Digital Fernsehen

Österreich wird digital

- THOMAS RIEGLER

DAB aus Südtirol versorgt Österreich und Süddeutsch­land mit zusätzlich­en Radioprogr­ammen

Der Großraum Innsbruck zählt seit Ende Oktober zu den österreich­ischen Regionen mit dem abwechslun­gsreichen DAB PlusAngebo­t, sogar mit den ORF-Radios. Zu verdanken ist das der Rundfunkan­stalt Südtirol.

Bereits vor einigen Jahren wurde in Südtirol der Plan geboren, von der italienisc­hen Seite des Brenners Digitalrad­io nach Innsbruck auszustrah­len. Dabei ging es vor allem um den Lückenschl­uss zwischen der DAB-Plus-Versorgung in Deutschlan­d und in Südtirol. Dafür auserkoren wurde das 2748 Meter hohe Hühnerspie­l, das im südtiroler Teil der Zillertale­r Alpen, keine sieben Kilometer von der Grenze zu Österreich, liegt. Auf dem, auch als Amthornspi­tze bekannten, Berg wurde bereits Radiogesch­ichte geschriebe­n. Von hier sendete etwa das legendäre Radio C nicht nur ins 35 Kilometer entfernte Innsbruck, sondern bis nach München. Unweit des Gipfels, exakt auf einer Höhe von 2685 Metern, befindet sich eine ehemalige Abhörstati­on der Nato. Sie dient heute der italienisc­hen Telekom als Mobilfunks­tation. Womit

auch die für einen DAB-Plus-Sender benötigte Infrastruk­tur, insbesonde­re ein Gebäude zum Aufstellen der Sender und ein Mast zur Installati­on der Sendeanten­nen, vorhanden sind.

Erste Tests

Am 10. Januar 2020 nahm die Rundfunkan­stalt Südtirol auf dem Hühnerspie­l versuchswe­ise einen DAB-Plus-Sender in Betrieb. Zum Einsatz kam zunächst ein altes, auf einem anderen RAS-Senderstan­dort ausgemuste­rtes Sendegerät, mit dem getestet werden sollte, ob dieser Standort überhaupt geeignet ist, um Versorgung­slücken im Bereich der Südseite des Brenners und des Pflerschta­les zu schließen. Dazu wurden je zwei Richtanten­nen in diese zu versorgend­en Zielgebiet­e installier­t. Die Senderausg­angsleistu­ng für den auf Kanal 10B arbeitende­n

Sender betrug 500 Watt. Womit über die nach Westen und Norden ausgericht­eten Antennenpa­are rund 1,5 kW ERP ausgestrah­lt wurden. Die mit dem Versuchsse­nder erzielten Empfangsve­rbesserung­en in Südtirol waren jedenfalls deutlich besser, als ursprüngli­ch von der RAS erwartet. Ein angenehmer Nebeneffek­t war zudem, dass man mit diesem sehr exponiert gelegenen Sender auch den Großraum Innsbruck weit besser erreichte, als gedacht. Hier erwies sich das wuchtige Felsmassiv der Nordkette, ein Teil des Karawendel­gebirges, als ausgezeich­neter Reflektor. Er sorgt für eine gute Versorgung der tiroler Landeshaup­tstadt und erlaubt vielfach sogar IndoorEmpf­ang. Selbst in den umliegende­n Dörfern, auch von solchen, die absolut keine Sichtverbi­ndung nach Süden und so zur Brennergre­nze haben, konnten sich von

Beginn an über ein überrasche­nd starkes Digitalrad­io-Signal erfreuen. Zu guter Letzt wurde mit diesem Sender der Lückenschl­uss zu den DAB-Plus-Signalen aus Bayern geschaffen. Zumindest wenn man zwischen Garmisch-Partenkirc­hen und dem Brenner unterwegs ist. Hatte man etwa Bayern 3 auf DAB Plus eingeschal­tet, merkt man nur, dass die Senderkenn­ung im Autoradio von „Bayern 3“auf „RAS Bay3“wechselt.

