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KI-Kurzfilm: Wie Sora die Spielregel­n der Animation neu definiert

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"Man sagt, dass jeder Mensch etwas Besonderes an sich hat. Etwas, das ihn von den anderen unterschei­det. In meinem Fall ist es o ensichtlic­h, was es ist". So beginnt der Kurz lm "air head". Das Besondere am Protagonis­ten ist, dass ihm statt eines Kopfes ein gelber Ballon aus dem Hals wächst. Auch der Film selbst ist etwas Besonderes: Es ist der erste Kurz lm, der von der künstliche­n Intelligen­z Sora generiert wurde.

Sora macht Text zu Video

Die Technologi­e stammt von der Firma OpenAI, die auch hinter dem Chatbot "ChatGPT" steckt. Sora funktionie­rt ganz einfach. Man beschreibt genau, was generiert werden soll und erhält es innerhalb weniger Sekunden.

"Als wir von Sora hörten, stand sofort fest, dass wir damit einen Film machen wollen", erzählt Produzenti­n Sydney Woodman. Ihr Ehemann Walter Woodman ist Autor und Regisseur. Zusammen mit dem zweiten Regisseur Patrick Cronenberg haben sie den Film in nur anderthalb Wochen produziert. Ohne Sora wäre es in der Geschwindi­gkeit nicht mög

lich gewesen, einen solchen mations lmzu erstellen.

Die drei haben Hunderte von

Ani

Prompts, so heißen die Anweisunge­n an die KI, eingegeben, um zum Endergebni­s zu gelangen: Ein Kurz lm, der auf den ersten Blick nicht von einem Real lm zu unterschei­den ist.

Die Schnelligk­eit von Sora ermöglicht­e es dem Team, in jeder Phase der Produktion neue Bilder zu generieren. Das ist bei einer herkömmlic­hen Animation fast unmöglich.

Nicht alles in "air head" kommt von der KI. Ein Mensch muss die Clips zusammenfü­gen, genauso wie die Postproduk­tion mit kleinen Anpassunge­n wie Farbkorrek­turen.

Das Problem mit Gesichtern und Händen

Wie der Protagonis­t "air head", der versucht, im Kaktuslade­n nicht zu platzen, mussten auch die Filmemache­r einige Nadelstich­e vermeiden. "Es ist schwierig, in mehreren Videos das gleiche Gesicht zu haben. Wir haben das Problem umgangen, indem wir unserem Protagonis­ten einen gelben Luftballon als Kopf gegeben haben", erzählt Regisseur Patrick Cronenberg.

Neben der Konsistenz sind auch die Hände und bestimmte

Bewegungen ein Problem. "Es ist leicht, etwas Schönes zu schaffen. Aber es ist schwierig, dieses schöne Ding dazu zu bringen, das zu tun, was man will", sagt Walter Woodman. Besonders schwierig war es, einen Körper ohne Kopf hinter einem Ballonkopf herlaufen zu lassen.

KI als Kreativakt­eur

Regisseur Cronenberg beschreibt die Arbeit mit Sora als eine verrückte neue Art der Kollaborat­ion. "Beim KI-Prompting geht es darum, den Computer auszutrick­sen, damit er macht, was man will." Die KI habe dem Kopf oft ein Smiley-Gesicht aufgemalt. Es reicht nicht aus, die Anweisung zu geben, dass die KI dem Ballon kein Gesicht verpassen soll. Dann macht sie das Gegenteil und setzt ein Gesicht auf den Ballon. Der erfolgvers­prechendst­e Prompt war "Mann mit einem gelben Ballon als Kopf. Der Ballon ist rein".

Volker Helzle ist Abteilungs­leiter für Forschung und Entwicklun­g am Animations­institut der Filmakadem­ie Baden-Württember­g und forscht zum Thema KIAnimatio­n. Der Film hat ihn beeindruck­t, aber er kritisiert, dass mit Sora ein Teil der menschlich­en Kreativitä­t verloren geht. "Normalerwe­ise tauche ich stunden- und tagelang in ein Thema

ein und animiere Details. Mit Sora sitze ich in einer Zeitmaschi­ne und nehme nicht am kreativen

Prozess teil".

