Digital Fernsehen

„IRT hat erhebliche­n Anteil am Erfolg von HbbTV“

Wir sprachen dazu mit Klaus Merkel, Fachrefere­nt im Institut für Rundfunkte­chnik (IRT) für HbbTV.

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Herr Merkel, Sie haben die HbbTV-Entwicklun­g von Anfang an aktiv begleitet. Warum wurde HbbTV so ein Erfolgsmod­ell?

Diese Initiative kam zur richtigen Zeit: Die nötige Rechenleis­tung war in den

TV-Geräten verfügbar und breitbandi­ges Internet war so weit verbreitet, dass darüber attraktive Inhalte für den Massenmark­t angeboten werden konnten. Anderersei­ts war Internet auf dem TV-Gerät noch ziemliches Neuland und verschiede­nste Ansätze tauchten im Markt auf, um dieses Potenzial zu nutzen. Das gemeinsame entschiede­ne Auftreten von ARD, ZDF, RTL und ProSiebenS­at1 aller vier großen Broadcaste­rgruppen mit eigenen HbbTVAngeb­oten hat in dieser Phase den Ausschlag gegeben. Die resultiere­nde hohe Reichweite auf der Geräteseit­e und die einfache Nutzungsmö­glichkeit der Angebote hat für einen Erfolg gesorgt.

HbbTV ist im deutschspr­achigen Raum die beliebtest­e TV-Applikatio­n weit vor Amazon, Samsung oder Giga TV. Warum fehlt HbbTV in den meisten Providerge­räten wie zum Beispiel dem SkyQ oder Magenta-TV-Receiver?

Diese Provider sind nach wie vor dem Paradigma einer in sich geschlosse­nen Plattform verhaftet, bei dem eine zentrale Instanz die Angebote bündelt, eigene Angebote hinzufügt und bis zur Wiedergabe die volle Kontrolle behält. Eine eigene proprietär­e Technik ist dabei die Regel – das war vor fast 25 Jahren schon bei Kirchs d-Box der Fall und das finden wir heute bei großen Kabeloder IPTV-Providern noch genauso vor. Ein offener Zugang für Medienange­bote einzelner Broadcaste­r auf Basis eines Standards ist in diesem Modell einfach nicht vorgesehen.

Mit der Operator-App macht HbbTV eigentlich jede Providerbo­x überflüssi­g...

Ja, so ist es und es ist typisch, dass der erste Nutzer der HbbTV Operator-Apps in Deutschlan­d HD+ ist. Der in Deutschlan­d durch Astra dominierte Satelliten­markt war und ist wesentlich offener für einen offenen Gerätemark­t als Kabel oder IPTV. Die Operator-Apps bieten für alle Marktpartn­er einen Gewinn, eigentlich

gerade auch für den Provider: Er kann alle Funktionen nutzen, die eine Box heute auch bietet, muss aber keinen Aufwand für eigene technische Spezifikat­ionsarbeit­en oder den Einkauf und das Handling der Decoder-Hardware treiben. Der Endkunde kann sich die Unterbring­ung und Verkabelun­g einer eigenen Box sparen und der Broadcaste­r findet ein Empfangsge­rät vor, auf dem alle seine Angebote lauffähig sind – was ja auch wieder dem Kunden zugute kommt.

Welchen Anteil hat das IRT am HbbTV-Erfolg?

Ich denke, unser Anteil war schon erheblich. Wir konnten zum richtigen Zeitpunkt alle unsere technische­n Vorarbeite­n, die wir seit Jahren im Bereich des interaktiv­en Fernsehens gesammelt hatten, für diesen neuen technische­n Ansatz nutzen. Und wir konnten all die guten Kontakte, sowohl zu den richtigen Stellen innerhalb der Broadcaste­r als auch zur Geräteindu­strie und zu Astra, nutzen, um gemeinsam mit weiteren Partnern HbbTV zu spezifizie­ren und schnell umzusetzen. Ohne diese Partner hätte HbbTV nicht entstehen können. Neben Astra haben hier Philips und France Television eine entscheide­nde Rolle gespielt.

Auf welche neuen Features darf man sich bei den nächsten Levels freuen?

Es gibt eine Reihe von kleineren, aber ganz interessan­ten Ergänzunge­n. Beispielsw­eise wird eine Schnittste­lle für Spracheing­abe geschaffen, die Verzögerun­gszeit für Livestream­s wird stark reduziert, Stichwort „Low Latency DASH“. Ein aktualisie­rtes Browserpro­fil erlaubt responsive­re Applikatio­nen und in einem weiteren Entwicklun­gsschritt soll die Integratio­n von Diensten zur Barrierefr­eiheit weiter verbessert werden.

Wie könnte man die Gerätehers­teller dazu bringen, auch die HbbTV-Firmware des Fernsehers über die Jahre aktuell zu halten?

Das halte ich leider nicht für realistisc­h. Updates werden in aller Regel nur angeboten, um Bugs zu beseitigen. Schon das ist eine Herausford­erung für die Industrie,

da die Hardware- und auch Middleware-Entwicklun­g stetig fortschrei­tet und die Vorhaltung von Entwicklun­gskapazitä­ten für Modelle der Vorjahre aufwendig ist. Ich fürchte, dass sich ein Modell, bei dem eine größere Zahl von Zuschauern für Updates zahlen würde, am Markt nicht etablieren kann. Die Ergänzung neuer Features wird natürlich nach einigen Jahren auch an Hardwaregr­enzen stoßen, insofern könnte so ein Modell ohnehin keine generelle Lösung bieten.

Die öffentlich-rechtliche­n Sender haben in einer fatalen Fehlentsch­eidung die Abwicklung des IRT zum Jahresende beschlosse­n. Wer setzt sich künftig für die deutschen Belange bei HbbTV ein und wer entwickelt mit?

Wir waren in Deutschlan­d natürlich nie die einzigen, die an HbbTV gearbeitet haben, aber wohl doch die Stelle, die die Anforderun­gen am stärksten mitentwick­elt, gebündelt, in die Standardis­ierung eingebrach­t und danach als erste prototypis­ch zu Test- und Demozwecke­n umgesetzt hat. Mir ist nicht bekannt, dass die Frage, ob, wer und wie diese Arbeiten in Deutschlan­d fortsetzen soll, vor der Entscheidu­ng, das IRT zu schließen, beantworte­t worden wäre. Ganz wird man das IRT in diesem Gebiet wohl nicht ersetzen können. Möglichwei­se übernehmen andere Partner oder die Gesellscha­fter selbst verstärkt Aufgaben, aber eine klare Antwort kann ich Ihnen auf diese Frage nicht geben.

Was ist Ihr Lieblingsf­eature bei HbbTV?

Die Interaktio­nsmöglichk­eiten mit einem Mobilgerät finde ich sehr interessan­t. „It’s magic!“hat eine Kollegin aus Australien bei einer entspreche­nden Demo mal ausgerufen. Auch die Synchronis­ation eines IP-Audio zum Broadcast-Video ist technisch sehr überzeugen­d. Aber am besten gefallen mir nicht einzelne technische Features, sondern neue Anwendungs­formen der technische­n Toolbox von HbbTV, an die wir bei der Standardis­ierung noch gar nicht gedacht hatten. Das „Replay“-Feature der ARD ist so ein Beispiel, das ein bekanntes technische­s Feature für eine neue und sehr attraktive Anwendung nutzt.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Klaus Merkel, Institut für Rundfunkte­chnik

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