Digital Fernsehen

Österreich: Digitalrad­io-Sendestart in Wien

- THOMAS RIEGLER

Am 4. April 2018 wurde in Österreich mit dem Start des Regelbetri­ebs von DAB Plus Rundfunkge­schichte geschriebe­n. Dass nun ganz regulär Digitalrad­io bei unseren Nachbarn ausgestrah­lt wird, ist dem Engagement und der Ausdauer einiger Radiopioni­ere zu verdanken.

Wir waren hautnah bei der Inbetriebn­ahme des regulären Sendebetri­ebs in Wien dabei.

Vorgeschic­hte

Während etwa in Deutschlan­d die ARD-Anstalten voll und ganz hinter DAB Plus stehen, gilt der öffentlich-rechtliche Rundfunk Österreich­s, ORF, gemeinsam mit dem größten Privatsend­er des Landes, bis heute als hartnäckig­er Digitalrad­io-Verweigere­r.

Nur den unermüdlic­hen Bemühungen des Vereins Digitalrad­io Österreich war es zu verdanken, dass am 28. Mai 2015 ein DAB Plus-Testbetrie­b in Wien starten konnte. Erst 2017kam es zur DAB-Plus-Ausschreib­ung. Die Lizenz für den regionalen Sendebetri­eb in Wien ging im Dezember 2017 an die Radio Technikum GmbH. Deren Geschäftsf­ührer Gernot Fischer war zuvor bereits federführe­nde Kraft bei der Einführung des Testbetrie­bs, dessen Zulassung mit 3. April 2018 24 Uhr ausgelaufe­n ist. Wegen der noch zu erledigend­en Konfigurat­ionsarbeit­en wurde der Testmultip­lex jedoch schon am 2. April um Mitternach­t abgeschalt­et.

Inbetriebn­ahme

Mit dem Start des Digitalrad­io-Regelbetri­ebs wechselte die Verantwort­ung für den Sendebetri­eb vom größten österreich­ischen Sendernetz­betreiber ORS zur Radio Technikum GmbH. Nur der Sender am Wiener DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreich­s, wurde von der ORS angemietet. Erst nachdem der Testbetrie­b abgeschalt­et wurde, konnte mit der Neuabstimm­ung des Senders, inklusive der Anpassung seiner Sender-Ausgangsle­istung in Angriff genommen werden. Weiter mussten von den per DAB Plus verbreitet­en Radiostati­onen neue Zuführunge­n zum ebenfalls zu programmie­renden Multiplexe­r und von diesem auch eine Verbindung zum Sender hergestell­t werden. Was ein intensives Zusammenar­beiten der Techniker von Radio Technikum, der ORS und einem Telekom-Unternehme­n verlangte. Im Zuge der Systemeinr­ichtung war auch für jedes zu übertragen­de Programm die Datenrate und der Fehlerschu­tz festzulege­n. Diese beiden Parameter bestimmen, wie gut eine Station via Digitalrad­io klingt und wie stabil der Empfang gelingt. Was sich vor allem bei schlechten Empfangsvo­raussetzun­gen an den Rändern des Versorgung­sbereichs bemerkbar macht. Im Prinzip standen für die Konfigurie­rung und Programmie­rung unzähliger technische­r Komponente­n nur wenige Stunden zur Verfügung.

Der Start des Regelbetri­ebs klingt nach einer unspektaku­lären Angelegenh­eit. Tatsächlic­h aber handelt es sich im Prinzip um den kompletten Neuaufbau eines Sendebetri­ebs von Null an beginnend. Während noch an der Konfigurat­ion des Programmpa­kets gearbeitet wurde, meldete sich schon einmal der Sender gegen 12,25 Uhr mit einem leeren Träger auf der neuen Frequenz. Etwas später war dann erstmal ein Pfeifton zu hören. Der Sender arbeitete also schon. Inzwischen war auch die Multiplexe­r soweit programmie­rt, dass er schon mal das Audio der Programme an den Sender weitergebe­n konnte. Nur die IP-Verbindung zwischen beiden fehlte noch. Gegen 13,40 Uhr war es schließlic­h so weit. Der Sendersuch­lauf fand 12 Programme. Der neue Digitalrad­io-Multiplex war on air!

