Neue Empfangstechnik mit Enigma 2
Der neue Zgemma H9S setzt eine neue untere Preismarke bei UHD-Receivern und Gigablue überzeugt mit kompakten Digitalreceiver X3.H und Enigma 2 als Betriebssytem
Schon als vor einiger Zeit die ersten Linux-Receiver vom chinesischen Hersteller Zgemma im Testlabor eintrafen, war die Redaktion vom Preis-Leistungs-Verhältnis begeistert. Doch mit dem H9S haben sich die Chinesen selbst übertroffen. Das Gerät ist der erste UHD-Receiver überhaupt, der weniger als einhundert Euro kostet.
Natürlich erwarten auch wir für diesen Preis kein Spitzenmodell mit Top-Ausstattung. Dabei geht der kompakte Chinese nicht nur beim Preis neue Wege. Auf der einen Seite wird natürlich an vielen Ausstattungsmerkmalen gespart. So gibt es statt eines Displays nur ein mehrfarbiges LED-Symbol. Dieses leuchtet im Betrieb weiß und im Standby rot. Außer einem Netzschalter und einer Reset-Taste (beide auf der Rückseite) gibt es keinerlei Bedienelemente am Gerät. Immerhin: Analoge Ausgänge sind zumindest in Form einer 3,5-Zoll-Klinkenbuchse vorhanden. Die wohl gravierendste und sicher für manchen auch schmerzlichste Einschränkung: Es gibt erstmals beim einem Receiver mit Enigma 2 an Bord weder einen Kartenschacht noch einen CI-Einschub. Genau genommen muss man den Zgemma H9S also als reinen FTA-Receiver klassifizieren. Allerdings hat der Herststeller schon angekündigt, den H9S auch in einer Version mit CI-Slot anzubieten. Unser Testgerät verfügt darüber allerdings nicht. Ausgestattet ist das Gerät mit einem Single-Tuner für Satellitenempfang oder beim Modell H9T mit einem DVB-T2-Tuner. Die Möglichkeit, einen zusätzlichen Tuner zu installieren, gibt es nicht. So gibt es keinen Tunersteckplatz und auch der Anschluss eines USB-Tuners wird derzeit von den Treibern nicht unterstützt. Auch virtuelle Tuner über den Sat-IP-Client können nicht eingebunden werden. Beim Versuch der Einbindung erscheint nur „No vtuner found“. Die Ursache dürfte im relativ neuen Chipsatz liegen, für den momentan noch wenig kompatible Treiber vorhanden sind. Der Zgemma ist nämlich mit einem Prozessor von Hisilicon ausgestattet. Prozessoren dieser Hardwareschmiede fanden in der Vergan-
genheit vor allem bei Smartphones ihr Einsatzgebiet, beispielsweise bei Geräten von Huawei. Im H9S kommt der Chipsatz hi3798mv2 zum Einsatz. Dieser besitzt vier Prozessorkerne, welche mit jeweils 1,6 GHz getaktet sind. Unterstützt wird der Prozessor von 1 GB DDR-3-Ram und einem etwas schmal ausgefallenen Flash-Speicher für Firmware und Plugins mit 256 MB. Das reicht allerdings trotzdem in der Praxis auch für Images mit vielen Erweiterungen aus. Zudem bietet der hinten vorhandene Kartenschacht die Möglichkeit, eine Micro-SD-Karte als zusätzlichen Flash-Speicher einzubinden.
DXer-Features
Soweit zu den Einschränkungen des Gerätes. Auf der anderen Seite vermag das Gerät aber mit einigen Features vor allem die DXer als Interessenten anzusprechen. Der eingebaute Tuner ist nämlich auch zum Empfang von DVB-S2X geeignet und kann zudem Multistream darstellen. Außerdem soll er den Blindscan beherrschen, welcher allerdings bis Redaktionsschluss noch nicht von der Firmware unterstützt wird. Diese besteht übrigens aus dem beliebten Team-Image von OpenATV in der aktuellsten Version 6.2. Darüber hinaus kann das Gerät mit weiteren Alleinstellungsmerkmalen punkten. Dazu gehört erstmals Transcoding auch in H.265 sowie eine UHD-PiP-Funktion. Genügend interessante Funktionen, um den Zgemma H9S einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Dabei fällt uns zuerst die Fernbedienung etwas negativ auf. Zwar liegt diese gut in der Hand, die Bedienung erfordert allerdings etwas Eingewöhnung. Der Druckpunkt der Tasten ist nicht wirklich optimal, man vernimmt beim Drücken auch ein deutliches Klacken. Hinzu kommt eine sehr unglücklich gewählte Platzierung der Farbtasten. Diese liegen nämlich nicht direkt am Steuerkreuz, sondern über den zwei Reihen Medientasten über dem Steuerkreuz und verlangen stets eine Umpositionierung der Finger, wenn zuvor das Steuerkreuz genutzt wurde. Besser wäre eine Anordnung direkt über oder unter dem Steuerkreuz. Natürlich kann man sich daran gewöhnen oder auch auf eine andere vielleicht noch vorhandene Fernbedienung umsteigen. Positiv fällt uns sofort die Schnelligkeit des Gerätes aus. Insbesondere die Umschaltzeiten sind beeindruckend. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass beim Senderwechsel die Wiedergabe nicht immer gleich korrekt beginnt. Manchmal startet die Wiedergabe nämlich zuerst wie in Zeitlupe. Nach ein bis zwei Sekunden hat sich das Programm aber auch dann synchronisiert und läuft korrekt. Da wir unsere Umschaltzeiten immer erst einstoppen, wenn Bild und Ton korrekt laufen, ergeben sich rein messtechnisch natürlich nicht ganz so prickelnde Werte. Auch bei der Bootzeit setzt der Zgemma mit 53 Sekunden nicht gerade neue Rekordwerte.