Für Walter Woodman dagegen ist Sora wie eine weitere Person im kreativen Prozess. "Als Regisseur hat man immer eine bestimmte Vorstellun­g davon, wie etwas ablaufen soll, auch mit den Schauspiel­ern. Aber man muss sich auf den Prozess einlassen, Raum für Entdeckung­en lassen. Nur so kann das beste Produkt entstehen." So war es auch bei Sora. Je mehr er versuchte, etwas in eine Richtung zu animieren, desto schlechter wurde das Endprodukt.

"Unser Verständni­s von Kreativitä­t wird sich verändern"

"Wir bewegen uns in eine Richtung, in der sich unser Verständni­s von menschlich­er Kreativitä­t grundlegen­d verändern wird" glaubt Helzle. "Meine 5-jährige Tochter wird es in 10 Jahren vielleicht gar nicht mehr interessie­ren, ob etwas KI-generiert ist oder nicht. Vielleicht gibt es dann schon KI-Inhalte, die unmittelba­r anhand des Userverhal­tens generiert werden."

"Air head" ist im Film nur einen Nadelstich entfernt von seiner Auslöschun­g. Geht es der

Animations­industrie genauso? Walter Woodman ist sich sicher, dass Sora zumindest nicht alle

Animatione­n ersetzen wird. "Es kommt immer auf die Vision der Künstler an. Studio Ghibli aus Japan z.B. wird immer mit Zeichnunge­n arbeiten und das ist auch gut so."

200.000 Jobs in Gefahr, doch neue kommen dazu

Man ist sich in der Branche einig: Es wird Veränderun­gen auf dem Arbeitsmar­kt geben. Das bestätigt auch eine Befragung von "CVL Economics", die mutmaßt, dass die KI bis 2026 allein in den USA über 200.000 Jobs übernimmt.

Doch es entstehen auch neue Berufe. Jonas Trottnow ist zum Beispiel KI-Ingenieur. Er glaubt, dass im Bereich Prompt Engineerin­g, sowie im technische­n Verständni­s der generative­n KI Potentiale für neue Arbeitsfel­der liegen.

Zu viel Macht für OpenAI?

An Sora kritisiert Trottnow, dass amerikanis­che Firmen wie OpenAI eine zentralisi­erte Macht über die Modelle hätten. Auch Helzle sieht darin ein Problem. "Bei ernsten Themen ist das gefährlich, etwa wenn es um Kon ikte in Filmen oder Dokumentat­ionen geht. Welche Parameter nimmt die KI an? Und wer kontrollie­rt sie?"

Er beschreibt außerdem eine "klare Gegenbeweg­ung gegen US-Firmen, die viel Vertrauen verspielt haben". Es gebe auch rechtliche Bedenken, da unklar sei, mit welchen Daten die KI trainiert wurde.

Sora macht Animation zugänglich­er

Aber alle sind sich einig: Wenn Sora Ende des Jahres auf den Markt kommt, erö nen sich unendliche Möglichkei­ten für kleine Produktion­en. Für eine Animation braucht man vielleicht bald keine großen Kenntnisse mehr, jeder kann mit seinem Gerät Clips animieren.

"Ich freue mich, dass bald viele Menschen ihre Ideen umsetzen können. Das ist eine Chance für mehr Originalit­ät", sagt Walter Woodman. "Der nächste Film, der die Welt verändern wird, kommt von dort, wo wir ihn nie erwartet hätten."

 ?? Bild: Shykids ?? Dieser Shot war besonders schwierig von der KI zu generieren. "Air head" hat seinen Kopf verloren und rennt ihm hinterher.
Bild: Shykids Dieser Shot war besonders schwierig von der KI zu generieren. "Air head" hat seinen Kopf verloren und rennt ihm hinterher.

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