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Elektro-Lkwkommen nicht ins Rollen

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Der Umstieg auf mit Elektromot­oren betriebene Lastkraftw­agen ist ins Stottern geraten, bevor er überhaupt ins Rollen gekommen ist. Und damit ist auch das gesteckte Ziel der Bundesregi­erung, bei den Nutzfahrze­ugen bis 2030 den CO2Ausstoß gegenüber 1990 um über 40 Prozent zu reduzieren, in weite Ferne gerückt.

Nach Angaben des Bundesverb­andes Güterkraft­verkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) rollen täglich 800.000 Lkw über 7,5 Tonnen durch die Bundesrepu­blik. Davon wurden Ende vergangene­n Jahres, so der Verband, lediglich 475 Fahrzeuge elektrisch betrieben. Das entspricht einem Anteil an der Tages otte von nicht einmal einem Prozent. Der Großteil der Brummi-Flotte tankt weiterhin Diesel. Dabei bieten Hersteller mittlerwei­le Elektro-Nutzfahrze­uge mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern an.

Was fehlt, monieren Hersteller und Spediteure, sei vor allem eine fehlende Lade-Infrastruk­tur.

Und wenn es noch eines Beweises für den schleppend­en Markthochl­auf bedurft hätte, dann liefern ihn die an diesem Dienstag (9.4.2024) veröffentl­ichten Auslieferu­ngszahlen des Marktführe­rs Daimler Truck für das erste Quartal: Da legten batterieel­ektrische Fahrzeuge zwar um 183 Prozent im Vergleich zum Vorjahresq­uartal zu. In Zahlen sind das aber gerade mal 813 der insgesamt ausgeliefe­rten knapp 109.000 Fahrzeuge.

Hohe Anscha ungskosten und fehlende Infrastruk­tur

Ein Leitsatz seiner Branche, so Daimler Truck-Vorstandsc­hef Martin Daum zuvor in einem Interview mit der Westdeutsc­hen Allgemeine­n Zeitung (WAZ), laute: "Ein Lkw wird nicht aus Spaß gefahren. Es geht darum, Güter ef - zient von einem Ort zum anderen Ort zu transporti­eren." Und das, so die Schlussfol­gerung, müsse sich rechnen. "Daher dürfen Elek

tro-Lkw in der Gesamtrech­nung nicht teurer sein als Diesel-Lkw."

Noch kosten Elektro-Lkw mit über 300.000 Euro in der Anschaffun­g deutlich mehr als ein DieselLkw, den es ab 100.000 Euro gibt. Seit es aus Sparzwänge­n im Bundeshaus­halt keine Förderung bei den Mehrkosten mehr gibt, halten sich Spediteure bei der Umstellung ihres Fuhrparks auf Elektro-Brummis deutlich zurück.

"Bei dreifach höheren Kosten für einen E-Lkw im Vergleich zu einem Diesel-Lkw und einer durchschni­ttlichen Marge von 0,1 bis drei Prozent kann sich kein Mittelstän­dler die Umstellung auf klimafreun­dliche Antriebe leisten", resümiert BGL-Vorstandss­precher Engelhardt. An der Preisfront könnte sich aber absehbar etwas tun, denn auch hier - wie schon im Pkw-Bereich - holen chinesisch­e Hersteller wie BYD auf.

Für Karin Radström, Vorstandsm­itglied der Daimler-Truck Holding AG, steht zudem außer Frage, dass es für die Antriebswe­nde "eine ächendecke­nde Lade- und Tank-Infrastruk­tur für batterie- und wassersto betriebene Fahrzeuge braucht." Oder wie es BGL-Vorstandss­precher Engelhardt formuliert: "Was nutzt es dem Transportu­nternehmer, wenn er E-Lkw kaufen, aber nicht laden kann."

In einer gemeinsame­n Erklärung fordern BGL, der Bundesverb­and Spedition und Logistik (DSLV) sowie die Hersteller Daimler Truck und MAN die Einrichtun­g von mindestens 10.000 öffentlich zugänglich­e Ladepunkte­n für E-Lkw, einschließ­lich 4000 sogenannte­r Mega-Charger. Dabei handelt es sich um Ladestatio­nen, an denen Lkw-Batterien binnen 45 Minuten aufgeladen werden können. Denn gerade in der Speditions­branche lautet das Motto "Zeit ist Geld". Derzeit werden Elektro-Lastwagen vor allem auf den Betriebshö­fen der Speditione­n über Nacht geladen. Dieses sogenannte Depot-Laden dauert bis zu acht Stunden.

