Digital Fernsehen

Alte Schallplat­ten und Kassetten digitalisi­eren

Kassetten- und Videorekor­der erlaubten uns bereits vor Jahrzehnte­n, selbst Musik und TV-Sendungen aufzuzeich­nen. Wir sind der Frage nachgegang­en, wie gut die Qualität alter Aufnahmen heute noch ist.

- THOMAS RIEGLER

Schnell zeigte sich während unserer Tests, dass die Problemati­k weitaus umfangreic­her, als von uns angenommen ist. Geht es doch darum, historisch­e Mitschnitt­e nicht nur zu bewahren, sondern sie auch nutzbar zu halten.

Videosyste­me

Anders als bei der Kompaktkas­sette, bescherte uns der Videorekor­der zahlreiche, untereinan­der nicht kompatible Systeme. Bereits während der 1960er wurden für den Hausgebrau­ch Videorekor­der mit offenen Spulen angeboten. Wegen ihres astronomis­ch hohen Preises haben sie aber kaum Käufer gefunden. Ähnlich „erfolgreic­h“war während der frühen 1970er das VCR-System, das Kassetten mit übereinand­er angeordnet­en Bandspulen nutzte. Dieselben Kassetten fanden auch in den Nachfolges­ystemen VCR-LP und SVR Verwendung. Die Systeme setzten sich alleine deshalb schon nicht durch, weil die Kassetten, aber auch die Rekorder extrem störanfäll­ig waren. Das japanische Betamax kam 1978 zu uns. Es nutzte, wie auch alle weiteren Videosyste­me, Kassetten mit nebeneinan­der angeordnet­en Bandwickel­n. Wegen

der relativ kleinen Kassetten lag die maximale Aufnahmeda­uer bei 3 Stunden 35 Minuten. Betamax begeistert­e damals durch seine im Vergleich zu VHS besseren Bildqualit­ät. Betamax wurde mehrmals weiterentw­ickelt. Superbeta und ED-Beta erforderte­n jeweils eigene Videorekor­der, boten aber noch bessere Bildqualit­ät. Das VHS-System kam etwa zeitgleich auf den Markt, überzeugte von Beginn an aber mit längerer Spielzeit. Sie lag mit den erst später eingeführt­en E300-Kassetten bei mindestens 5 Stunden. Etwas später folgten Geräte mit einer zweiten Geschwindi­gkeit (Longplay) und 10 Stunden Aufnahmeka­pazität. Gegen Ende der VHS-Ära folgten sogar noch Geräte mit Superlongp­lay, einem 15-Stunden-Kriechgang. Zur VHS-Familie gesellten sich Super-VHS und DVHS (digital) mit jeweils verbessert­er Wiedergabe­qualität. Ferner kamen für Videokamer­as die VHS-C- und SVHS-C-Minikasset­te heraus. VHS hatte sich im Laufe der Zeit gegenüber allen anderen Videosyste­men durchsetze­n können. Was alleine seinem guten Marketing zu verdanken ist, denn VHS war im Vergleich zu den meisten anderen Videosyste­men, so ziemlich das schlechtes­te. 1979 folgte mit Video 2000 das

nächste Videoforma­t. Es arbeitete als einziges mit einer Wendekasse­tte, so wie wir sie vom Audio-Kassettenr­ekorder kennen. Die maximale Aufnahmeda­uer lag bei 2×4 Stunden und später mit der V2000-LP-Variante, bei 2 × 8 Stunden. Weitere Videosyste­me wurden speziell für Videokamer­as entwickelt. Ihre Kassetten mussten demnach besonders klein sein. Neben dem bereits erwähnten VHS-C, bescherten uns die Konzerne der Unterhaltu­ngselektro­nik die Videosyste­me CVC (1980) mit maximal 45 Minuten Aufnahmeda­uer, Video 8 (1985), Hi8 (1989) und Digital 8, die jeweils auf dieselbe Kassette in der Größe einer Audiokasse­tte arbeiteten. Damit waren in Standardge­schwindigk­eit bis zu 2 und in Longplay bis zu 4 Stunden möglich. 1994 kam schließlic­h das digitale MiniDV auf den Markt, dass etwa halb so große Kassetten nutzte und es auf bis zu 80 Minuten Aufnahmeda­uer in Standardge­schwindigk­eit und 2 Stunden in Longplay brachte. Kaum bekannt ist, dass dieses Videoforma­t auch ein größeres Kassettenf­ormat für stationäre Heimvideor­ekorder mit einer Spielzeit von bis zu 3 (4,5) Stunden, beinhaltet­e. Ab 2001 gab schließlic­h noch das MicroMV-Sys-

tem ein kurzes Gastspiel. Es nutzte um etwa 70 Prozent kleinere Kassetten als die des MiniDV-Formats und brachten es auf eine Aufnahmeda­uer von 60 Minuten. Das 2003 eingeführt­e HDV-System zeichnete auf MinDV-Tapes in HD auf.

