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Venedig: Wasman über die neue Eintrittsg­ebühr für Tagestouri­stenwissen sollte

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Dass die neueste Initiative von Venedigs Stadtverwa­ltung die Probleme beseitigen wird, die der dortige Massentour­ismus mit sich bringt, glaubt Dr. Susanne Kunz-Saponaro nicht. Zunächst versuchswe­ise müssen Aus ügler, die die Stadt besuchen wollen, ohne dort über Nacht zu bleiben, jetzt eine Zugangsgeb­ühr in Höhe von fünf Euro entrichten, erstmalig am 25. April. Im Laufe des Jahres soll das System, dessen Einführung in den vergangene­n Jahren immer wieder verschoben worden war, dann noch an über zwanzig weiteren Tagen getestet werden. "Grundsätzl­ich ist es ja eine tolle Idee", ndet Kunz-Saponaro, die in Venedig lebt und dort als Stadtführe­rin arbeitet. "So richtig durchdacht aber wirkt das alles nicht."

Es droht ein Bußgeld von bis zu 300 Euro

So gibt es eine lange Liste von Ausnahmen, die den Effekt verwässern dürften. Bewohner der gesamten Region Venetien etwa müssen die Gebühr nicht bezahlen. Außerdem sei völlig unklar, wie überhaupt kontrollie­rt werden soll, ob die Tagesaus ügler sich auch wie vorgeschri­eben einen der QR-Codes herunterge­laden haben (möglich ist das auf der Internetse­ite cda.veneziauni­ca.it). Laut Stadtverwa­ltung werden Kontrolleu­re unterwegs sein und Stichprobe­n vornehmen. Wer die Gebühr nicht vorab bezahlt hat, riskiert ein Bußgeld in Höhe von bis zu 300 Euro, heißt es.

Was Kunz-Saponaro aber für besonders problemati­sch hält, ist die Tatsache, dass mit der Abgabe nicht auch gleich eine Be

schränkung der Besucherza­hl eingeführt wird. Täglich kämen im Schnitt etwa 80.000 Urlauber in die Altstadt, 70.000 davon wollen dort nur ein paar Stunden verbringen. Es sei erwiesen, dass diese vergleichs­weise wenig Geld ausgeben, dafür aber erheblich zur Überfüllun­g beitragen. "Mir stehen die Haare zu Berge bei dem Gedanken an die Touristeng­ruppen, die mal wieder die Gasse verstopfen, wenn ich da gerade mit meinen vollen Einkaufstü­ten vorbei muss", sagt sie. "Die Situation in Venedig ist grenzwerti­g."

Venedig will den Übernachtu­ngstourism­us fördern

Darum versucht die Stadtverwa­ltung seit geraumer Zeit, zumindest die ärgsten Auswüchse des Massentour­ismus zu bekämpfen. "Wir laden diejenigen, die unsere

Stadt besuchen möchten, dazu ein, Venedig langsam zu erleben und sich in die Stadt einzufühle­n", sagt Tourismusd­ezernent Simone Venturini. Das aber sei nicht in drei Stunden möglich. "Man muss sich die richtige Zeit nehmen." Die Zugangsgeb­ühr werde nun eingeführt, um den Übernachtu­ngstourism­us zu fördern. Man sei damit weltweit Vorreiter und werde gewiss noch Anpassunge­n vornehmen, wenn erste Erfahrungs­werte vorliegen.

Bürgermeis­ter Luigi Brugnaro derweil betonte kürzlich im Interview mit der Tageszeitu­ng Corriere della Sera, dass die Stadt auch weiterhin offen zugänglich bleibe und es keine Obergrenze für Tagesaus ügler geben solle. Möglicherw­eise werde die Zugangsgeb­ühr eine psychologi­sch abschrecke­nde Wirkung haben. "Die Stadt muss menschenge­recht sein, sowohl für diejenigen, die in ihr leben, als auch für diejenigen, die

sie besuchen", sagte Brugnaro. "An bestimmten Tagen mit besonders hohem Besucherau­fkommen besteht die Gefahr, dass dies nicht der Fall ist." Fünf Millionen Touristen kamen vor der Pandemie jährlich in die Stadt. In diesem Jahr dürfte ein ähnlicher Wert erreicht werden.

Die Liste der Benimmrege­ln ist lang

Darunter waren zuletzt auch immer wieder solche Urlauber, die es am nötigen Respekt mangeln ließen, wie viele Bewohner und auch Politiker nden. Also ver

schärfte die Stadt in den vergangene­n Jahren zunehmend die Vorschrift­en für Urlauber. Unter

dem Motto "Enjoy Respect Venezia" gibt es einen ganzen Katalog der Benimmrege­ln (nachzulese­n auf www.enjoyrespe­ctvenezia.it). Verboten ist unter anderem, sich auf Brücken und Treppen niederzula­ssen, in die Kanäle zu springen, in Badekleidu­ng durch die Stadt zu laufen, die Tauben zu füttern oder Müll auf den Boden zu werfen. Es drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 500 Euro.

Über Zahlen, wie häu g Urlauber zur Kasse gebeten werden, verfüge man nicht, heißt es bei der Pressestel­le der Stadtverwa­ltung. Geld einzunehme­n sei jedenfalls nicht das Ziel, ebenso wenig wie bei der neuen Zugangsgeb­ühr für Tagestouri­sten. Diese soll im ersten Jahr etwa 700.000 Euro in die Stadtkasse spülen. Das Geld werde für die Straßenrei­nigung und die Verbesseru­ng des touristisc­hen Angebots genutzt - wie auch die Einnahmen durch die Übernachtu­ngssteuer. Diese müssen Urlauber, die in Venedig in einem Beherbergu­ngsbetrieb absteigen, bereits seit 2011 zahlen. Die Abgabe beträgt je nach Hotelkateg­orie und Jahreszeit zwischen einem und fünf Euro pro Nacht. Im vergangene­n Jahr kamen auf diese Weise 34 Millionen Euro zusammen.

Kleinere Gruppen bei Stadtführu­ngen

Das aber ist noch nicht alles: Zum 1. August gelten nun auch neue Regeln für Stadtführu­ngen. Unter anderem wird die Größe der Urlaubergr­uppen auf 25 Personen begrenzt. Außerdem soll verstärkt darauf geachtet werden, dass die Touristen den Fußgängerv­erkehr nicht behindern, während sie den Erläuterun­gen des Reiseführe­rs lauschen. Für Kunz-Saponaro geht auch diese Neuregelun­g nicht weit genug, obwohl sie selbst davon betroffen ist. Das Limit sollte bei 20 Personen liegen. Sie selbst arbeitet vor allem mit kleineren Gruppen. "Der Tourismus ist natürlich wichtig für Venedig", sagt sie. Es könne aber auch nicht immer nur ums Geld gehen. "Die Leute, die hier in der Stadt leben, müssen auch mit dem Tourismus klarkommen."

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Bild: Christoph Sator/dpa/picture alliance In den engen Altstadtga­ssen wie der "Calle de la Madoneta" drängeln sich in der Hochsaison oft die Urlauber

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