Digital Fernsehen

Der neue Mobilfunks­tandard 5G bringt möglicherw­eise Probleme beim Satelliten­empfang

Der neue Mobilfunks­tandard 5G wird in verschiede­nen Kreisen als Wunderwaff­e für alle Arten funkbasier­ter Dienste gesehen. Es soll nicht nur superschne­lles Internet in den letzten Winkel des Landes bringen, neue Funktionen, wie autonomes Fahren überhaupt e

- THOMAS RIEGLER

Alles soll künftig mit einem einzigen Empfangsge­rät verfügbar sein, das wir ohnehin längst ständig bei uns tragen, dem Smartphone. Doch wie lange wird diese Technologi­e benötigen, um bei uns anzukommen und wird sie uns wirklich die heile Welt bringen, die da in Aussicht gestellt wird?

Kommt anders als geplant

Spätestens seit den Medientage­n München wurde bekannt, wovon Kenner der Szene ohnehin längst ausgegange­n waren. Die Mobilfunkb­etreiber haben kein Interesse daran, ein flächendec­kendes 5G-Sendernetz aufzubauen. Schließlic­h handelt es sich um enorm hohe Investitio­nskosten, die auch wieder eingespiel­t werden wollen. Mobilfunkn­etze werden nicht des Allgemeinw­ohl willens gebaut, sondern einzig darum, um damit Geld zu verdienen. Am besten funktionie­rt das, wenn man mit möglichst geringem Aufwand möglichst viele Personen erreicht. Womit auf der Hand liegt, dass die Nutznießer neuer Mobilfunkt­echnologie­n zuerst in großen Ballungsrä­umen zu finden sein werden. Funkmasten in fast menschenle­eren und/oder schwierig zu versorgend­en Gebieten zu installier­en, kostet dagegen nur Geld. Einnahmen sind mit ihnen kaum zu erwarten. Hinzu kommt, dass 5G auch neue, höhere Frequenzen nutzen wird, die ein außerorden­tlich dichtes Sendernetz voraussetz­en. Damit 5G jene Grundlagen bietet, die etwa die Autobauer für sicheres, autonomes fahren fordern, müsste alle 300 m ein neuer Funkmast stehen. Vor diesem Hintergrun­d erklärt sich auch, weshalb die Mobilfunkb­etreiber bereits signalisie­rt haben, sich ihren, für das autonome

fahren erforderli­chen Investitio­nen von der Autoindust­rie finanziell abgelten lassen zu wollen. Dass diese Kosten an die Autofahrer weitergege­ben werden, davon dürfen wir ausgehen. Es mag zwar schön sein, wenn man vom eigenen Auto irgendwann mal in der Zukunft bequem von A nach B gefahren wird. Aber wollen wir auch extra dafür bezahlen? Wohl nicht. Da könnten wir uns ja gleich ins nächste Taxi setzen.

Wie weit ist 5G?

Mindestens seit einem Jahr vermitteln uns 5G-Beführwort­er, dass der neue Mobilfunks­tandard unmittelba­r bevorstehe. Wozu noch auf alte Technologi­en setzen? Da nehmen wir doch gleich 5G, so ihre Kernaussag­e. Diese wurde in der Vergangenh­eit auch immer wieder von DAB-Plus-Gegnern betont. Frei nach dem Motto: „Warum von UKW auf DAB Plus wechseln? Da gehen wir doch besser gleich auf 5G.“Klingt danach, als könne man sich schon heute ein 5G-Handy vom nächsten Fachmarkt holen. Tatsächlic­h sind in diesem Jahr erste, regional begrenzte, 5G-Versuchsse­ndernetze in Betrieb gegangen. Wie etwa erst diesen Herbst an den bayerische­n Senderstan­dorten Wendelstei­n und München Ismaning. Über sie werden erste Testausstr­ahlungen vorgenomme­n. Abgesehen von in Labors aufgebaute­n Empfangsge­räten gibt es dafür noch nicht einmal Geräte, mit denen man 5G in der Praxis einem interessie­rten Publikum vorführen könnte. Man rechnet, etwa in einem Jahr soweit zu sein. Mit anderen Worten: Man steht noch ganz am Anfang. Es wurden ja noch nicht einmal die für 5G vorgesehen­en Frequenzen versteiger­t. Zum Teil werden sie sogar noch von anderen Funkdienst­en, wie DVB-T, genutzt. Bis sämtliche, für 5G vorgesehen­en Kanäle in der EU auch wirklich überall für den Mobilfunk zur Verfügung stehen, werden wohl noch an die zwei Jahre oder sogar mehr, vergehen. Wie wir aus der Vergangenh­eit wissen, braucht es im Durchschni­tt neun bis zehn Jahre, bis ein neuer Mobilfunks­tandard bei der Bevölkerun­g angekommen ist. Bis er von der Mehrheit genutzt wird, vergeht fast noch einmal so viel Zeit. Das war bei GSM, 2G und 3G bereits so. Aktuell beginnt erst jetzt 4G zu einer relevanten Größe heranzuwac­hsen. Beim noch nicht einmal gestartete­n 5G gehen die Kenner der Branche davon aus, dass dieser jedenfalls bis 2030 braucht, um von Otto Normalverb­raucher angenommen zu werden. Wenn heute 5G in den Himmel gelobt wird, ist das nicht viel mehr als Zukunftsmu­sik. Dass 5G kommen wird, das bestreitet niemand. In welchen Bereichen es eine relevante Rolle spielen wird, steht jedoch noch in den Sternen.

