UKW-Abschaltung in Südtirol
Seit 1975 sorgt die Rundfunkanstalt Südtirol RAS für die Ausstrahlung deutschsprachiger und ladinischer TV- und Radioprogramme in Südtirol. Dabei hatte sie sich stets als fortschrittlich und innovativ erwiesen.
Rundfunkgeschichte: RAS beginnt Rückzug aus der analogen Radiowelt
Am 5. Dezember 2017 schrieb die RAS im deutschen Sprachraum Rundfunkgeschichte, indem sie mit der Abschaltung der ersten UKW-Sendeanlagen den Rückzug aus der analogen Radiowelt eingeleitet hat.
Ausgangssituation
Die RAS betreibt ein dichtes UKW-Sendernetz mit 72 Standorten. Über sie werden landesweit die drei öffentlich-rechtlichen österreichischen Programme Ö1, ORF Radio Tirol und Ö3 mit einem Versorgungsgrad von 99,8 Prozent ausgestrahlt. Zusätzlich wird in der ladinischen Region Südtirols Radio Rumantsch aus der Schweiz übertragen. Der Betrieb dieser Anlagen ist äußerst kostenintensiv.
Warum UKW-Abschalung?
Die Zukunft des Radios ist digital. Das weiß man nicht nur bei der Rundfunkanstalt, sondern auch bei der südtiroler Landesregierung. Diese hat am 14. November den Plan zur Abschaltung von UKW-Sendeanlagen aber auch deshalb genehmigt, weil die RAS per DAB Plus bereits 99,5 Prozent der Bevölkerung in hervorragender Qualität erreicht.
Wozu derzeit an 42 Standorten DAB Plus ausgestrahlt wird. Weiter hat die RAS bereits an die 40 Straßentunnels in Südtirol mit einer Länge ab 500m mit Digitalradio-Tunnelfunk ausgestattet.
Begonnen hat die RAS mit der Ausstrahlung von Digitalradio übrigens schon 1997. Heute betreibt sie zwei Multiplexe mit 22 Programmen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und der italienischen RAI.
Zudem sind im Großteil Südtirols drei weitere Multiplexe mit deutsch- und italienischsprachigen Privatsendern zu hören. Im Großraum Bozen ist zusätzlich jener der RAI verfügbar. Womit per DAB Plus bis zu 76 ortsübliche Programme zu hören sind. Im Süden Südtirols kann zudem auch Digitalradio aus dem benachbarten Trentino gehört werden. Was die digitale Programmvielfalt auf bis zu etwa 100 Kanäle anwachsen lässt.
Damit ist die Vielfalt ungleich attraktiver als auf UKW. Weshalb in vielen Südtiroler Haushalten auch schon mindestens ein DAB-Plus-Radio vorhanden ist. UKW hat mittel- bis langfristig ausgedient. Um das UKW-Netz mit seinen 226 Sendeanlagen weiter im vollen Umfang betreiben zu können, wären die zum Teil schon in die Jahre gekommenen Sendegeräte zu ersetzen. Was einen jährlichen Kostenaufwand von rund 200000 Euro bedeuten würde. Durch die Abschaltung wird eine weitere Kosteneinsparung durch den reduzierten Stromverbrauch und den geringeren Wartungsaufwand erreicht. Die Verbreitung
eines digitalen Radioprogramms kostet in Südtirol nur fünf Prozent im Vergleich zur UKW-Ausstrahlung.
5. Dezember 2017
Am 5. Dezember erfolgte die erste Etappe der UKW-Abschaltung seitens der RAS. Da es sich bei den sechs Standorten Antholz Mittertal, Karthaus Schnals, Rauth Eggen, St. Gertraud Ulten, Wengen La Val und Wiesen/Pfitsch um kleine Füllsender handelt, schwärmten die RAS-Techniker an diesem Morgen zu den Standorten aus und nahmen UKW vor Ort außer Betrieb. Eine besondere Herausforderung wartete dabei am Standort Wengen. Wegen seiner beengten Platzverhältnisse demontierten sie die vier UKW Sender (Ö1, Radio Tirol, Ö3, Radio Rumantsch) unmittelbar nach ihrer Stilllegung und bauten an ihrer Stelle neue Sender für die beiden Digitalradio-Multiplexe der RAS ein. An den meisten anderen Standorten wird bereits seit geraumer Zeit DAB Plus ausgestrahlt.
Abschaltung in mehreren Etappen
Bei dem vorerst in zwei Etappen vorgesehenen Abschaltplan von UKW-Sendeanlagen wird kunden- und nutzerfreundlich vorgegangen. Zum Einen ist dank der bereits sehr guten Digitalradio-Infrastruktur in den betroffenen Regionen digitaler Indoor-Empfang garantiert. Weiter sind die vor Ort abgeschalteten UKW-Programme über weiter entfernte Sendeanlagen weiter in verminderter Qualität hörbar. Hörer, die auf UKW nicht verzichten wollen, brauchen an ihrem Radio nur eine Frequenz zu suchen, auf der sie ihren Lieblingssender weiter brauchbar bekommen.
