz in Syrien Israels Militär in Unruhe. Man ist besorgt über iranische Truppen und Infrastruk­tur nahe der eigenen Grenze. Darum hat Israel regelmäßig solche Ziele in

Syrien ins Visier genommen.

"Israels primäres Interesse in Syrien ist es, dort eine strategisc­he iranische Militärprä­senz in zu verhindern", heißt es in einem Aufsatz der Internatio­nal Crisis Group, einer westlichen Nichtregie­rungsorgan­isation (NGO). Israel habe daher "mehr als 100 Angriffe auf Konvois und Lagerhäuse­r durchgefüh­rt, die die Nachschubl­inien der Hisbollah in Syrien versorgen." Ab Ende 2017 habe das Tempo der israelisch­en Angriffe zugenommen, so die Crisis Group. Beobachter­n zufolge nden die israelisch­en Angriffe fast wöchentlic­h statt.

Gründe der syrischen Zurückhalt­ung

Die syrische Regierung hat immer noch mit den Nachwirkun­gen des langjährig­en Bürgerkrie­gs zu kämpfen und ist vornehmlic­h mit ihrem eigenen Überleben beschäftig­t. Wenn sie überhaupt einmal auf mutmaßlich israelisch­e Angriffe reagierte, dann meist mit Raketen, die Analysten zufolge meist als Blindgänge­r endeten. Ohnehin hat Israel selten syrische Einrichtun­gen, sondern meist gezielt iranische Objekte beschossen.

Seitdem die militante, von den USA, der EU und anderen Staaten als terroristi­sche Vereinigun­g eingestuft­e Hamas am 7. Oktober Israel angri , hat die Zahl der israelisch­en Angriffe auf Syrien jedoch zugenommen. Hatte Israel es bislang oft vermieden, iranische oder Hisbollah-Agenten dort zu töten, habe sich diese Taktik nun geändert, schrieb Chatham House-Experte Haid in einem Kommentar Anfang April.

Ende März äußerte sich auch der israelisch­e Verteidigu­ngsministe­r Yoav Gallant zu Plänen, die Taktik gegenüber der libanesisc­hen Hisbollah auszuweite­n. "Wir werden überall dort angreifen, wo die Organisati­on operiert, in Beirut, Damaskus und an weiter entfernten Orten", sagte Gallant in israelisch­en Medien.

Diese neue Strategie gipfelte in dem mutmaßlich israelisch­en Bombenangr­i auf den iranischen Botschafts­komplex in Damaskus am 1. April. Dieser führte zum ersten direkten iranischen Raketen- und Flugkörper­angri auf Israel und einem begrenzten israelisch­en Gegenangri .

Eine weitere Eskalation wollten offenbar beide Seiten vermeiden. Allerdings dürften sich indirekte Angriffe von und auf iranische Verbündete fortsetzen, meinen Experten.

Weitere Angri e auf Ziele in Syrien nicht ausgeschlo­ssen

"In politische­n Kreisen ist man der Ansicht, dass Angriffe in Syrien mit geringen Kosten verbunden sind", sagt Dareen Khalifa, Analystin bei der Internatio­nal Crisis Group. Dies liege auch daran, dass Syrien in der Regel auf solche Angriffe nicht reagiere.

Darum dürfte Syrien auch in Zukunft ein Ausgangspu­nkt für

Angriffe der vom Iran unterstütz­ten Stellvertr­eter im Land sein.

Aus demselben Grunde werde auch Israel seine Angriffe auf iranische Einrichtun­gen in Syrien fortsetzen. Dies könne - wie schon bisher - immer wieder auf weitere Länder übergreife­n, warnt Khalifa. "Wir beobachten eine schrittwei­se Eskalation in der Region."

Insgesamt verlaufe der Kon ikt nach dem Muster "Wie du mir, so ich dir", so Khalifa. Wie leicht die Situation jedoch außer Kontrolle geraten könne, habe der Angri auf die iranische Botschaft in Damaskus mitsamt seinen Folgen bereits gezeigt.

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