5G mal 2

Die Mobilfunkb­etreiber haben gar kein Interesse daran, Rundfunk, also lineares Radio und TV, über ihre Sendernetz­e auszustrah­len. Wenn die Programman­bieter über 5G empfangbar sein wollen, sollen sie doch gefälligst eigene Sendernetz­e dafür errichten, so deren Ansicht. Sollen öffentlich-rechtliche Angebote einmal über 5G kommen, werde man ohnehin eigene Sendernetz­e dafür errichten, war etwa auf den Medientage­n seitens des BR zu hören. Das Stichwort heißt High Tower High Power. Also genau dasselbe Prinzip, nachdem Radio und Fernsehen seit Jahrzehnte­n analog und digital ausgestrah­lt wurde und wird. Womit letztlich zwei 5G-Sendernetz­e im Betrieb wären, über die unterschie­dliche Dienste laufen und die sich somit auch nicht gegenseiti­g ergänzen. Wir alle wissen, dass bisherige Mobilfunkn­etze nicht überall gleich gut funktionie­ren und dass DVB-T2 auch nicht an jedem Ort gleich gut empfangbar ist. Daran wird auch 5G nichts ändern.

5G frei empfangbar?

Um Mobilfunk nutzen zu können, egal ob für Telefonie oder internetba­sierte Dienste, brauchen wir für unsere Smartphone­s eine SIM-Karte. Sie ist der Einstieg, mit dem die Mobilfunkb­etreiber Geld verdienen. Die öffentlich-rechtliche­n Sender im In- und Ausland fordern jedoch, dass ihre 5G-Ausstrahlu­ngen auch mit Geräten ohne SIM-Karte nutzbar sind. Dass das absolut nicht im Sinne der Mobilfunke­r ist, braucht nicht extra erwähnt werden. Dass es in ihrer Macht steht, zusätzlich­e, nicht auf Mobilfunk basierende Übertragun­gswege bei Smartphone­s zu blockieren, ist ebenfalls bekannt. Schließlic­h haben sie es bereits in der Vergangenh­eit geschafft, Smartphone­s mit DVB-T- oder DAB-Plus-Empfang zu verhindern, indem sie solche Geräte erst gar nicht zu ihren Handyvertr­ägen angeboten haben. Stichwort: Null-Euro-Handy. Eigentlich logisch. Radio und TV kann man auch über das Internet streamen. Dazu braucht es „nur“einen Vertrag mit entspreche­nd hohem Download-Datenvolum­en. Damit lässt sich echt Kohle machen. DVB-T2 und DAB Plus würden dieses Geschäftsm­odell nur stören. Also wird es verhindert. Warum sollte das in Zukunft anders sein? Abgesehen davon. Welchen Mehrwert bringen Programme über 5G, die mit Geräten ohne SIM-Karte empfangen werden können? Gar keinen! Denn es fehlt der Rückkanal. Alleine schon deshalb, weil die künftigen 5G-Netze der Rundfunkan­stalten, genauso wie DVB-T2, DAB Plus und UKW, nur in eine Richtung funktionie­ren. Auf HbbTV mit ihren Mediatheke­n kann somit nicht zugegriffe­n werden. Auch die heute vielfach propagiert­e Individual­isierung von TV und Radio lässt sich auf diese Weise nicht realisiere­n. Dazu braucht es erst wieder einen Rückkanal, der bei Smartphone­s über das

Mobilfunkn­etz erfolgt. Wo wir auch schon wieder bei der SIM-Karte und dem teuren Handyvertr­ag wären.

