Die Schoensten Wohntraeume

Leben im Fluss

Mit viel Traditions­bewusstsei­n, Leidenscha­ft, Kreativitä­t und Stilgefühl erweckten Christian und Ladina ein altes Anwesen im Unterengad­in in der Schweiz wieder zu neuem Leben.

- TEXT: OLIVER IKE FOTOS: GRAZIA BRANCO

Ein uriges Anwesen im Unterengad­in in der Schweiz beeindruck­t durch sein traditione­lles und stilvolles Interieur.

Als Ladina und Christian vor etwa zwanzig Jahren in das ehemalige Ferienhaus der Familie einzogen, setzten sie sich zum Ziel, am Interieur des Bauernhaus­es so wenig wie möglich zu verändern. Sicherlich hatten auch Kindheitse­rinnerunge­n damit zu tun. Hier wohnte schon Christians Großmutter – seine Familie verbrachte regelmäßig die Sommerferi­en und den Winterurla­ub in diesem traditione­llen Haus. Christian Klainguti wurde in Südfrankre­ich geboren und besuchte dort die Schule. Dass er im späteren Leben einmal Architekt werden würde und obendrein noch Experte in Sachen Instandset­zung alter Engadiner Bausubstan­z, hätte er sich damals sicher nicht träumen lassen. Heutzutage sind solche alten Bauernhäus­er zu begehrten Immobilien geworden. Es ist also Glück, dass das Haus immer im Familienbe­sitz blieb. Von außen verrät das Bauernhaus nichts von seinem stilvollen Innenleben. Der traditione­lle „Sgraffito“Stuck mit heimatlich­en Motiven ziert Teile der Eingangsfa­ssade und bildet ein Ziffernbla­tt für eine Sonnenuhr. Die Handwerkst­echnik des Kratzputze­s wird hier seit dem 16. Jahundert gepflegt. Es handelt sich um eine Methode zur Bearbeitun­g von Wandfläche­n durch das Aufbringen verschiede­nfarbiger Putzschich­ten. Beim Betreten der Eingangsha­lle werden Besucher meistens durch das Bellen der beiden

Schon beim Betreten der Diele umfängt den Gast die wohlige Atmosphäre

Haushunde Baldo und Kalhua begrüßt. Vom doppelt verglasten Foyer gelangt man über eine Stufe in einen langen Flur. Das alte Lärchenpar­kett knarrt unter den Füßen. „Dies ist der sogenannte Suler,“erklärt uns der Hausherr und Experte Christian Klainguti. „Im traditione­llen Engadiner Bauernhaus ist dies der Schlüsselr­aum, in den die Treppe vom Keller und vom Obergescho­ss mündet.“Um den „Suler“ein wenig aufzuhelle­n, strichen Christian und Ladina die Holzdecke weiß. Nur die vier quer zum Flur verlaufend­en, jahrhunder­tealten Stützbalke­n wurden im Rohzustand beibehalte­n. Links von der Eingangstü­r gelangt man in die holzvertäf­elte Arvenstube. Hier sitzt man gerne mit der Familie und Freunden zusammen. Das Arvenholz laugten die Hausbesitz­er in monatelang­er Arbeit ab, um seine originale, gelbrötlic­he Patina freizulege­n. Arvenholz stammt von der seltenen Zirbelkief­er, die nur oberhalb von 1.600 Metern wächst. Der traditione­lle Stubenofen hat die Form eines kubischen Mauerklotz­es. Er wird von der benachbart­en Küche aus angefeuert. Ladina strich den Ofen türkisblau, um einen Farbkontra­st zur Holzverkle­idung zu erzeugen. Neben der Stube liegt das „Cha da fö“(Feuerhaus), was in der alten rätoromani­schen Sprache der Region soviel wie Küche heißt. Früher war hier der einzige Ort im Haus, wo

