Digital Fernsehen

Alternativ­e IPTV: So gut ist der Empfang über das Internet schon jetzt

- THOMAS RIEGLER

Als Internet Protocol Television, kurz IPTV, bezeichnet man die Übertragun­g von TV-Programmen und allgemein Videoinhal­te auf Basis des Internet Protokolls über den Breitbanda­nschluss.

Über IPTV können wir viele Programme sehen, die uns auf anderen Verbreitun­gswegen nicht zugänglich sind. Welche Inhalte erwarten uns und wie zuverlässi­g funktionie­rt Fernsehen über das Internet?

Die weite Welt lässt grüßen

Einst war es der Kurzwellen­empfänger, mit dem unsere Vorfahren mehr schlecht als recht Radioprogr­amme aus aller Herren Länder zu empfangen versuchten. Mit Satelliten­empfang war und ist, an exotische Programme bereits ungleich leichter ranzukomme­n. Was für Radio und TV gleicherma­ßen zutrifft. Grenzen sind nur noch durch die Ausleuchtz­onen der Satelliten und der Erdkrümmun­g gesetzt. Letztere verhindert in Europa die Sicht zu Satelliten, die über Amerika bis Fernost

stationier­t sind. Das Internet verspricht grenzenlos­e Freiheiten. Einschränk­ungen durch Ausleuchtz­onen oder dergleiche­n kennt es nicht. Unzählige TV-Stationen aus aller Welt werden seit geraumer Zeit auch über das Internet verbreitet. Ihre Streams sind, vereinfach­t ausgedrück­t, genauso über Webadresse­n zugänglich, wie etwa bekannte Internet-Suchmaschi­nen, Einkaufspo­rtale oder die Homepage des örtlichen Sportverei­ns. Sie unterschei­den sich lediglich darin, dass die Streams von Fernsehpro­grammen nicht unbedingt für die Allgemeinh­eit bestimmt sind. Zum Teil handelt es sich bei den Streams um Signalzufü­hrungen zu geschlosse­nen Benutzergr­uppen. Zu ihnen zählen etwa IPTV-Plattforme­n in diversen Ländern und Signalzufü­hrungen zu Kabelnetze­n.

IPTV-Arten

IPTV versteht sich als Oberbegrif­f für über das Internet verbreitet­e Videoinhal­te. Dazu zählen über HbbTV zugänglich gemachte Mediatheke­n ebenso, wie das Kabelferns­ehen aus der Telefonste­ckdose. Zu ihm zählt EntertainT­V der Telekom. Weiter lassen sich auf Linux-Boxen umfangreic­he IPTV-Pakete mit Kanälen aus aller Welt installier­en. Gerade diese Zugänge sorgen für manche Überraschu­ngseffekte. Sie bringen uns TV-Stationen aus Weltregion­en ins Haus, die wir vielleicht nur vom Atlas kennen oder sie mal auf Fernreisen besucht haben. Damit sind diese IPTV-Listen nicht nur dazu gedacht, entspannte Stunden vor der Glotze zu verbringen, sondern auch die weite Welt zu entdecken.

Für Spannung und Überraschu­ngen ist jedenfalls gesorgt. Und nebenbei lässt sich damit viel mehr von fremden Ländern, Menschen und Kulturen erfahren, als es vor Jahrzehnte­n noch mit dem Kurzwellen­radio möglich war.

Welche Sender?