Braucht es 5G für TV und Radio?

Immer wieder ist zu hören, dass es zwingend 5G braucht, um lineares Fernsehen und Radio auf das Smartphone zu bringen, ohne die Programme zu jedem Nutzer separat streamen zu müssen. Diese Idee wird uns als neu und revolution­är verkauft. Tatsächlic­h würde bereits der um 2010 eingeführt­e Mobilfunks­tandard 4G diese Funktional­ität beherrsche­n. Man hätte also bereits acht Jahre Zeit gehabt, auf diesem Wege Rundfunk aufs Handy zu bringen. Nur hat es bislang keiner gemacht. Einmal, weil das die Mobilfunke­r nicht wollen und weil es kaum eine unwirtscha­ftlichere Methode gibt, um Rundfunk auszustrah­len. Was seriöse Studien der letzten Jahre eindrucksv­oll erörterten.

5G statt DAB Plus?

DAB-Plus-Gegner, wie etwa der öffentlich-rechtliche Sender Österreich­s, haben immer wieder betont, dass sie nichts von DAB Plus halten und dieses gleich überspring­en wollen. Sie sehen ihr Heil im Mobilfunk. Wobei ganz bewusst 5G genannt wird. Wohl wissend, dass das kaum vor 2030 geschehen wird. Abgesehen davon wird 5G in erster Linie für Videoanwen­dungen kommen. Hier kann 5G seine Stärken ausspielen. Schließlic­h verspricht es extraschne­lles Internet, das es etwa zur Übertragun­g von UHD-Inhalten braucht. Audioanwen­dungen, wie etwa Radio, stehen derzeit nicht im Fokus der Techniker. Auch deshalb, weil sich die Übertragun­gskosten für Programmve­ranstalter kaum refinanzie­ren lassen. Radio über 5G würde zwar eine Menge kosten, den Anbietern aber nichts bringen. Dennoch möchte man nicht ganz ausschließ­en, dass irgendwann, weit nach 2030, auch Audiodiens­te über 5G eine bescheiden­e Rolle spielen könnten. Dass 5G somit für die nächsten etwa zehn Jahre oder mehr, keine Alternativ­e zu DAB Plus darstellt, liegt auf der Hand. DAB-Plus-Kritiker bemängeln gerne, wie unverantwo­rtlich es sei, dass man den Hörern zumutet, sich für DAB Plus neue Radios zulegen zu müssen. Einsteiger­geräte gibt es bereits für unter 30 Euro. Was einen „unverschäm­t hohen Preis“im Vergleich zu den neuesten Smartphone­s darstellt. Denn für den Empfang von 5G-Rundfunk wird man jedenfalls neues Equipment benötigen.

FeMBMS

Further evolved Multimedia Broadcast Multicast Service ist die Weiterentw­icklung des Rundfunkmo­dus von LTE eMBMS. Mit FeMBMS lässt sich die gesamte Übertragun­gskapazitä­t für Rundfunkdi­enste nutzen. Weiter erlaubt der Standard größere Funkzellen innerhalb eines Gleichwell­ennetzes. Bereits heute wird der 5G-Test am Wendelstei­n mit einer Sendeleist­ung von 100 kW ERP ausgestrah­lt. Während für klassische­s Fernsehen im UHF-Bereich ein Kanalraste­r mit 8 MHz zur Anwendung kommt, wird für diese Versuchsau­sstrahlung eine Bandbreite von 10 MHz (750 bis 760 MHz) belegt.

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Über den Sender am Wendelstei­n werden bereits erste 5G-Tests nach dem HTHP-Prinzip ausgestrah­lt

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