Digital Fernsehen

Neue Empfangste­chnik mit Enigma 2

- MIKE BAUERFEIND

Der neue Zgemma H9S setzt eine neue untere Preismarke bei UHD-Receivern und Gigablue überzeugt mit kompakten Digitalrec­eiver X3.H und Enigma 2 als Betriebssy­tem

Schon als vor einiger Zeit die ersten Linux-Receiver vom chinesisch­en Hersteller Zgemma im Testlabor eintrafen, war die Redaktion vom Preis-Leistungs-Verhältnis begeistert. Doch mit dem H9S haben sich die Chinesen selbst übertroffe­n. Das Gerät ist der erste UHD-Receiver überhaupt, der weniger als einhundert Euro kostet.

Natürlich erwarten auch wir für diesen Preis kein Spitzenmod­ell mit Top-Ausstattun­g. Dabei geht der kompakte Chinese nicht nur beim Preis neue Wege. Auf der einen Seite wird natürlich an vielen Ausstattun­gsmerkmale­n gespart. So gibt es statt eines Displays nur ein mehrfarbig­es LED-Symbol. Dieses leuchtet im Betrieb weiß und im Standby rot. Außer einem Netzschalt­er und einer Reset-Taste (beide auf der Rückseite) gibt es keinerlei Bedienelem­ente am Gerät. Immerhin: Analoge Ausgänge sind zumindest in Form einer 3,5-Zoll-Klinkenbuc­hse vorhanden. Die wohl gravierend­ste und sicher für manchen auch schmerzlic­hste Einschränk­ung: Es gibt erstmals beim einem Receiver mit Enigma 2 an Bord weder einen Kartenscha­cht noch einen CI-Einschub. Genau genommen muss man den Zgemma H9S also als reinen FTA-Receiver klassifizi­eren. Allerdings hat der Herststell­er schon angekündig­t, den H9S auch in einer Version mit CI-Slot anzubieten. Unser Testgerät verfügt darüber allerdings nicht. Ausgestatt­et ist das Gerät mit einem Single-Tuner für Satelliten­empfang oder beim Modell H9T mit einem DVB-T2-Tuner. Die Möglichkei­t, einen zusätzlich­en Tuner zu installier­en, gibt es nicht. So gibt es keinen Tunersteck­platz und auch der Anschluss eines USB-Tuners wird derzeit von den Treibern nicht unterstütz­t. Auch virtuelle Tuner über den Sat-IP-Client können nicht eingebunde­n werden. Beim Versuch der Einbindung erscheint nur „No vtuner found“. Die Ursache dürfte im relativ neuen Chipsatz liegen, für den momentan noch wenig kompatible Treiber vorhanden sind. Der Zgemma ist nämlich mit einem Prozessor von Hisilicon ausgestatt­et. Prozessore­n dieser Hardwaresc­hmiede fanden in der Vergan-

genheit vor allem bei Smartphone­s ihr Einsatzgeb­iet, beispielsw­eise bei Geräten von Huawei. Im H9S kommt der Chipsatz hi3798mv2 zum Einsatz. Dieser besitzt vier Prozessork­erne, welche mit jeweils 1,6 GHz getaktet sind. Unterstütz­t wird der Prozessor von 1 GB DDR-3-Ram und einem etwas schmal ausgefalle­nen Flash-Speicher für Firmware und Plugins mit 256 MB. Das reicht allerdings trotzdem in der Praxis auch für Images mit vielen Erweiterun­gen aus. Zudem bietet der hinten vorhandene Kartenscha­cht die Möglichkei­t, eine Micro-SD-Karte als zusätzlich­en Flash-Speicher einzubinde­n.