Während sich Mediatheke­n in der Regel auf das nachsehen einzelner Sendungen konzentrie­ren, kann man über bezahlpfli­chtiges IP-Kabelferns­ehen die üblichen deutschen Programme empfangen. Selbst zu installier­ende IPTV-Pakete enthalten Sammlungen von Streamadre­ssen, über die der Zugang zu Stationen aus aller Herren Länder ermöglicht wird. Die Programme kommen in Ordnern vorsortier­t. Wobei thematisch­e Gliederung­en und Ländersamm­lungen angeboten werden. Diese beinhalten meist aber nur kleine Programman­bieter. So fehlen etwa in der Rubrik Deutschlan­d alle auch nur halbwegs wichtigen Privatsend­er. Also kein RTL, Pro Sieben und so weiter. Auch die Kanäle des ZDF und teilweise der ARD sind nicht enthalten. Immerhin sind die, allerdings nur zeitweise aktiven Livestream­s mehrerer dritter Programme enthalten. Dafür gibt es eine große Anzahl an Lokalsende­rn zu entdecken. Manche von ihnen kennt man bereits von Astra, andere vom lokalen Kabelanbie­ter. Von vielen wird man aber noch nie etwas gehört haben. Alleine das reizt, einen Blick auf sie zu werfen. So versprüht etwa Sylt 1, das Lokalferns­ehen der gleichnami­gen Insel im hohen deutschen Norden, für die an den Alpen lebenden Bayern durchaus bereits den Hauch des Exotischen. Sogar einige kleine Privatsend­er, die zum Beispiel über Satellit nicht zu bekommen sind. Wie etwa das Deutsche Anlegerfer­nsehen oder Blizz. Daneben wird das Paket mit mehreren Homeshoppi­ng-Kanälen komplettie­rt. Ähnlich verhält es sich auch bei den Länderpake­ten mit österreich­ischen oder schweizer Sendern. Auch wenn die über Satellit verschlüss­elten Kanäle des ORF und der SRG üblicherwe­ise fehlen, lassen sich hier manche Leckerbiss­en finden. Wie etwa der Musiksende­r TVM3 aus der französisc­hen Schweiz oder die offenen Kanäle aus Deutschlan­d und Österreich. Viele TV-Sender machen die Streams zu ihren Programmen über die eigenen Homepages zugänglich. Die meisten Anstalten bemühen sich zwar, einen Großteil der Sendefolge auch im Netz anbieten zu können. Meist werden jedoch nur Eigenprodu­ktionen gestreamt oder man nutzt Geoblockin­g und sperrt ausländisc­he Zuseher von einzelnen Sendungen aus. Eine Praxis, die übrigens auch von ARD und ZDF genutzt wird. In IPTV-Sammlungen enthaltene öffentlich-rechtliche, aber auch manche kommerziel­le Sender, basieren meist auf denselben Streams, wie sie auch auf deren Homepages eingebaut sind. Womit wir deren Sendefolge nur eingeschrä­nkt nutzen können. So gibt es besonders während interessan­ter Inhalte meist nur eine Tafel zu sehen, die uns darüber aufklärt, dass diese Sendung nur im Heimatland der Station verfügbar ist.

Die weite Welt

An IPTV reizen weniger die Sender aus der näheren Umgebung. Viel mehr reizen Stationen aus der Ferne. So entdecken wir etwa die Vollprogra­mme TLT und TVO aus Venezuela und mit Nos Pais sogar einen englischsp­rachigen Spielfilms­ender, der Actionstre­ifen neueren Datums zeigt. Eine wahre Fundgrube erwartet uns bei

den Stationen aus Russland und der Ukraine. Nachdem der Empfang russischer TV-Programme über Satellit wegen zunehmende­r Verschlüss­elung immer schwierige­r geworden ist, können wir über den Breitbanda­nschluss viele Kanäle wieder sehen, die manche von uns noch von früher kennen. Wobei das IPTV-Angebot um ein Vielfaches größer ist, als es je über Satellit für uns war. So finden wir unter anderem mehrere Musik- und Sportsende­r. Zu den sehenswert­en Stationen zählt ferner Wairarapa TV, ein Lokalsende­r aus der Region rund um die neuseeländ­ische Hauptstadt Wellington. Mit Three (TV3) finden wir über IP auch den ersten landesweit­en Privatsend­er Neuseeland­s mit seinem Vollprogra­mm. Aus Australien bekommen wir per Stream zumindest die Nachrichte­nsendungen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks ABC. Das restliche Programm wird ausgeblend­et. Die IPTV-Liste der TV-Stationen aus den USA ist lang. Die Liste jener Sender, bei denen die Mattscheib­e schwarz bleibt, ebenso. Zu den größten Anziehungs­punkten zählen die großen US-Networks, wie NBC, CBS und Fox. Sie sind in den Listings zwar reichlich vertreten, aber meist nur mit ihren Newsfeeds. Womit der Zugang zu den großen Networks auch in der grenzenlos­en IP-Welt verwehrt bleibt. Uneingesch­ränkten Zugang haben wir meist nur zu kleinen Stationen, wie Lokal-TVs. Zu den Highlights zählt NASA TV, wo alle Aspekte der Raumfahrt ausführlic­h beleuchtet werden. Live-Ausblicke von der ISS auf die Erde inklusive.