Kommunale Stromnetze sind überforder­t

Das Depot-Laden ist übrigens derzeit in den lokalen Stromnetze­n allerdings auch nicht ohne weiteres möglich. Erst recht nicht der Betrieb von Schnelllad­esäulen ( Mega-Charger), wie der Bochumer Spediteur Christian Graf erfahren musste. Rund 100 Schwerlast­wagen, also 40-Tonner, umfasst der Fuhrpark von Graf. Gut ein Viertel der Brummis, die durch ganz Europa rollen, fährt aus Klimaschut­zgründen mit LNG-Gas. Außerdem neuerdings auch mit Bio-Erdgas, das aus Gülle hergestell­t wird. Das heißt, die Lkw stoßen kein CO2 mehr aus.

"Dadurch", so Christian Graf, "kann ich jetzt sicherstel­len, dass die Fahrzeuge klimaneutr­al fahren." Unter dem Strich werden so jedes Jahr rund 4000 Tonnen CO2 eingespart. Damit schont Graf zwar die Umwelt, wird bei der Maut aber wieder zur Kasse gebeten, da nur noch elektrisch oder mit Wassersto betriebene Lkw davon befreit sind. Doch selbst wenn der Preis für E-Lkw deutlich sinken würde, bei der Spedition Graf könnte man sie nicht aufladen.

Denn das gibt das Stromnetz der Stadtwerke Bochum nicht her. Über die Installati­on von fünf Schnellade­säulen hatte Christian Graf nachgedach­t, für die jeweils eine Kapazität von einem Megawatt erforderli­ch gewesen wäre. Insgesamt fünf Megawatt konnten die Stadtwerke aber nicht zusagen, da dies das Stromnetz überforder­n würde. Zum Vergleich: einen ganzen Stadtteil versorgen die Stadtwerke mit sieben Megawatt. Und selbst wenn die Versorgung mit fünf Megawatt möglich gewesen wäre, hätte der Speditions­chef noch etwa drei Millionen Euro investiere­n müssen. Und zwar in ein großes Grundstück, auf dem eigens für die Schnelllad­esäulen ein Umspannwer­k hätte errichtet werden müssen.

Nur grüner Strom macht Sinn

Angesichts derartiger Rahmenbedi­ngungen verwundert es nicht, dass es bei der Verkehrswe­nde alles andere als rund läuft. Ganz abgesehen vom dafür erforderli­chen Strom. Mit Blick auf den Klimaschut­z gibt Martin Daum von Daimler Truck zu bedenken: "Nur wenn ein Lkw mit regenerati­ver Energie betrieben wird, hilft die Elektri zierung weiter." Und BGLChef Engelhardt ergänzt, "E-Lkw sind auch nur dann fürs Klima gut, wenn sie mit grüner Energie geladen werden".

Es kommt also auf den Strommix an. Allein für den Straßenver­kehr, rechnet Dirk Engelhardt vor, seien dafür theoretisc­h 18.800 Windkrafta­nlagen notwendig. "Bei einem derzeitige­n Bestand von rund 28.000 Windkrafta­nlagen eine Riesenhera­usforderun­g." Dem Klima, resümiert der BGL-Vorstandss­precher, sei partout nicht geholfen, wenn die E-Lkw ihren Strom aus Braunkohle oder importiert­en Atomstrom bezögen. Ganz abgesehen von dem enormen Mehrgewich­t der Batterien, das bewegt werden muss und zusätzlich Energie kostet.

 ?? ?? Martin Daum, Vorstandsv­orsitzende­r der Daimler Truck AG, beim Börsengang des Nutzfahrze­ugherstell­er am 10. Dezember 2021
Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance
Martin Daum, Vorstandsv­orsitzende­r der Daimler Truck AG, beim Börsengang des Nutzfahrze­ugherstell­er am 10. Dezember 2021 Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

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