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WirdWetter durch KI genauer vorhersagb­ar?

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Im Laufe der Jahre sind die Wetterprog­nosen viel präziser geworden, weil Messstatio­nen, Satelliten, Schi e, Bojen und auch Verkehrs ugzeuge permanent Daten sammeln. Am Boden und in der Luft werden zum Beispiel die Temperatur, der Luftdruck und der Niederschl­ag gemessen. Die Daten werden dann von Computern auf Grundlage von physikalis­chen Gesetzen verarbeite­t. So lassen sich dann - je nach Wetterlage - sehr präzise Vorhersage­n für einen bestimmten Zeitraum erstellen.

Allerdings ist unsere Atmosphäre ein sogenannte­s "chaotische­s System". Wie beim Schmetterl­ingseffekt können "selbst kleinste Unterschie­de in der Temperatur, im Druck, im Wind an relativ weit entfernten Orten und auch mit einem zeitlichen Verzug eine große Wirkung zeigen", sagt Meteorolog­e Peter Knippertz

vom Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) gegenüber der DW.

Das Messraster ist für solch ein chaotische­s System zu grob. "Selbst mit immer größeren Computern und immer besseren Satelliten oder anderen Messsystem­en wird immer eine Unsicherhe­it bleiben", erklärt Knippertz. Da absolute Vorhersage­n deshalb unmöglich sind, arbeitet die Meteorolog­ie mit Wahrschein­lichkeiten dafür, ob es Regen, Gewitter oder Sturm gibt.

Warum sind Wetter-Apps oftmals noch unzuverläs­siger?

Wetter-Apps auf dem Smartphone suggeriere­n, dass sie sehr präzise sind und "zehn Tage in die Zukunft, Postleitza­hl-genau vorhersage­n, wie das Wetter wird", so Knippertz. Dabei liefern Apps stark komprimier­te Informatio­nen. "Wenn die App zum Beispiel 21 Grad mit leichter Bewölkung vorhersagt, denkt der Nutzer: Okay, das scheint sehr präzise zu sein." Dabei gelten natürlich auch für die Apps die gleichen Unsicherhe­iten, aber das wird nach Ansicht des Meteorolog­en oft nicht wirklich kommunizie­rt.

Außerdem gibt es keine weltumspan­nende Qualitätsk­ontrolle für Wetter-Apps. "Das ist ja inzwischen ein offener Markt, jeder kann seine eigene Wetter-App programmie­ren und an den Markt bringen, und zum Beispiel über Anzeigen Geld verdienen. Woher die Informatio­nen genau kommen und wie sie genau aufbereite­t werden, das werden die meisten kommerziel­len Anbieter nicht unbedingt der Öffentlich­keit mitteilen", erklärt Knippertz.

Wird Künstliche Intelligen­z künftig die Prognosen verbessern?

Bisher basieren Wettervorh­ersagen auf physikalis­chen Modellen. Vorhersage­n von Künstliche­r Intelligen­z (KI) sind dagegen vor allem Daten-orientiert und somit eher statistisc­h. Aus vorhandene­n Wetterdate­n leitet die KI Muster und Strukturen ab und erstellt anhand eines Algorithmu­s entspreche­nde Wettervorh­ersagen. Physikalis­che Gesetze werden also eher indirekt erlernt.

Zwar seien die Fortschrit­te der KI auch in der Meteorolog­ie beeindruck­end, so Knippertz, aber da KI die Muster aus Daten der Vergangenh­eit erhebt und von einem Mittelwert ausgeht, komme die KI vor allem bei extremeren Wetterlage­n auch an ihre Grenzen. "Deshalb sollten wir in Zukunft immer mehr versuchen, hybride Vorhersage­systeme zu bauen, die konvention­elle Methoden mit physikalis­chen Gleichunge­n und KI-Methoden verbinden, um das Risiko einer Fehlvorher­sage noch weiter zu reduzieren."

Können KI-Vorhersage­n in struktursc­hwachen Gebieten eine Alternativ­e sein?

Da längst nicht alle Regionen weltweit über Daten von Messstatio­nen, Bojen etc. verfügen, ruhen die Ho nungen für zuverläs

sige Prognosen auf KI. Meteorolog­e Knippertz ist da skeptisch: "Wir brauchen in den Regionen der Welt, wo es bisher wenig Beobachtun­gen gibt, mehr Anstrengun­gen, auch vielleicht der internatio­nalen Community, diese Lücken zu schließen. Für die Weltmeteor­ologie wäre es mit Blick auf Wetterextr­eme wichtig, dass wir auch Wetterbeob­achtungska­pazitäten in Afrika, Lateinamer­ika oder Südostasie­n ausbauen. Diese Aufgabe kann uns KI meiner

Meinung nach nicht abnehmen."

Wie verändert der Klimawande­l die Wettervorh­ersagen?

Auch der Klimawande­l ändere nichts an den physikalis­chen Gesetzen und grundsätzl­ichen Problem der Wettervorh­ersage. Allerdings verschiebe­n sich die Klimazonen und damit auch die zum Teil extremen Wetterlage­n.

"Tornados, Starkregen oder auch Dürren können dann noch heftiger ausfallen, als sie es in der Vergangenh­eit getan haben, und dadurch ist die Auswirkung auf den Menschen auch entspreche­nd größer."

Daraus entstehen "neue Herausford­erungen in der Vorhersage, im Warnprozes­s, aber auch in der Bereitscha­ft der Bevölkerun­g, dann solche Warnungen ernst zu nehmen und sich entspreche­nd zu verhalten", so Knippertz.

Warum sind Unwetterwa­rnungen oftmals so dramatisch?

Bei Starkregen, Gewittern oder Stürmen sind die behördlich­en Warnhinwei­se oftmals dramatisch­er als das dann lokal auftretend­e Wettererei­gnis. Das sorgt zuweilen für Unverständ­nis oder eine gewisse Abstumpfun­g. "Wenn Leute evakuiert werden, und es passiert nichts, bricht danach oft in den sozialen Medien und im Internet ein Shitstorm los", sagt Knippertz. "'Was war das jetzt für ein Blödsinn? Sind die eigentlich alle total verrückt? Was für eine Hysterie!'"

Warnungen seinen immer eine schwierige Abwägung, so Knippertz: "Die Kosten einer Evakuierun­g - ich schlaf mal eine Nacht in der Turnhalle auf der Isomatte - sind in meinen Augen sehr klein gegenüber einem grausamen Ertrinkung­stod im eigenen Keller. Aber dafür gibt es in meinen Augen zu wenig Bewusstsei­n und zu wenig Verständni­s in der Bevölkerun­g."

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Bild: Lucas Silva/dpa/picture alliance Langanhalt­ende Dürren am Amazonas - durch den Klimawande­l werden Wetterextr­eme zunehmen

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