Wer sieht wie fern? Der neue Digitalisierungsbericht im Detail
Traditionell Anfang September und passend zur IFA in Berlin erscheint alljährlich der Digitalisierungsbericht der Landesmedienanstalten. Wie jedes Jahr hält er die eine oder andere Überraschung parat.
Im Videobereich sprechen die Nutzerzahlen für sich. Während Kabel und Satellit nur geringe Verluste hinnehmen müssen und weiterhin je rund 45% Nutzer vermelden können, verzeichnete 2018 der terrestrische Übertragungsweg DVB-T(2) erneut enorme Einbußen von einem Prozentpunkt und somit über 13 Prozent seiner Reichweite. Schon beim Digitalisierungsbericht 2017 wurden die Auswirkungen der DVB-T2-Umschaltung deutlich, denn dort verlor die Terrestrik 1,6 Prozent. Nimmt man beide Jahre zusammen, wird die bittere Bilanz für die terrestrische Abstrahlung sehr deutlich: knapp 30 Prozent wendeten sich von dem Übertragungsweg ab. Noch ist zudem der Umstieg auf DVB-T2 HD nicht abgeschlossen. Somit dürften auch 2019 beim terrestrischen Fernsehen noch einmal Rückgänge hinzunehmen sein. Es liegt aber nicht allein am Umstieg auf den neuen Standard, der natürlich jeden Nutzer noch einmal überlegen lässt, wie er zukünftig fernsehen will. Generell hat die Terrestrik auch Europaweit einen schweren Stand. In der Schweiz hat sich der SRF entschlossen, terrestrische Übertragungen komplett einzustellen.
Gewinner IPTV
Natürlich muss es, wenn es einen Verlierer gibt, auch einen Gewinner geben. In gleichem Maße wie der terrestrische Empfang Nutzer verloren hat, konnte IPTV neue Zuschauer hinzugewinnen. Mittler-
weile sind es schon 7,9% der Haushalte, die zumindest an einem TV-Gerät IPTV-Angebote empfangen. Dies entspricht rund drei Millionen Haushalten in der Bundesrepublik. Zum besseren Verständnis muss dazu gesagt werden, dass es sich dabei um reine IPTV-Angebote wie EntertainTV handelt und nicht um OTT-Dienste wie Netflix oder Amazon. Das klassische IPTV mit seinen Vorzügen ist somit auf dem Vormarsch und wird durch Anbieter wie die Telekom, 1 & 1 sowie Vodafone weiter vorangetrieben. „Die Ergebnisse der Studie zeigen ganz klar: IPTV ist auf
dem Vormarsch. Die Mediennutzung der Kunden verändert sich. Gerade junge Menschen wollen individuell bestimmen, was sie wann schauen. Gleichzeitig hat lineares TV auch heute noch zahlreiche Anhänger. EntertainTV verbindet beide Welten mit einzigartigem Komfort und bietet zudem die größte Vielfalt an qualitativ hochwertigen und exklusiven Inhalten“, erklärt Wolfgang Elsäßer, TV-Chef der Telekom. „EntertainTV wächst seit dem Start von Jahr zu Jahr. Immer mehr Kunden nehmen EntertainTV als attraktive Alternative zu den Angeboten der Ka-
bel-, Satellit- und DVB-T-Anbieter wahr.“Der TV-Dienst der Telekom ist die unangefochtene Nummer eins im IPTV-Fernsehmarkt. EntertainTV bietet Kunden ein Angebot aus linearem TV und On-Demand-Inhalten. Darin enthalten sind rund 300 TV-Sender und mehr als 100 HD-Kanäle. EntertainTV bietet Kunden damit das größte HD-Angebot in Deutschland. Dazu kommen die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen und großen Privatsender sowie zahlreiche Online-Videotheken und Streamingdienste wie Videoload, Maxdome, Netflix und Amazon Prime Video. Funktionen wie Timeshift, Restart und 7-Tage-Replay sorgen für einen einmaligen Komfort.
