Sat-Spionage Teil 1: DAB-Plus Zuführungen empfangen
Auf unseren Satelliten findet sich manches „geheime“Signal, das nicht für den Allgemeinempfang gedacht ist. Dazu zählen auch DAB Plus-Signalzuführungen. Seit Ende November 2020 lassen sich auch die Pakete aus Norwegen und der beiden deutschen Bundesmuxe h
Dass diverse Satelliten für die Signalzuführung terrestrischer DAB Plus-Sendeanlagen zum Einsatz kommen, ist seit Jahren bekannt. So sind etwa auf Astra 3B auf 23,5 Grad Ost seit eh und je der erste Bundesmux und jener des WDR vertreten. Inzwischen findet sich hier auch die Signalzuführung für den zweiten Bundesmux. Die Pakete des Bayerischen Rundfunks, des SWR, des NDR und HR sind auf der EutelsatPosition 7 Grad Ost bekannt. Weiter sind DAB-Plus-Zuführungen für Großbritannien, Italien, Griechenland, die Türkei und Norwegen bekannt.
Empfang schwierig
Für die Satellitenübertragung kommt jedoch kein einheitlicher Standard zum Einsatz. Während in der Vergangenheit dafür DVB-S zum Einsatz kam und pro Datenstrom nur ein Multiplex ausgestrahlt wurde, wird heute durchweg DVB-S2 genutzt, wobei mehrere Multiplexe in einem gemeinsamen Paket übertragen werden, um Bandbreite und damit Kosten zu sparen. Mit herkömmlichem Equipment wie einem normalen Sat-Receiver ist in Sachen DAB Plus über Satellit nichts zu machen. Dazu braucht es durchweg Spezialequipment und einen PC. Für den WDR-Mux auf 23,5 Grad Ost und etwa den deutschen Paketen auf 7 Grad Ost
genügt bereits ein USB-PC-Empfänger, wie die Sat-Tuner-Karten TBS 5925 und 5927 und ihre Gegenstücke für den Einbau in einen Standrechner. Selbst eine Linux Set-Top-Box eignet sich als Server, der den Datenstrom im eigenen Heimnetzwerk zum PC weiterleitet.
Norwegisches Digitalradio
In Norwegen werden landesweit zwei Multiplexe ausgestrahlt. Jener des öffentlich-rechtlichen Senders NRK kommt in sieben Regionalversionen für die einzelnen Provinzen des Landes, wobei auch mehrere zusammengefasst sein können. In ihnen finden sich jeweils die ortsüblichen Regionalversionen der Programme NRK P1, P1+, Vaer (Wetter) und Trafikk (Verkehr). Weiter gibt es ein landesweites Paket mit Privatsendern mit dem Namen RIKS. Sie alle werden über einen gemeinsamen Datenstrom auf der norwegischen Orbitposition 0,8 Grad West über Thor 6 auf 10,720GHz (Polarisation vertikal, Symbolrate 5 400 MSym/s, FEC 3/4, Modulation DVB-S2/8PSK im Multistreamverfahren mit der ID 171) ausgestrahlt.
Ist da wirklich was?
Der besagte Transponder auf 0,8 Grad West lässt sich mit der TBS 5927 und anderen Sat-PC-Tunern loggen und locken. Dabei werden auch die korrekten
Übertragungsparameter ermittelt. Was über diese Frequenz ausgestrahlt wird, lässt sich zunächst nicht erkennen. Der Zusammenarbeit eines deutschen Programmierers, der in der DXer-Szene als Newspaperman bekannt ist, und einem Leser aus Kärnten ist es zu verdanken, dass solche schwierige DAB Plus-Signalzuführungen über Satellit mit vertretbarem finanziellen Aufwand nicht nur hörbar gemacht werden können. Dank ihres Spürsinns für geheimnisvolle Satellitensignale können diese auch gespeichert oder auch weiterverwendet werden.