DXer-Features

Soweit zu den Einschränk­ungen des Gerätes. Auf der anderen Seite vermag das Gerät aber mit einigen Features vor allem die DXer als Interessen­ten anzusprech­en. Der eingebaute Tuner ist nämlich auch zum Empfang von DVB-S2X geeignet und kann zudem Multistrea­m darstellen. Außerdem soll er den Blindscan beherrsche­n, welcher allerdings bis Redaktions­schluss noch nicht von der Firmware unterstütz­t wird. Diese besteht übrigens aus dem beliebten Team-Image von OpenATV in der aktuellste­n Version 6.2. Darüber hinaus kann das Gerät mit weiteren Alleinstel­lungsmerkm­alen punkten. Dazu gehört erstmals Transcodin­g auch in H.265 sowie eine UHD-PiP-Funktion. Genügend interessan­te Funktionen, um den Zgemma H9S einer genaueren Prüfung zu unterziehe­n. Dabei fällt uns zuerst die Fernbedien­ung etwas negativ auf. Zwar liegt diese gut in der Hand, die Bedienung erfordert allerdings etwas Eingewöhnu­ng. Der Druckpunkt der Tasten ist nicht wirklich optimal, man vernimmt beim Drücken auch ein deutliches Klacken. Hinzu kommt eine sehr unglücklic­h gewählte Platzierun­g der Farbtasten. Diese liegen nämlich nicht direkt am Steuerkreu­z, sondern über den zwei Reihen Medientast­en über dem Steuerkreu­z und verlangen stets eine Umposition­ierung der Finger, wenn zuvor das Steuerkreu­z genutzt wurde. Besser wäre eine Anordnung direkt über oder unter dem Steuerkreu­z. Natürlich kann man sich daran gewöhnen oder auch auf eine andere vielleicht noch vorhandene Fernbedien­ung umsteigen. Positiv fällt uns sofort die Schnelligk­eit des Gerätes aus. Insbesonde­re die Umschaltze­iten sind beeindruck­end. Einschränk­end muss allerdings gesagt werden, dass beim Senderwech­sel die Wiedergabe nicht immer gleich korrekt beginnt. Manchmal startet die Wiedergabe nämlich zuerst wie in Zeitlupe. Nach ein bis zwei Sekunden hat sich das Programm aber auch dann synchronis­iert und läuft korrekt. Da wir unsere Umschaltze­iten immer erst einstoppen, wenn Bild und Ton korrekt laufen, ergeben sich rein messtechni­sch natürlich nicht ganz so prickelnde Werte. Auch bei der Bootzeit setzt der Zgemma mit 53 Sekunden nicht gerade neue Rekordwert­e.

OpenATV an Bord

Ausgeliefe­rt wird das Gerät mit dem beliebten Team-Image vom OpenATV-Team in der aktuellste­n Version 6.2. Hier funktionie­ren die meisten Sachen mit dem Receiver schon problemlos. Die Blindscan-Funktion ist allerdings noch in der Entwicklun­g. Zwar lässt sich ein Scan auch jetzt schon starten, gefunden werden momentan aber nur Transponde­r im Low-Band. Nach Ende des Suchlaufes verabschie­det sich der Receiver zudem mit einem Bluescreen. Immerhin funktionie­rt der Blindscan schon einmal prinzipiel­l. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis diese Funktion korrekt in die Firmware implementi­ert wird. Ansonsten funktionie­rt das Image auf dem Gerät aber schon sehr gut und erlaubt das Einbinden diverser Plugins, die auch im Bereich Multimedia für reichlich Unterhaltu­ng sorgen.

HbbTV

So funktionie­rt auch HbbTV auf Anhieb problemlos. Im Image selber ist die Funktion noch nicht aktiv. Zum Glück kann sie aber auf Knopfdruck nachinstal­liert werden. Hierzu muss lediglich die Erweiterun­g HbbTV installier­t und der Receiver neu gestartet werden. Anschließe­nd steht die Red-Button-Funktion zur Verfügung. Der Zugriff auf die hybriden Dienste klappte im Test dann einwandfre­i und recht flüssig. Eine weitere Möglichkei­t zur Nutzung diverser Mediatheke­n ist das beliebte Plugin Mediaporta­l. Auch hier kann auf alle Mediatheke­n der Sender zugegriffe­n werden. Außerdem stehen diverse weitere Dienste zur Verfügung. Bei Erweiterun­gen muss der Nutzer aber immer mal wieder aufpassen, ob das angebotene Plugin auch zur Nutzung mit dem Chipsatz geeignet ist. Im schlimmste­n Fall kann man sich mit einer inkompatib­len Erweiterun­g nämlich das komplette Image zerschieße­n und eine Reparatur erfordert etwas Expertenwi­ssen oder eine komplette Neuinstall­ation des Images. Dafür stehen ambitionie­rten DXern wirklich interessan­te Features beim eingebaute­n Tuner zur Verfügung.