OTT-Angebote
Beim klassischen, auch als „managed“bezeichneten IPTV wird ein Minimum an Bandbreite für die Übertragung des Fernsehsignals sichergestellt, so dass die Signalübermittlung ähnlich wie im digitalen Kabelnetz erfolgt. IPTV kann jedoch auch via OTT, also über das „offene“Internet verbreitet werden. In diesem Zusammenhang hat sich in den USA seit mehreren Jahren ein Phänomen etabliert, das unter dem Begriff „Cord-Cutting“diskutiert wird. Dabei handelt es sich um Fernsehhaushalte, die keinen der „klassischen“TV-Übertragungswege, also Kabel, Satellit, Terrestrik oder „managed“-IPTV nutzen, sondern das TV-Programm an ihrem Fernseher ausschließlich über das offene Internet empfangen. Genutzt werden dafür beispielsweise Plattformen wie Zattoo oder Waipu.tv, die das Fernsehprogramm bündeln und über das Internet weiterverbreiten. Aber auch viele Fernsehanbieter bieten Livestreams ihres Programms und umfassende VoD-Angebote im Internet an. In Deutschland bleibt die Zahl der Cord-Cutter mit einem halben Prozent der Fernsehhaushalte bisher vergleichsweise gering. Prinzipiell könnte sich die Menge der Nutzer, die auf die klassischen TV-Übertragungswege verzichten, jedoch erhöhen. In immerhin jedem achten Fernsehhaushalt (11,7%) können sich die Nutzer vorstellen, zukünftig ausschließlich OTT als Empfangsweg an ihrem Fernseher zu nutzen. Erwartungsgemäß sind es vor allem jüngere Fernsehnutzer, die ein solches Szenario für denkbar halten. Jeder zweite dieser potentiellen Nutzer ist unter 30 Jahre alt.
Privat-TV Bezahlung
Auch im Digitalisierungsbericht 2018 wird einmal mehr deutlich, dass nur ein geringer Teil der Zuschauer aktuell bereit ist, für den Empfang der Privatsender in HD Geld auszugeben. Prozentual hat hier die Terrestrik die Nase vorn, wobei hier der Sonderpunkt zu sehen ist, dass terrestrisch die Privatsender ausschließlich gegen Gebühr verbreitet werden. Immerhin 53,2 Prozent der DVB-T2 HD-Nutzer haben laut Digitalisierungsbericht ein Freenet-TV-Abo bzw. sind noch in der Gratisphase. Ähnlich gute Zahlen kann auch IPTV aufweisen. Hier haben knapp 49 Prozent der Nutzer Zugang zu RTL HD und Co. Doch auch hier gilt wieder eine Sonderform, denn in einigen Paketen werden die Sender gratis mit Angeboten. Die zweitgrößte Steigerung kann Kabel bei der HD-Privatsender-Nutzung verzeichnen. 15,5 Prozent mehr Kabelnutzer schauen jetzt die Privatsender in HD. Das entspricht fast einer Verdopplung. Viele Angebote der Anbieter locken jedoch auch in diesem Bereich mit Gratisphasen. Beim Satellitenempfang sieht es ganz anders aus. Hier müssen die Privaten HD-Programme sogar einen Rückgang um 18,5 Prozent verzeichnen. Gerade einmal 14,5 Prozent der Satelli-
tenhaushalte haben die hochauflösenden Privatsender gebucht und zahlen dafür bzw. sind in der Testphase. Bei rund 17,4 Millionen Sat-Haushalten in Deutschland umfassen die 1,76 Millionen-HD-Privatsender-Nutzer gerade einmal 10 Prozent. Hinzu kommen bereits 12,18 Prozent der Satellitenzuschauer, die in der Lage sind HDTV-Programme zu nutzen und darzustellen.
Smart TV wächst
Die Mehrheit der TV-Haushalte verfügt über Smart-TV Voraussetzungen. Um „Cord-Cutter“zu werden ist es notwendig, einen Fernseher mit Internetanbindung im Haushalt zu haben. Der Fernseher wird dabei als SmartTV entweder direkt oder als Connected-TV über ein Peripheriegerät mit dem Internet verbunden. Mittlerweile verfügen 51,6% der Haushalte über mindestens ein SmartTV-Gerät, das entspricht knapp 20 Mio. Haushalten. Die tatsächliche Gesamtzahl der Geräte in deutschsprachigen Haushalten liegt mit 24,441 Mio. aber darüber. Denn jeder neunte Haushalt verfügt über zwei Smart-TVs. Drei und mehr smarte TV-Geräte finden sich in 1,6% der Fernsehhaushalte. In etwas mehr als einem Drittel der TV-Haushalte sind alle Geräte im Haushalt Smart-TVs. Differenziert nach Übertragungswegen zeigt sich, dass sich Smart-TVs am häufigsten in IPTV-Haushalten befinden. Hier haben zwei Drittel (66%) der Haushalte mindestens ein solches Gerät. In digitalen Satelliten- und Kabelhaushalten verfügt etwas mehr als jeder zweite Haushalt über mindestens einen Smart-TV (Satellit 54,0%, digitales Kabel 53,5%). Etwas weniger sind es mit 41,7% in den terrestrisch empfangenden Haushalten. Wenig überraschend ist, dass nur ein Bruchteil der auch analogen Kabelhaushalte einen Smart-TV besitzt. Hier sind es etwa 1,7 Prozent der Haushalte.