DAB Plus-Signalen auf der Spur
Hier hilft, den Datenstrom, zum Beispiel bei EBS Pro, mit dem TS Grabber aufzuzeichnen. Was zumindest mit der TBS 5927 ein äußerst schwieriges Unterfangen sein kann. Denn diese findet mitunter selbst binnen 40 Minuten keine Daten, die sie mitschreiben könnte. Womit leere Dateien die Folge sind. Nur in seltenen Ausnahmen und nach unzähligen Versuchen gelingen geringe Datenansammlungen im kB-Bereich. Sie lassen sich mit Word oder einer beliebig anderen Editiersoftware öffnen. Zu sehen bekommt man einen bunten Mix aus meist Sonderzeichen und wenigen Buchstaben, die allesamt keinen Sinn ergeben. Nun gilt es, diese bis zu über 100 Seiten lan
gen Dateien nach Schlüsselwörtern zu durchsuchen, wozu Word und Editiersoftwares Suchfunktionen anbieten. Im Falle von 0,8 Grad West gibt man am besten „NRK“, die Abkürzung des öffentlichrechtlichen norwegischen Rundfunks ein. Bei den mit der 5927er-Karte aufgezeichneten Dateien verläuft diese Suche im Sand. Erst die manuelle Kontrolle zeigte, dass der Datenstrom mit der Karte nicht fehlerfrei empfangen wird. Zumindest lassen Einträge wie „NNK P1“vermuten, dass man auf dem richtigen Weg ist. Als wertvolles Hilfsmittel erweist sich die Gratissoftware Microsoft Strings. Dieses Tool zeigt nur die Textfragmente eines aufgezeichneten Datenstroms in der gewünschten Mindestlänge an und überspringt unlesbare Steuerzeichen in der Binärdatei. Für mehr Klarheit sorgt die ältere TBS 5925-Karte. Mit ihr werden im selben Zeitraum nicht nur ungleich mehr Daten aufgezeichnet. Mit dem Editor finden wir damit auch genügend eindeutige Hinweise auf die sieben NRK-DAB-PlusMultiplexe und den darin enthaltenen Programmen. Auch Verkehrsfunkmeldungen erscheinen in Klartext.
Datenanalyse, Grundlagen
Unter einem Transportstrom versteht man ein in MPEG-2 standardisiertes Kommunikationsprotokoll,
mit dem Audio, Video und Daten übertragen werden. Ein Transportstrom, auch kurz TS genannt, besteht aus stets 188 Byte großen Datenpaketen. Sie beginnen jeweils mit einem Synchronisierungs-Byte, dessen Wertigkeit im hexadezimalen Zahlensystem stets 47 beträgt. Zum Dekodieren der Inhalte ist zunächst ein Paketanfang im Bytestrom zu ermittelt. Dieser wird von fünf, jeweils im Abstand von 188 Bytes liegenden Synchronisierungsbytes 47 gekennzeichnet. Dies ist insofern wichtig, dass die Wertigkeit 47 auch an anderen Stellen der Datenpakete enthalten sein kann. Wird der Wert 47 ermittelt, heißt
das somit nicht automatisch, dass man einen Paketanfang gefunden hat. Dieser eindeutig identifizierte Paketanfang ist deshalb so wichtig, weil er die Grundlage zum Dekodieren eines Datenstroms darstellt. Gelingt diese Synchronisierung nicht, lässt sich das empfangene Signal auch nicht auswerten und lassen sich somit die darin enthaltenen Sender nicht hörbar machen.
Empfangsequipment
der DAB Plus-Zuspielungen über Satellit keinen besonders leistungsfähigen Rechner. Dieser kann ohne weiteres auch deutlich über zehn Jahre alt sein, zumindest, wenn es darum geht, nur Radio hören zu wollen.
Um mit dieser Karte erfolgreich zu sein, ist derzeit allerdings Linux als Betriebssystem vonnöten. Für die Steckkarte gibt es zwar selbstverständlich einen Treiber für Windows. Dieser weist allerdings leider noch einige Mängel auf und unterstützt den PC-Tuner im Wesentlichen nur bei Standardanwendungen. Bleibt nur zu hoffen, dass der asiatische Hersteller sich seiner Kunden annimmt und künftig dieses Problem unter Windows in Griff bekommt. Der Treiber für Linux ist indes für Jedermann offen und erlaubt, den Quellcode auch für Spezialanwendungen anzupassen. Auf diese Weise können verschiedene Register der PCIe-Karte angesprochen werden, die es abseits von Standardanwendungen benötigt. Der kleine, aber entscheidende Unterschied zwischen einer Handvoll Spezialkarten wie der TBS 6903x oder der Digital Devices Cine S2 V7 Advanced und etwa den bereits genannten TBS 5925 und 5927 beziehungsweise gegenüber Linux-Sat-Receivern ist der auf ihnen verbaute Chip.
Erst dieser von ST Microelectronics gefertigte STiD135 Chip, der auf der mehreren Hundert Euro teuren Einbaukarte verbaut ist, lässt derartige Anwendungen überhaupt erst zu.