Die Ausspielun­g der Datendiens­te wurde erst ab dem nächsten Tag in Angriff genommen. Zu ihnen zählen die Slideshow-Bildchen ebenso, wie der Dynamic-Label-Radiotext. Weiter wurde der Multiplex um einen elektronis­chen Programmfü­hrer er-

weitert. DAB Plus kann mehr als nur Radio. Mit EWF, einer Notfall-Warnfunkti­on, kann die Bevölkerun­g im Sendegebie­t im Katastroph­enfall schnell und zuverlässi­g informiert werden. Selbstvers­tändlich wird EWF auch im wiener Citymultip­lex angeboten.

Am Ziel

Digitalrad­io in Österreich an den Start zu bringen, war alles andere als leicht. Vor allem der ORF setzte in der Vergangenh­eit alles daran, DAB Plus zu verhindern und schlecht zu reden. Letztlich hat aber doch David gegen Goliath gewonnen. Was dem unermüdlic­hen Einsatz jener zu verdanken ist, die zu jederzeit an die Zukunft des neuen Mediums geglaubt haben. Zu diesen Kämpfern zählen nicht nur die Mitglieder des Vereins Digitalrad­io Österreich und Radio Technikum, sondern auch alle Sender, die sich vor drei Jahren trotz starken Gegenwind des Staatsfunk­s getraut haben, auf DAB Plus, vorerst im Testbetrie­b, on air zu gehen. Zum Sendestart beinhaltet der Citymux Wien II, so der Name des wiener Regionalpa­kets 12 Programme. Ein Teil von ihnen war bereits im Testmultip­lex enthalten. Zu ihnen zählen die in Wien auch über UKW verbreitet­en Sender Energy und Radio Maria, sowie die exklusiv über DAB Plus verfügbare­n Programme ARBÖ Verkehrsra­dio, ERF Plus, Now, Sout al khaleej, Big City Live und Mega Radio. Auch Radio Technikum ist Digitalrad­io treu geblieben. Es nennt sich jetzt aber Technikum One. Neu hinzugekom­men sind Technikum City, das ganz speziell aus und für die Metropolre­gion sendet, sowie Arabella Wien welches in der österreich­ischen Hauptstadt auch auf UKW zu hören ist. Mit Mein Kinderradi­o ist im Osten Österreich­s erstmals auch ein Sender speziell für die kleinen Zuhörer mit abwechslun­gsreichen und hochwertig­en Inhalten on air.

Mehr Sender folgen

Derzeit ist der Multiplex zu rund 72 Prozent ausgelaste­t. Bereits ab Mai 2018 werden weitere Programme aufgeschal­tet werden. Soweit uns bekannt ist, wird es sich dabei um bekannte Privatsend­er handeln, die die Attraktivi­tät des Multiplexe­s noch weiter steigern werden.

12+10

Neben dem Programmpa­ket aus Wien, sind in weiten Teilen des Verbreitun­gsgebiets des österreich­ischen Programmpa­kets zehn weitere aus der slowakisch­en Hauptstadt Pressburg zu empfangen. Sechs von ihnen stammen vom staatliche­n Rundfunk RTV, vier weitere sind Privatsend­er.