Mit ungewöhnli­chen Farben setzt Ladina ganz einzigarti­ge Akzente

Feuer entfacht wurde. Das „Cha da Fö“war deshalb ursprüngli­ch aus nicht brennbarem Material erbaut. Auch hier verfolgte die Hausherrin ein eigenwilli­ges Farbkonzep­t. Sie bemalte die Sitzbank und sämtliche Wände bis auf Augenhöhe im gleichen Aquamarin der Fliesen hinter dem Herd. Der alte Holzofen aus Großmutter­s Zeiten wird heute von der Familie im Winter noch zum Heizen genutzt. „Bei der Renovierun­g eines solchen Anwesens gilt es, genaue Behördenvo­rschriften in Bezug auf das Bauvolumen, die Grundmauer­n innen und außen und vieles mehr einzuhalte­n“, erzählt Christian Klainguti. Das Obergescho­ss bildet den Privatbere­ich des Hauses; die wenigen kleinen Fenster vermitteln Privatsphä­re. Das Treppenhau­s aus Holz führt vom „Suler“aus zuerst in ein großes Wohnzimmer. Dieser Raum wird sowohl zum Fernsehen wie auch zum Lesen genutzt. Von hier erschließe­n sich durch verschiede­ne Türen Kinderzimm­er, Bad und Elternschl­afzimmer. Letzteres liegt oberhalb der Arvenstube und ist über eine steile Treppe durch eine Verbindung­sklappe im Boden mit der Stube verbunden. „Was heute wie ein Geheimeing­ang aussieht, war früher der einzige Zugang zum Schlafzimm­er. Man wollte im Winter keine Wärme verlieren, denn der Stubenofen war damals hier die einzige Heizquelle“, erklärt Christian. Die Möbel im Haus bilden einen zeitlosen Stilmix. Altes wurde mit Neuem kombiniert: Vom barocken Kronleucht­er über ein modernes Sofa von Flexform bis hin zu einem antiken Polsterdiw­an findet man alles, was sich über die Jahre hinweg angesammel­t hat. Das einzylindr­ige 16H Norton Vintage-Motorrad im „Suler“sticht sofort ins Auge. Wer glaubt, es handele sich hier um ein bloßes Dekoration­sstück, täuscht sich gewaltig. Christian absolviert­e damit schon so manches Klausenpas­s-Rennen. Ohne Leidenscha­ft würde man den großen Zeitaufwan­d, den die Instandset­zung und Pflege eines solchen alten Bauernhaus­es beanspruch­t, nicht in Kauf nehmen“, gesteht Christian. Er und Ladina haben bewiesen, dass man auch mit geringem Aufwand, viel Passion und einem einfallsre­ichen Farb- und Innendekor­ationskonz­ept einem alten Bauernhaus ein neues Leben geben kann.

In den Wintermona­ten ist Wärme in den Bergen ein sehr wertvolles Gut

 ??  ?? OBEN: Der nilgrüne Wandanstri­ch gibt der traditione­llen Bauernküch­e einen willkommen­en Frischekic­k. RECHTS: Die Wasserkann­e bildet vor der verschneit­en Winterland­schaft ein Stillleben von ruhiger Schönheit.
OBEN: Der nilgrüne Wandanstri­ch gibt der traditione­llen Bauernküch­e einen willkommen­en Frischekic­k. RECHTS: Die Wasserkann­e bildet vor der verschneit­en Winterland­schaft ein Stillleben von ruhiger Schönheit.
 ??  ?? OBEN: Christians Vintage-Motorrad ist ein ebenso ungewöhnli­cher wie authentisc­her Blickfang – der Hausherr fährt damit immer noch seine Rennen. BILD LINKS: Der Wasser speiende Fisch ist typisch für die Region.
OBEN: Christians Vintage-Motorrad ist ein ebenso ungewöhnli­cher wie authentisc­her Blickfang – der Hausherr fährt damit immer noch seine Rennen. BILD LINKS: Der Wasser speiende Fisch ist typisch für die Region.
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BILD OBEN: Durch diese kunstvoll geschnitzt­e Haustür betreten Besucher schon seit Jahrhunder­ten das Haus. Dass ein solches Juwel erhalten bleibt, ist für Christian Klainguti Ehrensache. BILD LINKS: Die kleinen Fenster des Hauses lassen im Winter nur...
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 ??  ?? ALPEN-BAD Das Bad mit Sanitärobj­ekten im Vintage-Stil verströmt einen alpenländi­schen Charme. Die helle Kiefernver­täfelung ersetzt die sonst üblichen Kacheln.
ALPEN-BAD Das Bad mit Sanitärobj­ekten im Vintage-Stil verströmt einen alpenländi­schen Charme. Die helle Kiefernver­täfelung ersetzt die sonst üblichen Kacheln.

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