Open Source Spezialsoftware
Mit dem Anpassen des Treibers der TBS 6903x ist bereits der halbe Weg zum Audioempfang zurückgelegt. Was jetzt noch fehlt, sind zwei kleine Software-Tools, die erst nach Erledigung des Treiber-Problems geschrieben werden konnten und deren Quelltexte offen liegen. Die erste nennt sich PTS2BBF (Pseudo Transport Stream to Base Band Frames). Mit ihr werden die Basisband-Frames aus dem von der Sat-Karte ausgegebenen Pseudo-Transport-Datenstrom, der übrigens nur eine einzige Daten-PID enthält, extrahiert. Das zweite Programm nennt sich BBFEDI2ETI. Mit ihm wird die UDP-IP-Adresse und der IP-Port angegeben, damit die mit der ersten Software extrahierten Base Band Frames in ein ETI-Signal umgewandelt werden. Auf diesem Weg wird der auszustrahlende Multiplex an die Sender weitergeleitet, was in DAB Plus-Sendernetzen international allgemein üblich ist. Diese spezielle ETI-Datei kann auch einem SDR-Transceiver,
wie einem Hack RF, zugespielt und so zur lokalen Ausstrahlung zu Testzwecken gebracht werden.
Wiedergabe
Um etwa das norwegische DAB Plus über Thor auf 0,8 Grad West hörbar zu machen, bietet sich unter Windows zum Beispiel das kleine freie Programm „Dablin“an, um eine ETI-Datei abspielen und anhören zu können. Unter Linux bieten die Software Dablin oder Dablin_gtk allerdings auch eine komfortable Benutzeroberfläche, die es erlaubt, zwischen den einzelnen Services umzuschalten. Auch die Wiedergabe der Slideshow-Bilder und eine Aufnahmefunktion wird nur unter Linux unterstützt. In der DAB-Plus-Signalzuführung auf 0,8 Grad West befinden sich acht Mutiplexe. Durch die Angabe der den einzelnen Paketen zugeordneten IP-Adressen und des Ports erfolgt die Auswahl des gewünschten Pakets. Auf gleiche Weise erfolgt auch die Auswahl der beiden bundesweiten deutschen Multiplexe auf 23,5 Grad Ost und den Paketen der ARD-Anstalten auf 7 Grad Ost. Letztere kommen bereits mit EDIDatenstrom mit einem richtigen Transportstream in DVB-S2. Sämtliche dafür erforderlichen IP-Adressen sind bereits bekannt und wurden von einem DF-Leser in Kärnten herausgefunden. Dazu kam eine modifizierte Version der Software GSExtract zum Einsatz. Auf diese Weise wurde aus einem BBF-File eine PCAP-Datei generiert. Diese lässt sich mit der Gratissoftware Wireshark öffnen, mit der man nach IP-Adressen in UDP suchen kann. Optional lässt sich die ETI-Datei mit dem Programm „ODR-DabMod“in ein fertiges Sendersignal (Rohdatenformat, raw-Datei in 8 Bit unsigned) umwandeln und mit der Software Qt-DAB öffnen. Was auch live funktioniert. Man verwendet die unter Linux beliebten Pipes oder auch fifo Dateien (First In – First Out). Deshalb ist der Befehl oft nur eine oder zwei Zeilen lang, mit denen alle gewünschten Funktionen ausgeführt werden.
Livedekodierung
Zur Livedekodierung eines DAB PlusDatenstroms ist der genutzte Satellitentransponder zu tunen. Hat sich der PC-Sat-Receiver, etwa eine TBS 6903x Einbaukarte, im Falle des norwegischen Digitalradios eingeloggt, kann der Datenstrom mit den bereits weiter oben genannten Tools zum Klingen gebracht werden. Unter Linux sieht dies am PC-Bildschirm recht unspektakulär aus und beschränkt sich etwa auf die Eingabe: „Tune-s2 10720 V 5400“.
Bundesweite deutsche Multiplexe
Auch die Signalzuführung der beiden bundesweiten deutschen DAB Plus-Multiplexe erfolgt über Satellit. Zum Einsatz kommt Astra 3B auf 23,5 Grad Ost. Gesendet wird auf 12,641 GHz (Polarisation vertikal, Symbolrate 1500MSym/s, FEC 2/3, Modulation DVB-S2/8PSK Multistream DVB-GSE). Das Übertragungsverfahren der beiden Multiplexe DR Deutschland (Kanal 5C) und dem erst im Herbst 2020 gestarteten Antenne Deutschland, ist das gleiche wie bei den Norwegern auf 0,8 Grad West. Nur die IP-Adressen unterscheiden sich. Aber auch die sind bereits der Öffentlichkeit bekannt. Das hier verwendete Multistream-Verfahren wird im Übrigen von der TBS 6903x ignoriert. Was aber vollkommen egal ist, da es sich dabei nur um ein Byte im Datenstrom handelt, das nicht einmal extrahiert zu werden braucht. Die IP-Adressen der beiden DAB-Plus-Pakete sind nämlich unterschiedlich und erleichtern so den Zugang. Würden indes bei MIS 1 und MIS 2 dieselben IP-Adressen genutzt, müsste der Multistream getrennt werden.