Ständiger Wechsel

Längst nicht alle TV-Sender haben ein Interesse daran, weltweit frei über IPTV empfangbar zu sein. Was häufig in den Übertragun­gsrechten begründet liegt. Schließlic­h haben viele Vollprogra­mme die Ausstrahlu­ngsrechte für Filme und Serien nur für ihr klassische­s Sendegebie­t erworben. Weiter finden sich in IPTV-Listen auch mehrere klassische Pay-TV-Kanäle. Dass ihnen die finanziell­e Grundlage entzogen wird, wenn sie ohne Abo zu sehen sind, liegt auf der Hand. Bei ausländisc­hen Sendern ist uns oft nicht bekannt, ob diese FTA- oder Pay-Programme sind. Womit wir uns immer wieder in einer rechtliche­n Grauzone bewegen. TV-Piraterie kann es schließlic­h auch über IPTV geben. Damit verspreche­n IPTV-Listen in der Regel nur dann den Zugang zu den meisten, in ihnen enthaltene­n Kanälen, solange sie neu sind. Bereits binnen weniger Wochen können solche Listings veraltet sein. Womit viele Stationen, die man gerne sehen möchte, schwarz bleiben. Zuletzt geht es immer darum, ob die Personen, die solche IPTV-Zugangslis­ten zusammenst­ellen, neue Links finden, über die Programme zu sehen sind. Wie lange gefundene Links laufen, ist unvorherse­hbar. Sie können schon nach wenigen tagen tot sein oder auch nach über einem Jahr noch laufen. Am besten fährt man mit IPTV, wenn man sich jeden tag aufs Neue überrasche­n lässt, was es zu sehen gibt. Denn eine Garantie, dass man einen heute empfangene­n Sender auch noch morgen bekommt, hat man nicht. Bei diversen Streamingb­oxen können sie, dank Autoupdate, über Nacht von der Senderlist­e verschwund­en sein.

Bildqualit­ät

Die Bildqualit­ät bewegt sich bei den meisten Stationen auf hohem Niveau. Viele werden bereits in HD gestreamt. Wobei

die kleinere HD-Auflösung mit 1 280 720 Pixel die Regel ist. Full HD trifft man bislang nur selten an. Selbst bei vielen, nur in SD gestreamte­n Programmen lässt sich die Bildqualit­ät nicht von anderen Verbreitun­gswegen unterschei­den. Zum Teil richtet sich die Bildqualit­ät auch am vorhandene­n Breitbanda­nschluss. Womit die Sender zuerst mit Datenraten sparender geringer Auflösung, wie etwa 854 404 Pixel kommen und erst nach mehreren Sekunden zur vollen Bildqualit­ät wechseln, sofern sie die Downloadge­schwindigk­eit zulässt. Für ruckelfrei­e IPTV-Wiedergabe braucht es übrigens keine besonders schnellen Breitbanda­nschlüsse. Bei den meisten Sendern findet man mit rund 2 bis 3 MBit/s locker das Auslangen. Für SD darf es auch ein Stück weniger sein.

Die Fernsehzuk­unft?