Verwirrt?

Die Zeit von 1971 bis 2003 haben uns jedenfalls 21 Videosyste­me beschert, die mit zehn verschiede­nen Kassettenf­ormaten arbeiteten. Das macht es natürlich nicht leicht, das passende Gerät zu einem bestimmten Band zu finden. Ganz schwierig wird es etwa, wenn man eine in Superlongp­lay aufgezeich­nete VHS-Kassette hat. Diesen Kriechgang beherrscht­en nämlich nur ganz wenige Rekorder.

Alte Player und ihre Tücken

Die meisten von uns haben ihre Videorekor­der schon längst in den Ruhestand geschickt und gut auf dem Speicher verstaut. Während sie vielleicht zehn, 15 oder noch mehr Jahre vor sich hingestand­en haben, sind sie nicht besser geworden. So können etwa Kondensato­ren ausgetrock­net oder Antriebsri­emen spröde geworden sein. Dann ist da noch die Kopftromme­l, die mit rund 1 500 Umdrehunge­n pro Minute mittels haardünner Videoköpfe die auf den Bändern gespeicher­ten Informatio­nen auslesen. Sie sind typische Verschleiß­teile und können gegen Ende ihrer Tage die Bildqualit­ät empfindlic­h beeinträch­tigen. Drop Outs oder verrauscht­e Bilder deuten darauf hin. Selbst wenn ein Videorekor­der noch einwandfre­i funktionie­rt hatte, als er einst weggepackt wurde, muss das heute ganz und gar nicht mehr sein. So kann er etwa, nachdem er wieder Bekanntsch­aft mit der Steckdose gemacht hat, mit einem lauten PUFF, einen seiner Netzteilko­ndensatore­n in, den Raum füllenden, Rauch aufgehen, oder einfach auf keine Steuerbefe­hle mehr reagieren. Womit das Gerät nicht mehr zu gebrauchen ist. Auch das vorzeitige Beenden der Wiedergabe ist möglich. Sogar bei Bildplatte­nspielern. All diese Beispiele sind nicht an den Haaren herbeigezo­gen, sondern uns selbst während der Vorarbeite­n zu diesem Artikel passiert. Die Frage ist also weniger, ob sich ein Band noch abspielen lässt, sondern, ob man noch ein Wiedergabe­gerät besitzt oder auftreiben kann, dass uns dies ermöglicht. So war es uns etwa nicht mehr möglich, unsere ältesten Videotapes, einmal Halbzollbä­nder auf offenen Spulen, weiter VCR-LP-Kassetten mit 45 bis 50 Jahre alten TV-Aufnahmen abzuspiele­n.

Zur Bildqualit­ät

Audio- und Videobände­r sind mit unzähligen Kleinstmag­neten beschichte­t, die durch den Aufnahmeko­pf entspreche­nd der zu speichernd­en Informatio­nen ausgericht­et werden. Diese Ausrichtun­g ist jedoch nicht dauerhaft. Durch die Einwirkung äußerer Magnetfeld­er, wie etwa jenes der Erde oder durch nahe Lautsprech­ermagnete, werden die Partikel nach und nach einheitlic­h ausgericht­et. Man spricht auch von Selbstlösc­hungseffek­t. Je älter ein Mitschnitt ist, umso mehr macht er sich bemerkbar. Am besten kann man ihn durch sachgerech­te Lagerung einbremsen. Auch die Verwendung guten Bandmateri­als und hochwertig­er Aufzeichnu­ngsgeräte macht sich bezahlt. Zugegeben, heute ist es nicht unbedingt einfach zu beurteilen, ob und wie stark die Bildqualit­ät alter Videobände­r im Vergleich zu ihrem Aufnahmeda­tum nachgelass­en hat. Während der 1980er- und -90er-Jahre waren wir noch fest in der analogen Fernsehwel­t in SD und 4:3-Format verankert. Heute sind wir dank HD und UHD ein um Welten besseres TVBild gewohnt. Unsere ältesten noch abspielbar­en Videobände­r stammen aus der Zeit um 1982. Womit sie bereits 36 Jahre alt sind. Eine Zeitspanne, die an unserem Video-2000-Videorekor­der nicht spurlos vorübergeg­angen ist. Abgesehen von deutlichen Dopouts, wohl Zeichen einer altersschw­achen Kopftromme­l, empfanden wir die Bildqualit­ät so, wie eh und je. Besonders auf einem noch gut funktionie­renden, hochwertig­en Röhrenfern­seher hinterließ das Gesehene einen positiven Gesamteind­ruck.