Knapp die Hälfte aller Haushalte hat Fernsehgeräte mit dem Internet verbunden. Die Anschlussquote von Smart-TVs liegt bei knapp 62 Prozent, folglich haben etwa 12,346 Mio. deutschsprachige Haushalte das Gerät mit dem Internet verbunden. Dadurch können sie via OTT direkt am Fernseher auf zusätzliche Dienste wie z. B. Mediatheken, VoD-Angebote oder Livestreams zugreifen.
Digitalradio
Auch im Audio-Bereich nimmt die Digitalisierung weiter Fahrt auf. Zweifellos sind wir in diesem Bereich noch längst nicht an der gleichen Stelle angelangt wie im TV-Sektor, wo analoge Signale keine Rolle mehr spielen, aber vor allem Digitalradio wächst. DAB Plus kann von Umstieg-willigen Hörern profitieren. Der Anteil von Personen in Haushalten mit Zugang zu mindestens einem DAB-PlusGerät steigt von 15,7 in 2017 auf 18,1 Prozent in 2018. In diesem Segment legt DAB Plus+ 15,2 Prozent zu und setzt sich an die Spitze des Zuwachses vor anderen Empfangswegen. Die Anzahl der Deutschen mit einem Zugang zu DAB Plus erhöht sich auf 12,72 Mio. Das sind 1,8 Mio. mehr als 2017.
Vergleicht man alle Übertragungswege, weist DAB Plus mit 15 Prozent noch vor Internet-Radio die stärkste Steigerung zum Vorjahr auf, während Kabel (22 Prozent) und Satellit (11 Prozent) verlieren. Immer mehr DAB Plus in deutschen Haushalten. Die Haushaltsdurchdringung mit DAB Plus-Radiogeräten erhöht sich von 15,1 Prozent in 2017 auf 17 Prozent in 2018. Das entspricht einer Steigerung von plus 13 Prozent. Damit wächst DAB Plus auch in diesem untersuchten Segment schneller als IP-Radio. In absoluten Zahlen: In knapp 7 Mio. deutschen Haushalten steht mindestens ein DAB Plus-Gerät. Das sind fast 1 Mio. Geräte mehr als im Jahr zuvor.
Der Anteil von Haushalten mit DAB Plus legt überall zu, besonders in der Ländergruppe Sachsen, Sachsen-Anhalt undThüringen mit plus 3,5 Prozent. Grund hierfür dürfte nicht zuletzt der weitere Ausbau des Senderangebotes in den sächsischen Metropolen Leipzig und Freiberg sein. Bayern liegt wegen einer breiten Programmvielfalt, einer sehr guten Netzabdeckung und entsprechender politischer Rahmenbedingungen mit 22,3 Prozent ganz an der Spitze.
DAB Plus Geräteabsatz steigt
Während die Abverkäufe der UKW-Radiogeräte seit Jahren sinken, erreichen die Verkäufe für DAB-Plus-Empfänger neue Rekordmarken: Die Gesamtzahl der DAB Plus-Geräte liegt inzwischen bei knapp 12 Millionen Geräten. Rund 2 Millionen Geräte kamen im letzten Jahr hinzu, das entspricht einer Steigerung von 19 Prozent. Für die Industrie gibt es aber noch jede Menge Potential. Rund 80 Prozent der Haushalte müssen noch umgerüstet werden, eine Herausforderung und zugleich Chance für Hersteller und Handel.
Mobilempfang
Inzwischen ist in jedem zehnten zugelassenen Auto ein DAB-Plus-Radio verbaut, Tendenz weiter steigend. Fast jeder zweite Neuwagen (40 Prozent) rollt mit einem Digitalradio vom Band. Die Zahl der Autoradios mit DAB-Plus-Empfang wuchs um rund 700 000 von 3,7 im letzten auf 4,41 Mio. in diesem Jahr.