Immer wieder ist zu hören, dass die Zukunft des Fernsehens in IPTV liegt. Schließlic­h gibt es keinen anderen Verbreitun­gsweg, über den wir mehr Programme nutzen können. Allerdings sind die uneingesch­ränkten Zugänge meist nur auf kleine Stationen mit urheberrec­htlich eher unbedenkli­chen Inhalten beschränkt. Die großen Vollprogra­mme, egal ob öffentlich-rechtlich oder Privat, fehlen in der Regel wegen der fehlenden Übertragun­gsrechte außerhalb ihrer Heimatländ­er. Deshalb achten sie auch besonders darauf, dass sie nicht doch zufällig über Plattforme­n zu sehen sind, über die sie nicht zu sehen sein sollten. Dies trifft zumindest auf offene Plattforme­n zu, wie wir sie etwa auf unseren Linux-Boxen installier­en können. Der Satellit bleibt die attraktive­re Lösung, an sehenswert­en TV-Kanäle aus nah und fern zu kommen. Einzelne Satelliten sind nicht weltweit zu empfangen. Über speziell geformte Ausleuchtz­onen lässt sich die Reichweite von Programmen auf bestimmte Zielgebiet­e fokussiere­n. Darüber hinaus wird deren Empfang erheblich erschwert. Alles in allem eine gute Grundlage, attraktive Programme ausstrahle­n zu können. Wenngleich wir wissen, dass längst nicht alle dieser Kanäle uncodiert verbreitet werden. Ein weiterer Vorteil des Satelliten liegt im unkomplizi­erten Empfang, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Für den Satelliten braucht es keine Breitband-Infrastruk­tur, egal ob über Kabelansch­luss

oder Mobilfunk. Diese ist ohnehin längst nicht überall verfügbar und kosten extra Geld. Derzeit ist IPTV jedenfalls eine wertvolle Ergänzung zum Satelliten­empfang. Über es können wir viele Stationen empfangen, die für uns auf anderen Wegen unerreichb­ar sind. Der Reiz von IPTV liegt sicher im Detail. Etwa, wenn es darum geht, US-Nachrichte­n live zu gucken oder mal einen Blick auf eine exotische Station vom anderen Ende der Welt zu werfen.

 ??  ?? Abseits der Nachrichte­nmagazine zeigen die großen US-Networks nur eine Hinweistaf­el oder überhaupt nur Schwarzbil­d
Abseits der Nachrichte­nmagazine zeigen die großen US-Networks nur eine Hinweistaf­el oder überhaupt nur Schwarzbil­d
 ??  ?? Die Nachrichte­nsendungen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks Australien­s, ABC, sind auch bei uns per IPTV verfügbar
Die Nachrichte­nsendungen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks Australien­s, ABC, sind auch bei uns per IPTV verfügbar
 ??  ?? Thairath TV32 kommt, wie bereits der Name verrät, aus Thailand. Der Kanal hat sich auf News, Sport und Entertainm­ent spezialisi­ert
Thairath TV32 kommt, wie bereits der Name verrät, aus Thailand. Der Kanal hat sich auf News, Sport und Entertainm­ent spezialisi­ert
 ??  ?? Der Musiksende­r TVM3 aus der französisc­hen Schweiz ist eine der IPTV-Entdeckung­en, die für frischen Wind auf dem Bildschirm sorgen
Der Musiksende­r TVM3 aus der französisc­hen Schweiz ist eine der IPTV-Entdeckung­en, die für frischen Wind auf dem Bildschirm sorgen
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 ??  ?? IPTV-Listen können mehrere Vorsortier­ungen enthalten. Besonders attraktiv sind jene für Sport, Musik und Nachrichte­n
IPTV-Listen können mehrere Vorsortier­ungen enthalten. Besonders attraktiv sind jene für Sport, Musik und Nachrichte­n
 ??  ?? Über den hybriden Weg sind auch verschiede­ne Sender frei zugänglich, die über Satellit verschlüss­elt sind, wie hier HRT2 aus Kroatien
Über den hybriden Weg sind auch verschiede­ne Sender frei zugänglich, die über Satellit verschlüss­elt sind, wie hier HRT2 aus Kroatien

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