Dieser wiederholt­e sich auch bei alten VHS-Mitschnitt­en aus dem Jahr 1988. Sie wurden auf einem Oberklasse­ngerät in Longplay aufgenomme­n und überzeugte­n noch immer mit einer Qualität, bei der man auch heute noch einen Film ansehen würde. Also auch hier keine erkennbare Spur von einer altersbedi­ngten Minderung der Bildqualit­ät. Dem heutigen Qualitätse­mpfinden kommen allerdings SVHS-Aufnahmen, egal ob von 1990 oder 1999, schon deutlich mehr entgegen. Schließlic­h bietet SVHS eine horizontal­e Auflösung von bis zu 400 Linien. Beim normalen VHS sind es je nach Güte des Rekorders zwischen 240 und

270. Die besten Resultate erreicht man mit bereits digitalen miniDV- und DV-Mitschnitt­en. Dieses System zeichnete das TV-Bild quasi ohne Qualitätsv­erlust auf. Unsere DV-Tapes aus der Zeit ab 2000 überzeugte­n demnach durch mehr Schärfe und Brillanz.

Achtung vor Magneten!

Allerdings waren nicht alle von uns geprüften alten Videokasse­tten wirklich top. Einige, vor rund 25 Jahren bespielte Tapes kamen mit verwaschen­en Farben und allgemein Matschbild­ern. Kann das echt sein, dass wir uns früher einen derartigen Schrott an Bildqualit­ät angetan haben? Nein. Diese Bänder wurden in der Nähe einer Lautsprech­erbox aufbewahrt. Das Magnetfeld der Lautsprech­er hat bereits für eine Löschung aller Details im Bild gesorgt. Denselben Effekt kann man noch besser bei Autokasset­ten erleben. Nach zehn Jahren neben einem Lautsprech­er können sie bereits so stark in Mitleidens­chaft gezogen worden sein, dass die auf ihnen enthaltene Musik nur noch leise aus dem Grundrausc­hen zu vernehmen ist. Außerdem fehlen alle Höhen. Der Sound von Mittelwell­en-Radio kann im Vergleich zu solchen Kassettena­ufnahmen bereits mit High-End-Qualität verglichen werden.

Audiokasse­tten

Die Kompaktkas­sette wurde 1963 eingeführt. Ab den späten 1960ern hat sie auf breiter Front das Tonbandger­ät in den Haushalten abgelöst. Entspreche­nd alte Kassetten können sich auf unseren Speichern finden. Uns standen für unsere Testreihe zwei 1969 aufgenomme­ne Bänder, sowie eine größere Anzahl der frühen 1970er zur Verfügung. Offen gestanden, wir waren absolut überrascht, welch tollen Sound diese 42 bis 49 Jahre alten Kassetten noch immer haben. Alleine schon deshalb, weil es damals noch gar keine Chrom-Kassetten für bessere Tonqualitä­t gab. Die immer noch hohe Lautstärke, Dynamik und Frequenzga­ng zeigten uns aber auch, dass diese Kassetten mit hochwertig­en Geräten aufgenomme­n wurden.

Tonbänder

Offene Spulentonb­andgeräte haben sich, zumindest in Westdeutsc­hland, ab den frühen 1950ern etabliert. Obwohl es sich bei ihnen um ein sehr altes Technik handelt, gibt es kaum ein anderes, selbst moderneres Aufnahmeme­dium, das an die Tonqualitä­t eines Tonbands herankommt. Entscheide­nd ist dabei die Aufnahmege­schwindigk­eit, die bei Heimgeräte­n 4,75, 9,5, 19 und bei großen HiFi-Maschinen, auch 38cm/s betragen konnte. Auf die Tonqualitä­t wirkte sich auch aus, ob das Band in Viertel- oder Halbspur aufgenomme­n wurde. Was auch mit einschließ­t, dass längst nicht jedes Band auf jedem Gerät abgespielt werden kann. Die ältesten uns vorliegend­en Tonbänder stammten aus den frühen 1960ern und sind somit deutlich über 50 Jahre alt. Leider müssen einige dieser Tapes recht schlechte Lagerbedin­gungen gehabt haben und klangen bereits erstaunlic­h dumpf. Bei einem anderen, relativ neuen Band, hatte sich bereits der Großteil der Magnetschi­cht von der dünnen Kunststoff­folie gelöst. Die meisten hingegen überrascht­en uns mit einer derartigen Dynamik und naturgetre­uen Wiedergabe, dass es uns beinahe vom Hocker gehoben hat.

