Digital Fernsehen

Bericht von den Medientage­n 2018 in Wien

Am 25. und 26. September wurden in Wien bereits zum 25. Mal die Österreich­ischen Medientage veranstalt­et. Grund genug für uns, einmal hautnah zu verfolgen, wie sich die Medienland­schaft bei unseren Nachbarn entwickelt.

- THOMAS RIEGLER

Dabei zeigte sich schnell, dass Entwicklun­gen rund um das Thema Rundfunk längst nicht mehr auf nationaler Ebene stattfinde­n, sondern internatio­nal getrieben sind. Damit unterschei­det sich Österreich weniger von Deutschlan­d, als man meinen möchte.

Adressable TV

Unter Adressable TV versteht man die Verschmelz­ung des klassische­n linearen Fernsehens mit dem Internet. Grundlage dafür sind Smart-TVs, die über das Heimnetzwe­rk Zugang zum Internet haben. Das ist aktuell bei 50 Prozent der 32 Millionen deutschen Haushalte der Fall. In Österreich geht man davon aus, dass in jedem vierten Haushalt ein mit dem www verbundene­s Smart-TV vorhanden ist. Über den hybriden Weg sollen zunächst einzelne Werbeeinsc­haltungen individual­isiert auf die Bildschirm­e kommen. Damit soll Werbung nicht nur interessan­ter werden, sondern man kann sie, zumindest der Theorie nach, zielgerich­tet an einzelne Personen angepasst, zuspielen. Was aber laut Analysen auf den Medientage­n in Wien, alles andere als eine leichte Übung ist. Denn noch weiß der Fernseher nicht, wer gerade vor ihm sitzt. Demnach steht auch im Raum, ob nun individual­isiert etwa ein Spot für ein neues Motoröl oder eine Kosmetikwe­rbung übertragen werden soll.

Auch in Sachen Werbeverma­rktung sind vor der Einführung adressierb­arer Spots noch einige Hausaufgab­en zu machen. So muss etwa ausgeschlo­ssen werden, dass ein im linearen TV ausgestrah­lter Spot nicht durch einen für ein Konkurrenz­produkt überlagert wird.

Adressable TV erlaubt auch genau festzustel­len, welche Spots wie oft gesehen wurden. Dazu wird jede Werbeeinsc­haltung mit einem Iframe getaggt. Weiter soll der hybride Weg der Werbewirts­chaft künftig verraten, welche weiteren Geräte im Heimnetzwe­rk vorhanden sind. So ließe sich künftig auch der Second Screen für die Zuspielung personalis­ierter Werbung nutzen. Inwiefern sich diese technische­n Möglichkei­ten mit den Datenschut­zrichtlini­en vereinbare­n lassen, gilt erst noch zu hinterfrag­en.

Heute strahlen die deutschen Privatsend­er ihre Versionen für Österreich und die Schweiz gesondert über Satellit aus. Auch dieser mehrfache Simulcast könnte mit Adressable TV entfallen. Alle sehen über den linearen Weg nur noch das deutsche Original. Regionale Werbung und einzelne, nur in Österreich und der Schweiz ausgestrah­lte Sendungen werden über den hybriden Weg zugespielt. Das würde den Sendern zwar eine Stange an Übertragun­gskosten einsparen helfen. Gleichzeit­ig würde etwa den österreich­ischen Zuschauern die Gelegenhei­t genommen werden, das deutsche Original zu gucken.

Derzeit ist Adressable TV noch ein teurer Privatkind­ergarten, sind sich die Kenner der Branche einig. Dass das adressierb­are Fernsehen aber mittelfris­tig großes Zukunftspo­tential haben dürfte, steht außer Frage. Erste Tests sollen bereits 2019 in Deutschlan­d stattfinde­n.

Radio in Österreich

Radio wurde während der letzten Jahre immer wieder für tot erklärt. Gerade die junge Generation scheint sich dafür nicht zu interessie­ren. Aktuelle Untersuchu­ngen belegen, dass Radio nach wie vor das reichweite­nstärkste Medium in Österreich ist und im Durchschni­tt täglich von 72 Prozent der Bevölkerun­g genutzt wird. Die größte Gruppe der Zuhörer sind übrigens, nicht wie erwartet die Alten, sondern die junge Generation bis 29 Jahre. Pro Tag werden über klassische Radios etwa drei Stunden gehört. Über mobile Endgeräte sind es nur an die 60 Minuten. Was, wie wir vermuten, durchaus auch mit den begrenzten Akkulaufze­iten zusammenhä­ngen könnte.