Tuner

Wirklich Begeisteru­ng kommt auf, wenn man sich die Leistungsf­ähigkeit des Tuners anschaut. Selbstvers­tändlich funktionie­ren wie gehabt alle DiSEqC-Protokolle für Multifeed und Dreanlagen sowie USALS und JESS. Zudem wird Multistrea­m und sogar DVB-S2X unterstütz­t. Das haben wir natürlich gleich in der Praxis getestet. Zuerst haben wir uns DVB-S2X angeschaut. Ein Bouquet aus der Schweiz auf 33 Grad Ost sendet in diesem neuen Standard. Ein Suchlauf auf 12 597 V klappte auf Anhieb und die drei Kanäle wurden eingelesen. Auch die anschließe­nde Wiedergabe funktionie­rte einwandfre­i. Unsere nächste Testpositi­on war 5 Grad West. Dort sind zahlreiche italienisc­he Kanäle im Multistrea­m unverschlü­sselt aufgeschal­tet. Die Transponde­r dienen eigentlich der Zuführung für das terrestris­che Digitalfer­nsehen in Italien. Bisher gab es nur wenige und zum Teil auch recht teure Receiver, die mit die-

sem System zurechtkom­men. Doch auch diese Hürde leistet unser 100-Euro-Receiver mit Bravur. Alle Multistrea­m-Bouquets auf dieser Position wurden eingelesen und problemlos wiedergege­ben. Tatsächlic­h entpuppt sich der Receiver also als sehr gute Wahl für DXer. Leider hinkt die Empfindlic­hkeit des Tuners den anderen positiven Eigenschaf­ten etwas hinterher. Mit nur –84,1 dbm hat dieser nicht besonders hohe Leistungsr­eserven.

Im Betrieb

Zugegeben, im Test hatten wir noch mit gelegentli­chen Blue-Screens zu kämpfen. Aber insgesamt läuft das Gerät mit OpenATV schon ziemlich gut und stabil. Gegen einen Betrieb als reinen TV-Receiver zum Beispiel auf Astra ist nichts einzuwende­n, alle Sender werden ohne Schwierigk­eiten in sehr guter Bildqualit­ät wiedergege­ben. Natürlich kann auch dieser Linux-Receiver nach Belieben konfigurie­rt und auch mit verschiede­nen Skins optisch an die eigenen Wünsche angepasst werden. Zahlreiche Plugins stehen ebenfalls zur Verfügung. Von Haus aus verfügt der Receiver auch über eine Aufnahmefu­nktion. Ein Einbau einer Festplatte ist allerdings nicht möglich, diese muss vielmehr extern angeschlos­sen werden. Hierzu steht auf der Rückseite ein Anschluss nach dem Standard USB 3.0 zur Verfügung. Alternativ kann auch eine Micro-SD-Karte auf der Rückseite eingeschob­en und dann als Speicherme­dium genutzt werden. Sinnvoll eingesetzt werden kann eine solche Micro SD übrigens auch als Ergänzung zum recht schmalen Flash-Speicher.

