Österreich wird digital
DAB aus Südtirol versorgt Österreich und Süddeutschland mit zusätzlichen Radioprogrammen
Der Großraum Innsbruck zählt seit Ende Oktober zu den österreichischen Regionen mit dem abwechslungsreichen DAB PlusAngebot, sogar mit den ORF-Radios. Zu verdanken ist das der Rundfunkanstalt Südtirol.
Bereits vor einigen Jahren wurde in Südtirol der Plan geboren, von der italienischen Seite des Brenners Digitalradio nach Innsbruck auszustrahlen. Dabei ging es vor allem um den Lückenschluss zwischen der DAB-Plus-Versorgung in Deutschland und in Südtirol. Dafür auserkoren wurde das 2748 Meter hohe Hühnerspiel, das im südtiroler Teil der Zillertaler Alpen, keine sieben Kilometer von der Grenze zu Österreich, liegt. Auf dem, auch als Amthornspitze bekannten, Berg wurde bereits Radiogeschichte geschrieben. Von hier sendete etwa das legendäre Radio C nicht nur ins 35 Kilometer entfernte Innsbruck, sondern bis nach München. Unweit des Gipfels, exakt auf einer Höhe von 2685 Metern, befindet sich eine ehemalige Abhörstation der Nato. Sie dient heute der italienischen Telekom als Mobilfunkstation. Womit
auch die für einen DAB-Plus-Sender benötigte Infrastruktur, insbesondere ein Gebäude zum Aufstellen der Sender und ein Mast zur Installation der Sendeantennen, vorhanden sind.
Erste Tests
Am 10. Januar 2020 nahm die Rundfunkanstalt Südtirol auf dem Hühnerspiel versuchsweise einen DAB-Plus-Sender in Betrieb. Zum Einsatz kam zunächst ein altes, auf einem anderen RAS-Senderstandort ausgemustertes Sendegerät, mit dem getestet werden sollte, ob dieser Standort überhaupt geeignet ist, um Versorgungslücken im Bereich der Südseite des Brenners und des Pflerschtales zu schließen. Dazu wurden je zwei Richtantennen in diese zu versorgenden Zielgebiete installiert. Die Senderausgangsleistung für den auf Kanal 10B arbeitenden
Sender betrug 500 Watt. Womit über die nach Westen und Norden ausgerichteten Antennenpaare rund 1,5 kW ERP ausgestrahlt wurden. Die mit dem Versuchssender erzielten Empfangsverbesserungen in Südtirol waren jedenfalls deutlich besser, als ursprünglich von der RAS erwartet. Ein angenehmer Nebeneffekt war zudem, dass man mit diesem sehr exponiert gelegenen Sender auch den Großraum Innsbruck weit besser erreichte, als gedacht. Hier erwies sich das wuchtige Felsmassiv der Nordkette, ein Teil des Karawendelgebirges, als ausgezeichneter Reflektor. Er sorgt für eine gute Versorgung der tiroler Landeshauptstadt und erlaubt vielfach sogar IndoorEmpfang. Selbst in den umliegenden Dörfern, auch von solchen, die absolut keine Sichtverbindung nach Süden und so zur Brennergrenze haben, konnten sich von
Beginn an über ein überraschend starkes Digitalradio-Signal erfreuen. Zu guter Letzt wurde mit diesem Sender der Lückenschluss zu den DAB-Plus-Signalen aus Bayern geschaffen. Zumindest wenn man zwischen Garmisch-Partenkirchen und dem Brenner unterwegs ist. Hatte man etwa Bayern 3 auf DAB Plus eingeschaltet, merkt man nur, dass die Senderkennung im Autoradio von „Bayern 3“auf „RAS Bay3“wechselt.