OpenATV an Bord
Ausgeliefert wird das Gerät mit dem beliebten Team-Image vom OpenATV-Team in der aktuellsten Version 6.2. Hier funktionieren die meisten Sachen mit dem Receiver schon problemlos. Die Blindscan-Funktion ist allerdings noch in der Entwicklung. Zwar lässt sich ein Scan auch jetzt schon starten, gefunden werden momentan aber nur Transponder im Low-Band. Nach Ende des Suchlaufes verabschiedet sich der Receiver zudem mit einem Bluescreen. Immerhin funktioniert der Blindscan schon einmal prinzipiell. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis diese Funktion korrekt in die Firmware implementiert wird. Ansonsten funktioniert das Image auf dem Gerät aber schon sehr gut und erlaubt das Einbinden diverser Plugins, die auch im Bereich Multimedia für reichlich Unterhaltung sorgen.
HbbTV
So funktioniert auch HbbTV auf Anhieb problemlos. Im Image selber ist die Funktion noch nicht aktiv. Zum Glück kann sie aber auf Knopfdruck nachinstalliert werden. Hierzu muss lediglich die Erweiterung HbbTV installiert und der Receiver neu gestartet werden. Anschließend steht die Red-Button-Funktion zur Verfügung. Der Zugriff auf die hybriden Dienste klappte im Test dann einwandfrei und recht flüssig. Eine weitere Möglichkeit zur Nutzung diverser Mediatheken ist das beliebte Plugin Mediaportal. Auch hier kann auf alle Mediatheken der Sender zugegriffen werden. Außerdem stehen diverse weitere Dienste zur Verfügung. Bei Erweiterungen muss der Nutzer aber immer mal wieder aufpassen, ob das angebotene Plugin auch zur Nutzung mit dem Chipsatz geeignet ist. Im schlimmsten Fall kann man sich mit einer inkompatiblen Erweiterung nämlich das komplette Image zerschießen und eine Reparatur erfordert etwas Expertenwissen oder eine komplette Neuinstallation des Images. Dafür stehen ambitionierten DXern wirklich interessante Features beim eingebauten Tuner zur Verfügung.
Tuner
Wirklich Begeisterung kommt auf, wenn man sich die Leistungsfähigkeit des Tuners anschaut. Selbstverständlich funktionieren wie gehabt alle DiSEqC-Protokolle für Multifeed und Dreanlagen sowie USALS und JESS. Zudem wird Multistream und sogar DVB-S2X unterstützt. Das haben wir natürlich gleich in der Praxis getestet. Zuerst haben wir uns DVB-S2X angeschaut. Ein Bouquet aus der Schweiz auf 33 Grad Ost sendet in diesem neuen Standard. Ein Suchlauf auf 12 597 V klappte auf Anhieb und die drei Kanäle wurden eingelesen. Auch die anschließende Wiedergabe funktionierte einwandfrei. Unsere nächste Testposition war 5 Grad West. Dort sind zahlreiche italienische Kanäle im Multistream unverschlüsselt aufgeschaltet. Die Transponder dienen eigentlich der Zuführung für das terrestrische Digitalfernsehen in Italien. Bisher gab es nur wenige und zum Teil auch recht teure Receiver, die mit die-
sem System zurechtkommen. Doch auch diese Hürde leistet unser 100-Euro-Receiver mit Bravur. Alle Multistream-Bouquets auf dieser Position wurden eingelesen und problemlos wiedergegeben. Tatsächlich entpuppt sich der Receiver also als sehr gute Wahl für DXer. Leider hinkt die Empfindlichkeit des Tuners den anderen positiven Eigenschaften etwas hinterher. Mit nur –84,1 dbm hat dieser nicht besonders hohe Leistungsreserven.