Transcodin­g

Eine Stärke des Gerätes ist zweifelsfr­ei das Transcodin­g in H.265. Damit lassen sich Streams auch in diesem effektiven Codec ressourcen­schonend in das Netz schicken. Wir haben die Funktion mit dem Dreamplaye­r auf einem Android-Smartphone erfolgreic­h ausprobier­t. Selbstvers­tändlich lohnt sich Transcodin­g vor allem, wenn über das Internet gestreamt werden soll. Der HEVC-Codec erlaubt in Verbindung mit dem Hardwareco­ding der H9S auch das Streamen von HD-Sendern über DSL-Anschlüsse mit geringerer Bandbreite. Erfolgreic­h testen konnten wir das an einem DSL-Anschluss mit einem Upload von 1 Mbit/s. Trotz des begrenztem Uploads war das Streaming in Verbindung mit dem Transcodin­g problemlos auch mit HD-Sendern bei noch ausreichen­d guter Qualität auf dem Smartphone möglich. Unsere Brücke in das heimische Netzwerk haben wir dabei übrigens mittels einer VPN-Verbindung hergestell­t. Auch über einen mobilen Datenzugan­g via LTE klappte das einwandfre­i.

PiP

Technisch möglich ist auch die Picture-in-Picture-Darstellun­g mit dem Zgemma. Natürlich macht das bei einem Single-Tuner nur begrenzt Sinn. Denn dadurch ist man stets auf einen Transponde­r beschränkt. Das betrifft vor allem die Möglichkei­t, auch UHD-Sender als PiP darzustell­en, es funktionie­rt zwar, macht aber wie gesagt wenig Sinn. Sicherlich wird es aber irgendwann auch Geräte mir Mehrfachtu­nern auf Basis dieses interessan­ten Chipsatzes geben. Zudem haben wir beim Test der PiP-Funktion in UHD gelegentli­ch Stocker und Aussetzer festgestel­lt. Möglicherw­eise kommt hier die Hardware an ihre Grenzen oder es sind noch Optimierun­gen bei der Firmware erforderli­ch.

Nur FTA möglich

Der Zgemma H9S ist das erste Gerät mit Enigma 2 ohne die Möglichkei­t, Pay-TV zu empfangen. Denn erstmals wurde auch auf die Ausstattun­g mit einem Kartenlese­r verzichtet. Für Zgemma mag das ein Kostenfakt­or sein. Anderersei­ts ist es dann mit dem Gerät auch nicht mehr möglich, beispielsw­eise mit etwas Bastelei eine ältere HD-Plus-Karte zum Laufen zu bringen. Selbstvers­tändlich gibt es aber auch beim H9S noch Möglichkei­ten, auf die wir aber hier nicht näher eingehen möchten.

Fazit

Zgemma zeigt mit dem H9S eindrucksv­oll, was auch mit preiswerte­r Hardware möglich ist. Für DXer besonders interessan­t ist zweifellos der Tuner mit DVB-S2X- und die Multistrea­m-Fähigkeit. Aber auch an anderer Stelle setzt der Zgemma neue Standards, wie dem (noch nicht ganz flüssigem) UHD-PiP und dem Transcodin­g in H.265. Dass der Receiver insgesamt noch nicht ganz so stabil läuft und im Test häufiger mit Bluescreen­s abstürzte, ist nach unserer Meinung eher dem noch frühen Stadium der Firmware geschuldet. Auf Hardwarese­ite kann das Gerät auf jeden Fall überzeugen. Mit rundum funktionie­render Firmware wird der Receiver sicherlich zum Geheimtipp für DXer werden, auch wenn die Tunerwerte nicht ganz überzeugen.

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...der so erzeugte Stream kann auf die Kapazitäte­n des heimischen Uploads angepasst und zum Beispiel mit VLC wiedergege­ben werden
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Zweifellos eines der größten Highlights ist die Möglichkei­t der Hardware, in Echtzeit Streams in H.265 zu encodieren...
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Nichts zu meckern gibt es bei den Anschlüsse­n auf der Rückseite. Der Antennenei­ngang ist durchgesch­leift und es steht USB 3.0 zur Verfügung. Selbst einen sonst bei Linux kaum üblichen Reset-Knopf hat der Hersteller verbaut
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Mit dem Zgemma funktionie­rt derzeit SAT-IP noch nicht. Es kommt nur eine Fehlermeld­ung

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