Ausbau beschlossen
Bereits wenige Tage nach der Inbetriebnahme des südtiroler Testsenders auf Kanal 10B wurde uns seitens der RAS mitgeteilt, dass man für das Hühnerspiel neue Sender beschaffen und alle drei Multiplexe, für deren Ausstrahlung die die RAS im Tirol südlich des Brenners verantwortlich zeichnet, aufschalten werde. Ursprünglich war für die Aufnahme des Regelbetriebs der Sommer 2020 anvisiert worden. Doch Corona sorgte unter anderem für Lieferverzögerungen der in Spanien bestellten Sender. Dennoch hat es die RAS geschafft, mit ihrem beherzten Team die neuen DAB-Plus-Sendeanlagen auf dem Hühnerspiel zu installieren und einzuschalten, bevor dies der hereinbrechende Winter im Hochgebirge unmöglich gemacht hätte. Bislang sträubt sich der ORF in Österreich mit Händen und Füßen vor DAB Plus und zählt zu den glühendsten Verweigerern in Sachen Digitalradio. Gründe dafür gibt es mehrere. Einmal schätzt er es, dass seine Radioprogramme im gebirgigen Österreich zu den wenigen zählen, die fast überall über UKW zumindest halbwegs gut zu hören. Womit er auch wenig echte Konkurrenz hat. In einem DAB-Plus-Multiplex sind alle Programme in der Regel gleich gut, nämlich einwandfrei zu hören. Was auch mehr Konkurrenz bedeutet. Weiter schiebt die österreichische Gesetzeslage in Sachen Radio, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, der Veranstaltung zusätzlicher Programme einen breiten Riegel vor. So etwas wie in Deutschland, dass die ARD-Anstalten über DAB Plus bis zu zehn Programme verbreiten dürfen, ist dem ORF strengstens verboten. Er dürfte über DAB Plus nicht einmal seine Regionalradios in benachbarten Bundesländern ausstrahlen. Dass man unter solchen Voraussetzungen Digitalradio ablehnt, ist verständlich. Die RAS darf hingegen in Südtirol ganz offiziell die vier ORF-Radios unabhängig vom Verbreitungsweg ausstrahlen und tut dies über DAB Plus seit über zehn Jahren. Bislang konnten davon nur wenige Österreicher in Osttirol, auch unser Büro in Lienz, profitieren. Mit der Sendeanlage auf dem Hühnerspiel unweit der österreichischen Grenze erreichen sie nun erstmals ein großes Publikum in Nordtirol. Allein Innsbruck hat über 311000 Einwohner. Insgesamt erleben 350 000 Personen im nordtiroler Empfangsgebiet den südtiroler Digitalradiosender auf dem Hühnerspiel.
46 Programme
Für die Bewohner des Großraum Innsbruck heißt das, dass sie nun vier Multiplexe mit insgesamt 46 Radioprogrammen aus vier Ländern empfangen können. Neben dem landesweiten österreichischen DAB Plus auf Kanal 5B mit derzeit (Stand Mitte November 2020) elf privaten Programmen kommen zusätzlich aus Südtirol über die Pakete auf den Kanälen 10B, 10C und 10D 35 weitere Stationen. Darunter finden sich neben Ö1, ORF Radio Tirol, Ö3 und FM4, auch Bayern 1 bis 5 und BR Heimat, das Kinderradio Die Maus des WDR, DLF Kultur, DLF Nova und mehrere Musik-Spartenkanäle der SRG aus der Schweiz. Aus Bozen ist zudem RAI Südtirol zu hören. 13 südtiroler Privatradios, darunter das südtiroler Radio Tirol, Südtirol 1 und Radio
Edelweiß, sorgen weiter für eine Vielfalt, die man so nicht annähernd von österreichischen Sendern kennt.
Technik
Das Hühnerspiel ist in mehrfacher Hinsicht eine außergewöhnliche Sendeanlage. Mit ihrer Seehöhe von 2685 Metern ist sie die mit Abstand höchstgelegene Sendeanlage der RAS und zugleich auch eine der leistungsstärksten im südtiroler DAB-Plus-Sendernetz. Dennoch sind die abgestrahlten rund 1,6 kW recht wenig im Vergleich zu den in Deutschland üblichen Leistungsklassen. Für den Regelbetrieb kommen auf dem Hühnerspiel vier Sender der spanischen Firma Tredess zum Einsatz. Geräte dieses Herstellers hatten sich in Südtirol bereits bei DVB-T als äußerst zuverlässig erwiesen, weshalb die RAS an sie herangetreten ist, man möchte auch DAB-Plus-Sender bauen, die die Spanier bislang nicht im Einsatz hatten. So kam es, dass die auf dem Hühnerspiel aufgestellten die Seriennummern 1 bis 4 tragen. Vier Sender deshalb, weil einer als Reserve dient und bei Störung eines der drei aktiven für diesen einspringt. Die Senderausgangsleistung beträgt 600 Watt.
Empfang auch in Deutschland
Obwohl die Sendeleistung der neuen Sendeanlage laut Auskunft der RAS im Vergleich zur Testausstrahlung die gleiche ist, so mehren sich seit Oktober 2020 doch Meldungen aus dem südlichen Bayern über den erfolgreichen Empfang der RAS-Pakete. Sie werden, allerdings mit Dachantenne, etwa am Westufer des Ammersees gehört. Uns liegen unter anderem auch schon mehrere Berichte aus und um München vor. Etwa in der Art, dass das Autoradio anstatt „Bayern 2“plötzlich „RAS Bay2“anzeigte und trotzdem normal weiterspielte.