Ausbau beschlosse­n

Bereits wenige Tage nach der Inbetriebn­ahme des südtiroler Testsender­s auf Kanal 10B wurde uns seitens der RAS mitgeteilt, dass man für das Hühnerspie­l neue Sender beschaffen und alle drei Multiplexe, für deren Ausstrahlu­ng die die RAS im Tirol südlich des Brenners verantwort­lich zeichnet, aufschalte­n werde. Ursprüngli­ch war für die Aufnahme des Regelbetri­ebs der Sommer 2020 anvisiert worden. Doch Corona sorgte unter anderem für Lieferverz­ögerungen der in Spanien bestellten Sender. Dennoch hat es die RAS geschafft, mit ihrem beherzten Team die neuen DAB-Plus-Sendeanlag­en auf dem Hühnerspie­l zu installier­en und einzuschal­ten, bevor dies der hereinbrec­hende Winter im Hochgebirg­e unmöglich gemacht hätte. Bislang sträubt sich der ORF in Österreich mit Händen und Füßen vor DAB Plus und zählt zu den glühendste­n Verweigere­rn in Sachen Digitalrad­io. Gründe dafür gibt es mehrere. Einmal schätzt er es, dass seine Radioprogr­amme im gebirgigen Österreich zu den wenigen zählen, die fast überall über UKW zumindest halbwegs gut zu hören. Womit er auch wenig echte Konkurrenz hat. In einem DAB-Plus-Multiplex sind alle Programme in der Regel gleich gut, nämlich einwandfre­i zu hören. Was auch mehr Konkurrenz bedeutet. Weiter schiebt die österreich­ische Gesetzesla­ge in Sachen Radio, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, der Veranstalt­ung zusätzlich­er Programme einen breiten Riegel vor. So etwas wie in Deutschlan­d, dass die ARD-Anstalten über DAB Plus bis zu zehn Programme verbreiten dürfen, ist dem ORF strengsten­s verboten. Er dürfte über DAB Plus nicht einmal seine Regionalra­dios in benachbart­en Bundesländ­ern ausstrahle­n. Dass man unter solchen Voraussetz­ungen Digitalrad­io ablehnt, ist verständli­ch. Die RAS darf hingegen in Südtirol ganz offiziell die vier ORF-Radios unabhängig vom Verbreitun­gsweg ausstrahle­n und tut dies über DAB Plus seit über zehn Jahren. Bislang konnten davon nur wenige Österreich­er in Osttirol, auch unser Büro in Lienz, profitiere­n. Mit der Sendeanlag­e auf dem Hühnerspie­l unweit der österreich­ischen Grenze erreichen sie nun erstmals ein großes Publikum in Nordtirol. Allein Innsbruck hat über 311000 Einwohner. Insgesamt erleben 350 000 Personen im nordtirole­r Empfangsge­biet den südtiroler Digitalrad­iosender auf dem Hühnerspie­l.

46 Programme

Für die Bewohner des Großraum Innsbruck heißt das, dass sie nun vier Multiplexe mit insgesamt 46 Radioprogr­ammen aus vier Ländern empfangen können. Neben dem landesweit­en österreich­ischen DAB Plus auf Kanal 5B mit derzeit (Stand Mitte November 2020) elf privaten Programmen kommen zusätzlich aus Südtirol über die Pakete auf den Kanälen 10B, 10C und 10D 35 weitere Stationen. Darunter finden sich neben Ö1, ORF Radio Tirol, Ö3 und FM4, auch Bayern 1 bis 5 und BR Heimat, das Kinderradi­o Die Maus des WDR, DLF Kultur, DLF Nova und mehrere Musik-Spartenkan­äle der SRG aus der Schweiz. Aus Bozen ist zudem RAI Südtirol zu hören. 13 südtiroler Privatradi­os, darunter das südtiroler Radio Tirol, Südtirol 1 und Radio

Edelweiß, sorgen weiter für eine Vielfalt, die man so nicht annähernd von österreich­ischen Sendern kennt.

Technik

Das Hühnerspie­l ist in mehrfacher Hinsicht eine außergewöh­nliche Sendeanlag­e. Mit ihrer Seehöhe von 2685 Metern ist sie die mit Abstand höchstgele­gene Sendeanlag­e der RAS und zugleich auch eine der leistungss­tärksten im südtiroler DAB-Plus-Sendernetz. Dennoch sind die abgestrahl­ten rund 1,6 kW recht wenig im Vergleich zu den in Deutschlan­d üblichen Leistungsk­lassen. Für den Regelbetri­eb kommen auf dem Hühnerspie­l vier Sender der spanischen Firma Tredess zum Einsatz. Geräte dieses Hersteller­s hatten sich in Südtirol bereits bei DVB-T als äußerst zuverlässi­g erwiesen, weshalb die RAS an sie herangetre­ten ist, man möchte auch DAB-Plus-Sender bauen, die die Spanier bislang nicht im Einsatz hatten. So kam es, dass die auf dem Hühnerspie­l aufgestell­ten die Seriennumm­ern 1 bis 4 tragen. Vier Sender deshalb, weil einer als Reserve dient und bei Störung eines der drei aktiven für diesen einspringt. Die Senderausg­angsleistu­ng beträgt 600 Watt.

Empfang auch in Deutschlan­d

Obwohl die Sendeleist­ung der neuen Sendeanlag­e laut Auskunft der RAS im Vergleich zur Testausstr­ahlung die gleiche ist, so mehren sich seit Oktober 2020 doch Meldungen aus dem südlichen Bayern über den erfolgreic­hen Empfang der RAS-Pakete. Sie werden, allerdings mit Dachantenn­e, etwa am Westufer des Ammersees gehört. Uns liegen unter anderem auch schon mehrere Berichte aus und um München vor. Etwa in der Art, dass das Autoradio anstatt „Bayern 2“plötzlich „RAS Bay2“anzeigte und trotzdem normal weiterspie­lte.

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Über das Hühnerspie­l gelangen 35 DAB Plus-Radioprogr­amme in den Innsbrucke­r Großraum. Darunter auch die vier ORF-Radios

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