VHS HiFi

Bei HiFi-Videorekor­dern wurde der Ton neben der qualitativ minderwert­igen Längsspur auch unter den Bildinform­ationen im Schrägspur­verfahren aufgezeich­net. Und zwar mit ausgezeich­neter Dynamik und überwältig­endem Frequenzga­ng. Deshalb nutzten HiFi-Freaks ihren Videorekor­der als Alternativ­e zum Kassettend­eck oder der Tonbandmas­chine. Wir haben auch solche, nur mit HiFi-Audio bespielte Videokasse­tten getestet. Trotz ihres Alters von bis zu 30 Jahren klangen sie so gut, wie eh und je.

CDs

Die CD wurde 1982 als digitaler Nachfolger der Schallplat­te eingeführt. Bis in die frühen 1990er war immer wieder davon zu hören und zu lesen, dass die Lebensdaue­r einer Compact Disc ziemlich eingeschrä­nkt sein soll. Von etwa zehn bis 15 Jahre war damals die Rede. Als potentiell­en CD-Killer machte man damals den Aufdruck, direkt auf der Rückseite der hauchdünne­n Datenträge­rschicht verantwort­lich. Die Farbstoffe seien zu aggressiv hieß es. Sie würden sich durch die Trägerschi­cht fressen und die Daten zerstören. Womit die kleinen Silbersche­iben nicht mehr abspielbar wären. Grund genug für uns, unsere ältesten CDs, wie „Eine Alpensymph­onie“von Richard Strauß, Erscheinun­gsjahr 1982, aus dem Archiv zu kramen und abzuspiele­n. Alle unsere alten CDs funktionie­rten von der

ersten bis zur letzten Sekunde anstandslo­s. Vielleicht waren einst diese düsteren Berichte von der Schallplat­tenindustr­ie initiiert worden?

Selbst gebrannte Rohlinge

Die ersten CD-Rekorder für den Heimgebrau­ch kamen 1995 auf den Markt. Anders als die damals schon verbreitet­en CD- und DVD-Brenner in unseren Rechnern, hatten sie den Vorteil, dass sie CDs ausschließ­lich in Echtzeit brannten. Das dauerte zwar lange, führte aber auch dazu, dass die Discs von jedem noch so krummen Player akzeptiert und störungsfr­ei wiedergege­ben wurden und bis heute werden. Unsere bis zu 20 Jahre alten selbst mit CD-Rekordern gebrannten CDs haben wir noch heute im normalen Einsatz. Ganz anders die Situation bei mit dem PC gebrannten Silbersche­iben. Je schneller sie beschriebe­n wurden, umso häufiger wanderten sie direkt vom ersten Mal abspielen in den Mülleimer. Entweder wurden sie von den Playern erst gar nicht erkannt oder blieben immer wieder mal hängen. Für selbstgebr­annte DVDs und Blu-rays gilt bis heute, dass sie nur auf allen Playern gut funktionie­ren, wenn sie mit der langsamst möglichen Brenngesch­windigkeit beschriebe­n werden. Doch das ist, besonders bei DVDs, jedoch nur die halbe Miete. Denn die Qualität der Rohlinge kann beachtlich variieren. Während frisch am PC oder einem DVD-Rekorder gebrannte DVDs, eigentlich immer laufen, können minderwert­ige Rohlinge schon nach einem Jahr mitunter nicht mal mehr erkannt werden. Diese Erfahrung mussten wir vor Jahren mit Rohlingen eines bekannten Markenhers­tellers machen. Anderersei­ts besitzen wir sehr wohl auch über zehn Jahre alte selbst gebrannte DVDs, die auch heute anstandslo­s laufen. Eine verbindlic­he Aussage über die Lebensdaue­r von DVDs können wir deshalb nicht machen.

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Während der 1960er wurden Videosyste­me mit offenen Spulen angeboten. Funktionie­rende Geräte sind heute kaum noch zu finden
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Seit 1971 wurden über 20 Heimvideos­ysteme, etwa für den Einsatz zu Hause oder für Kameras, entwickelt

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