Weitere UKW-Abschaltungen
Für den November 2018 ist die UKW-Abschaltung an sieben weiteren Standorten, nämlich Aberstück Sarntal, Graun Reschen, Kurzras Schnals, Prags, Ratschings, Ritten Afing und Welschnofen vorgesehen.
Wie die Führungsspitze der RAS im Zuge einer hoch über dem Bozener Talkessel am Senderstandort Kardaun bei Signat abgehaltenen Pressekonferenz betonte, wird die UKW-Stilllegung auch darüber hinaus fortgeführt werden. Für 2019 geht man davon aus, erstmals auch größere Standorte abzuschalten. Grundsätzlich orientiert sich die RAS am UKW-Abschaltszenario in der Schweiz. Wobei man damit liebäugelt, schneller als die Nachbarn zu sein. Zuletzt sei das endgültige Aus von UKW aber zumindest auf Staatsebene festzulegen. Womit die RAS-Führung auch keinen konkreten Zeitpunkt für das UKW-Ende nennen konnte.
DAB Plus im Vormarsch
Dass Italien in Sachen DAB Plus ganz vorne mitspielen könnte, ist übrigens keine unrealistische Sicht der Dinge. Schließlich dürfen in Italien ab 2020 nur mehr Radiogeräte mit digitalem Empfangsteil verkauft werden. Was der noch schnelleren Verbreitung von DAB-Plus-Radios dienlich sein wird. Zudem wird Digitalradio derzeit auch in Italien außerhalb Südtirols massiv ausgebaut. Vor allem vom Sendernetzbetreiber DAB Italia, auf dessen Multiplex landesweite Privatsender wie Radio Deejay, R101, RDS und M2O vertreten sind. Auch die staatliche RAI kündigte kürzlich (wieder einmal) einen signifikanten Ausbau seines Sendernetzes an. Weiter gehen vermehrt auch lokale und regionale Multiplexe an den Start. Auch die RAS wird DAB Plus in Südtirol weiter ausbauen. Derzeit sind noch an die sechs Standorte geplant. Mit ihnen sollte Digitalradio selbst im hintersten Winkel des Landes verfügbar sein. Damit es auch mobil mit Digitalradio klappt, speist die RAS ihre beiden Multiplexe auch in an die 40 Tunnels in Südtirol ein.
Zeichen setzen
Bei der RAS weiß man, dass die Abschaltung der ersten UKW-Standorte noch kei-
ne großen Auswirkungen auf die analoge Rundfunkversorgung in Südtirol hat. Man will diese ersten Abschaltungen vor allem als Weckruf verstanden wissen und die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, dass UKW-Radio nicht mehr ewig läuft. Der RAS-Direktor Georg Plattner wies darauf hin, dass man besonders beim Kauf eines neuen Autos auf ein integriertes DAB Plus-Radio achten soll. Am Rande wurde auch erwähnt, wie teuer der Simultanbetrieb von UKW und Digitalradio ist. Würden alle italienischen Radiostationen auf ihre UKW-Ausstrahlung verzichten, würden sie sich so viel Geld sparen, dass sie binnen fünf Jahren jedem Italiener ein DAB Plus-Radio schenken könnten. Zugegeben, vor allem der Technische Direktor der RAS, Johann Silbernagl, rechnete am Tage der UKW-Abschaltung mit etlichen negativen Reaktionen seitens der betroffenen Bevölkerung. Die befürchteten Beschwerden blieben gänzlich aus! Stattdessen wurden in etlichen Anrufen die Begeisterung über DAB Plus registriert. Für uns ein Zeichen dafür, welch ausgezeichnete Arbeit die Techniker der Rundfunkanstalt Südtirol leisten.
Vorbild
Die Rundfunkanstalt Südtirol kann mit ihrer, vorerst noch im Kleinen vollzogenen UKW-Abschaltung, als Vorbild für andere Programmveranstalter gelten. Angesichts der immer besser werdenden Digitalradio-Sendernetze stellt sich auch in anderen Ländern die Frage, ob es noch so dichte und teure UKW-Infrastrukturen braucht, wie heute.
Füllsender könnten auch da schon abgeschaltet werden. Selbst in Österreich wäre manche UKW-Frequenz verzichtbar. Die so frei werdenden Gelder ließen sich für Digitalradio nutzen. Dies würde allerdings nur funktionieren, wenn zurückgegebene UKW-Frequenzen nicht mehr neu ausgeschrieben werden würden.