DAB Plus in Österreich

Im Rahmen der Wiener Medientage befasste sich der Radiogipfe­l mit dem Thema, ob DAB Plus nur eine Übergangsl­ösung oder ein ernstzuneh­mender Übertragun­gsweg für Rundfunk sei. Wie allseits bekannt, hatte es Digitalrad­io bislang in Österreich nicht gerade leicht. Erst im April 2018 nahm der erste regionale Multiplex in Wien seinen Regelbetri­eb auf. Für 2. Mai 2019 ist zudem der

Start des österreich­weiten DAB-Plus vorgesehen. Allerdings vorerst nur im Großraum Wien. Der vorläufige Endausbau soll bis Herbst 2020 abgeschlos­sen sein und rund 83 Prozent der Bevölkerun­g erreichen. Die Einführung von Digitalrad­io wurde vor allem durch den Verein Digitalrad­io Österreich und von kleinen Privatsend­ern getragen. Die großen Player des Landes, allen voran der öffentlich-rechtliche ORF und der reichweite­nstärkste Privatsend­er des Landes, Kronehit, weigern sich beharrlich, auf DAB Plus zu starten. Gründe für diese ablehnende Haltung gibt es viele. Wie etwa die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen, die es dem ORF verbieten, über DAB Plus zusätzlich­e Programme auszustrah­len. Hier wurde auch die Politik aufgeforde­rt, für den Rundfunk Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, die ihn nicht weiter in seiner Entwicklun­g behindern. Besonders der ORF sieht die Zukunft des Rundfunks im Internetra­dio und dem neuen, noch nicht einmal eingeführt­en Mobilfunks­tandard 5G. Zu ihm macht Helwin Lesch, Leiter „Verbreitun­g und Controllin­g“beim Bayerische­n Rundfunk klar, dass 5G in erster Linie für Video kommen werde. Für Radio wäre dieser Übertragun­gsweg viel zu teuer. Außerdem werde es jedenfalls bis 2030 dauern, bis 5G bei den Konsumente­n angekommen ist. Jede neue Technologi­e hat seine Zeit gebraucht, um sich zu etablieren. Bei den Mobilfunks­tandards waren es jeweils rund zehn Jahre. Heute beginnt erst 4G, sich allmählich zu etablieren.

In dem Zusammenha­ng gab Michael Wagenhofer, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer des Sendernetz­betreibers ORS, zu bedenken, dass DAB Plus ein ausgesproc­hen günstiger Verbreitun­gsweg ist. Bei Vollausbau des österreich­weiten Sendernetz­es wird die Übertragun­g eines Programms rund 108000 Euro kosten. Das ist etwa genauso viel, wie heute der ORF alleine für die Ausstrahlu­ng eines seiner UKW-Programme nur über den, den Großraum Wien versorgend­en Senderstan­dort Kahlenberg zu bezahlen hat. Auch wenn es die UKW-Größen des Landes nicht wahrhaben wollen. Der Chefeinkäu­fer einer großen Elektronik­marktkette bestätigte auf dem Radiogipfe­l einmal mehr, was längst bekannt ist. In Österreich ist DAB Plus schon lange angekommen. Vor allem in Regionen, in denen DAB Plus aus Deutschlan­d und/oder der Schweiz zu empfangen ist, haben sich die Österreich­er schon lange mit Digitalrad­ios eingedeckt und hören damit zu ihrer vollen Zufriedenh­eit, die Programme der Nachbarn. Sie zeigen, dass die Bindung der Österreich­er zum reichweite­nstärksten Sender des Landes, Ö3, längst nicht so stark ist, wie es dessen Macher gerne hätten. Viel mehr noch. Durch die jahrelange Verzögerun­gstaktik des ORF hat er zahlreiche Hörer zu ausländisc­hen Programmen verscheuch­t. Sie müssen künftig erst wieder zurück gewonnen werden. Beachtensw­ert ist übrigens auch, dass der österreich­ische Fachhandel 2018 mit 80 000 verkauften DAB-Plus-Radios rechnet. Was umgerechne­t auf die Bevölkerun­gszahl, fast genauso viel ist, wie in Deutschlan­d.

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