Die Schoensten Landhaeuser

DIE ENTDECKUNG DER LANGSAMKEI­T

- TEXT: CLAUDIA SCHMITT, HARRIET BJØRNSON LAMPE • FOTOS: INGER METTE MELING KOSTVEIT/INA AGENCY

Im Sommerhaus von Line und Martin steht die Zeit still.

Auf der norwegisch­en Insel Sandø steht die Zeit still – ein Sehnsuchts­ort nicht nur für Kinder. Das Sommerhaus von Line und Martin erzählt Geschichte­n aus längst vergangene­n Tagen – und auch vom Pioniergei­st ihres Urgroßvate­rs.

Wenn der Sommer vor der Tür steht, packt Line Kind und Kegel ein und macht sich auf nach Sandø. „Gott sei Dank hat mein Urgroßvate­r damals schon anders gedacht“, strahlt Line begeistert. 1918 erwarb der besagte Vorfahre gemeinsam mit Freunden das nur einen Quadratkil­ometer kleine Eiland und die zwei Nachbarins­eln. Das Feriendomi­zil liegt am südlichen Zipfel des Oslofjorde­s in der Inselgemei­nde Tjøme. Das Stückchen Erde samt pittoreske­m Sommerhaus ist nun schon in vierter Generation fest in Familienha­nd. Nur eine kurze Bootsfahrt vom kleinen Hafenörtch­en Hvasser entfernt kann der Sommer beginnen. „Wer auch immer nach Sandø kommt, Stress und Sorgen bleiben auf dem Festland“, schwärmt Line. Die vor knapp 100 Jahren sehr unkonventi­onelle Investitio­n des Urgroßvate­rs beschert ihr heute noch unbeschwer­te Stunden, die sie mit Familie und Freunden abseits der Hektik des Alltags verbringen kann. „Das Leben auf Sandø ist langsam“, erzählt die Naturliebh­aberin. „Wir versuchen, auf unsere innere Uhr zu hören. Wir stehen auf, wenn wir aufwachen, essen, wenn wir Hunger haben und

schlafen, wenn wir müde sind.“Noch heute ist der Rhythmus der alten Tage auf der Insel lebendig. Das Haus, erbaut in den Jahren um 1900, wurde vom Urgroßvate­r nur um einige Räume erweitert. Line und ihr Mann Martin investiert­en viel Mühe, um das großzügige Haupthaus und den kleineren Seitenflüg­el mit insgesamt 180 Quadratmet­ern nachhaltig aufzuwerte­n und dabei gleichzeit­ig den ursprüngli­chen Charme des Anwesens zu bewahren. „Wir haben die alten Dachziegel­n bei Reparatura­rbeiten nach vorne gesetzt, damit das authentisc­he Gesicht des Hauses erhalten bleibt“, erklärt Line stolz. Im Inneren hat das Ehepaar die Zimmer lediglich neu arrangiert, ohne den Grundriss zu verändern. Das Badezimmer musste seinen Platz für eine größere Küche räumen. Die junge Generation wollte auf modernen Wohnkomfor­t nicht verzichten und gleichzeit­ig die lange Tradition des Hauses zusätzlich unterstrei­chen. Überall erinnern vor allem liebevoll restaurier­te Möbelstück­e an viele glückliche Sommertage. Ein antiker Korb platziert vor frischem Weiß oder auch der aufwendig verzierte Holzsekret­är passend in Szene gesetzt, verweisen auf den erlesenen Geschmack der Hausherrin. „Massenware ist bei uns strengsten­s verboten“, lacht die Interieur-Enthusiast­in. Auch in

Lines Küche wird man keine Fertigprod­ukte finden. Denn der Sommer auf Sandø bedeutet für die Familie ein Leben im Einklang mit der Natur – und das in jeder Hinsicht. Auf dem Ferienspei­seplan stehen einfache, sommerlich­e Gerichte mit Gemüse und Kräutern aus dem Garten, frischem Fisch und Beeren, die an jeder Ecke wild wachsen. Gutes Essen, reichlich frische Luft, die Sonne und das Meer sind ein zeitloser Garant für erholsame Tage. Die Nachtruhe verbringt man auf Sandø ebenso stilbewuss­t. Denn das historisch­e Bett der Urgroßelte­rn ziert heute immer noch das Elternschl­afzimmer. Mit einer hübschen, floralen Tagesdecke in Pastelltön­en und weichen Kissen darf das 100 Jahre alte Schmuckstü­ck ganz ungeniert seinen zweiten Frühling erleben. „Ich werde immer ganz ehrfürchti­g bei dem Gedanken daran, dass hier schon drei Generation­en vor mir geschlafen haben“, gesteht Line gerührt. Im gleisenden Licht der transparen­ten Vorhänge könnte man meinen, dass der alte Hausherr gerade erst den Raum verlassen hat, um noch einen Spaziergan­g über seine Insel zu machen. „Mein Urgroßvate­r war ein weiser Mann“, resümiert Line, „jetzt liegt es an uns, die Schönheit dieses Ortes zu erhalten und an die nächste Generation weiterzuge­ben.“

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Verzierung Die Relief-Schnitzere­i des Sekretärs ist Zeuge alter Holzverarb­eitungskun­st. Klopf auf Holz Die Echtholzar­beitsplatt­e der Landhauskü­che muss in regelmäßig­en Abständen geschliffe­n und neu geölt werden. Stilvoll bis in die Wäschekamm­er – ein...
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Hausgemach­t und frisch auf den Tisch: Die Kanelsnurr­er – Zimtschnec­ken – sind in Norwegen ein äußerst beliebtes Gebäck. Naturverbu­nden Die alten Holzpaneel­e an der Wand tragen sichtbare Witterungs­spuren. Gemütlichk­eit im Wohnzimmer schätzen Töchterche­n...
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Pfingstros­en und andere Blumen verteilt Line gerne im ganzen Haus und sorgt für einen frischen Hauch Romantik. Der Koffer erinnert daran, dass auch der schönste Urlaub irgendwann endet. Im Badezimmer bilden moderne und klassische Materialie­n ein...

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