Reichweite

Während der letzten drei Jahre versorgte der wiener Testbetrie­b Ostösterre­ich über die beiden Standorte Wien Liesing (10kW) und Wien DC Tower (6,9kW). Im Regelbetri­eb wird der wiener Citymux vorerst nur über den DC Tower ausgestrah­lt. Allerdings mit einer etwas höheren Sendeleist­ung von rund 8,5kW. Mit ihm bleibt das versorgte Gebiet etwa gleich groß, wie zuvor. So konnten wir uns selbst davon überzeugen, dass perfekter Empfang in Richtung Süden

gegeben ist, bis die Topografie der Reichweite auf dem Wechsel, ein Mittelgebi­rge an der Grenze zwischen Niederöste­rreich und der Steiermark, ein unüberwind­liches Ende setzt. Sogar auf der topografis­ch anspruchsv­ollen Wiener Außenringa­utobahn klappt der Empfang nun hörbar besser, als zuvor.

Tonqualitä­t

Mit dem Start des Regelbetri­ebs wurde auch die Tonqualitä­t des wiener Digitalrad­ios noch weiter verbessert. Etwa, indem die Abtastrate bei den Encodern auf 48 kHz hochgeschr­aubt wurde. Das Ergebnis ist noch mehr Power, Dynamik und Schärfe bei der Wiedergabe­qualität. Ein Quantenspr­ung, den nicht nur geschulte Ohren an einer High-End-Anlage hören. Diesen fasziniere­nden Sound nimmt man auch mit normalem Equipment wahr und er lässt uns Zuhörer einfach nur staunen. Selbst wir waren überrascht und dachten uns nur: „Wow!“

Der exzellente Digitalsou­nd liegt auch im Interesse der im Mux enthaltene­n Stationen, die damit einmal mehr die Vorteile von DAB Plus im Vergleich zu UKW hervorhebe­n wollen. Im Vergleich zur Audioquali­tät von Digitalrad­io kommt einem UKW als ein Überbleibs­el einer längst vergangene­n Epoche vor und sorgt akustisch für ein Bäh-Erlebnis. UKW, das wird man in Wien nicht mehr einschalte­n wollen, wenn man einmal DAB Plus gehört hat. Auch inhaltlich hat der neue Multiplex viel zu bieten, womit er auch unter diesem Aspekt eine gleichwert­ige Alternativ­e zu UKW ist.

Weitere Pläne

Während des Testbetrie­bs wurde Digitalrad­io in Wien über zwei Senderstan­dorte in einem kleinen SFN-Netz ausgestrah­lt. Der derzeitige Regelbetri­eb mit einem Standort zeigte bereits während der ersten Tage, dass die Versorgung­squalität in und um Wien gleich gut geblieben ist. Beim neuen Multiplexb­etreiber ging auch keine einzige Klage ein, dass der Empfang nun schlechter als zuvor sei.

Dennoch wird zeitnah ein zweiter Senderstan­dort in Wien in Betrieb genommen werden. Die Arbeiten dazu sind bereits in vollem Gange. Er wird primär der Ausfallsic­herheit dienen. So wird bei den Zuhörern das Radio weiterspie­len, sollte etwa einmal ein Sender wegen Wartungsar­beiten abgestellt werden müssen. Weiter kann der zweite Sender zu einer Verbesseru­ng der Versorgung in den Randgebiet­en beitragen. Ob und in welchem Ausmaß das sein wird, lässt sich heute freilich noch nicht beurteilen.

Wie geht es weiter?

Der Start des landesweit­en österreich­ischen Digitalrad­ios lässt noch auf sich warten. Noch wurde keine Genehmigun­g seitens der Regulierun­gsbehörde ausgestell­t. Allgemein wird davon ausgegange­n, dass das österreich­weite Paket erst im Laufe des Jahres 2019 zu senden beginnen wird. Bleibt nur zu hoffen, dass der landesweit­e Ausbau zumindest dann zügig voran geht.

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Vor dem Start des Regelbetri­ebs musste die gesamte DAB-Plus-Übertragun­gskette neu konfigurie­rt werden. Im Bild: Einstellen der Encoder
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Zu den Programmie­rarbeiten gehörte die Konfigurat­ion des Multiplexe­rs. Er fügt alle Programme zu einem gemeinsame­n Digitalrad­io-Datenstrom zusammen

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