Im Betrieb
Zugegeben, im Test hatten wir noch mit gelegentlichen Blue-Screens zu kämpfen. Aber insgesamt läuft das Gerät mit OpenATV schon ziemlich gut und stabil. Gegen einen Betrieb als reinen TV-Receiver zum Beispiel auf Astra ist nichts einzuwenden, alle Sender werden ohne Schwierigkeiten in sehr guter Bildqualität wiedergegeben. Natürlich kann auch dieser Linux-Receiver nach Belieben konfiguriert und auch mit verschiedenen Skins optisch an die eigenen Wünsche angepasst werden. Zahlreiche Plugins stehen ebenfalls zur Verfügung. Von Haus aus verfügt der Receiver auch über eine Aufnahmefunktion. Ein Einbau einer Festplatte ist allerdings nicht möglich, diese muss vielmehr extern angeschlossen werden. Hierzu steht auf der Rückseite ein Anschluss nach dem Standard USB 3.0 zur Verfügung. Alternativ kann auch eine Micro-SD-Karte auf der Rückseite eingeschoben und dann als Speichermedium genutzt werden. Sinnvoll eingesetzt werden kann eine solche Micro SD übrigens auch als Ergänzung zum recht schmalen Flash-Speicher.
Transcoding
Eine Stärke des Gerätes ist zweifelsfrei das Transcoding in H.265. Damit lassen sich Streams auch in diesem effektiven Codec ressourcenschonend in das Netz schicken. Wir haben die Funktion mit dem Dreamplayer auf einem Android-Smartphone erfolgreich ausprobiert. Selbstverständlich lohnt sich Transcoding vor allem, wenn über das Internet gestreamt werden soll. Der HEVC-Codec erlaubt in Verbindung mit dem Hardwarecoding der H9S auch das Streamen von HD-Sendern über DSL-Anschlüsse mit geringerer Bandbreite. Erfolgreich testen konnten wir das an einem DSL-Anschluss mit einem Upload von 1 Mbit/s. Trotz des begrenztem Uploads war das Streaming in Verbindung mit dem Transcoding problemlos auch mit HD-Sendern bei noch ausreichend guter Qualität auf dem Smartphone möglich. Unsere Brücke in das heimische Netzwerk haben wir dabei übrigens mittels einer VPN-Verbindung hergestellt. Auch über einen mobilen Datenzugang via LTE klappte das einwandfrei.
PiP
Technisch möglich ist auch die Picture-in-Picture-Darstellung mit dem Zgemma. Natürlich macht das bei einem Single-Tuner nur begrenzt Sinn. Denn dadurch ist man stets auf einen Transponder beschränkt. Das betrifft vor allem die Möglichkeit, auch UHD-Sender als PiP darzustellen, es funktioniert zwar, macht aber wie gesagt wenig Sinn. Sicherlich wird es aber irgendwann auch Geräte mir Mehrfachtunern auf Basis dieses interessanten Chipsatzes geben. Zudem haben wir beim Test der PiP-Funktion in UHD gelegentlich Stocker und Aussetzer festgestellt. Möglicherweise kommt hier die Hardware an ihre Grenzen oder es sind noch Optimierungen bei der Firmware erforderlich.
Nur FTA möglich
Der Zgemma H9S ist das erste Gerät mit Enigma 2 ohne die Möglichkeit, Pay-TV zu empfangen. Denn erstmals wurde auch auf die Ausstattung mit einem Kartenleser verzichtet. Für Zgemma mag das ein Kostenfaktor sein. Andererseits ist es dann mit dem Gerät auch nicht mehr möglich, beispielsweise mit etwas Bastelei eine ältere HD-Plus-Karte zum Laufen zu bringen. Selbstverständlich gibt es aber auch beim H9S noch Möglichkeiten, auf die wir aber hier nicht näher eingehen möchten.
Fazit
Zgemma zeigt mit dem H9S eindrucksvoll, was auch mit preiswerter Hardware möglich ist. Für DXer besonders interessant ist zweifellos der Tuner mit DVB-S2X- und die Multistream-Fähigkeit. Aber auch an anderer Stelle setzt der Zgemma neue Standards, wie dem (noch nicht ganz flüssigem) UHD-PiP und dem Transcoding in H.265. Dass der Receiver insgesamt noch nicht ganz so stabil läuft und im Test häufiger mit Bluescreens abstürzte, ist nach unserer Meinung eher dem noch frühen Stadium der Firmware geschuldet. Auf Hardwareseite kann das Gerät auf jeden Fall überzeugen. Mit rundum funktionierender Firmware wird der Receiver sicherlich zum Geheimtipp für DXer werden, auch wenn die Tunerwerte nicht ganz überzeugen.