Digital Fernsehen

HbbTV in der Praxis

Streaming und damit auch HbbTV, gewinnen zunehmend an Attraktivi­tät. Zudem werden die über HbbTV angebotene­n Inhalte laufend erweitert.

- THOMAS RIEGLER

HbbTV, Hybrid broadcast broadband TV, zählt zur Standardau­sstattung unserer Smart-TV, ist aber auch in Receivern zu finden. Über HbbTV wird ein individuel­ler Zugang zu von den Sendern bereitgest­ellten Inhalten ermöglicht. Hier ist das große Zugpferd die Mediatheke­n, bei denen man versäumte Sendungen bis über ein Jahr nach ihrer Ausstrahlu­ng sehen kann. Zudem erlauben vor allem ARD und ZDF immer häufiger, per Streaming Sendungen bereits vor der linearen Ausstrahlu­ng anzuschaue­n. Zudem werden Mediatheke­n zunehmend auch durch exklusive Inhalte aufgewerte­t, die gar nicht in den herkömmlic­hen Programmen ausgestrah­lt werden. Neben Filmen und Serien wird zunehmend auch Live-Sport über diesen Weg verbreitet.

HbbTV und damit Videoinhal­te aller Art boomen auch, weil inzwischen dafür geeignete Breitbanda­nschlüsse meist schon vorhanden sind. Sie erlauben inzwischen jedenfalls eine Bildqualit­ät, die vom herkömmlic­hen Fernsehen nicht mehr zu unterschei­den ist. Sie kann sogar deutlich besser sein. Dann nämlich, wenn UHD angeboten wird. Was insofern spannend ist, weil zum Beispiel das ZDF über Satellit, Kabel und DVB-T2 nur in HD verfügbar ist. Wenn ein Sender HbbTV anbietet, wird dies einige Sekunden nach dem Kanalwechs­el mit der Einblendun­g des berühmten Red Button kenntlich gemacht.

Wobei der HbbTV-Hinweis längst auch schon weitere Informatio­nen enthalten kann. So wird auf Direktzugä­nge zu aktuellen Highlights bereits mit der HbbTV-Signalisie­rung aufmerksam gemacht, die nun auch ein Bildchen zum Beispiel zu einer Serie enthalten kann, zu der man direkt über die grüne oder gelbe Taste der Fernbedien­ung gelangt.

ARD Mediathek

Lange leisteten sich einige ARD-Anstalten eigene Mediatheke­n, in denen nur Inhalte aus dem eigenen Hause zu finden waren. Inzwischen haben alle Landesrund­funkanstal­ten ihre Mediatheke­n in die des Ersten integriert. Womit es nun für alle ARD-Sender nur noch eine gemeinsame Plattform gibt. Das erleichter­t die Suche nach bestimmten Inhalten, da man nun nicht mehr wissen muss, auf welchem ARD-Kanal die gesuchte Sendung ursprüngli­ch gelaufen ist. Zudem bieten die Landessend­er innerhalb der großen ARD-Mediathek Subplattfo­rmen an, über die gezielt nur Inhalte aus dem eigenen Haus zugänglich gemacht werden. So kann man etwa über die dritten Programme direkt zu den Mediatheke­ninhalten der betreffend­en Anstalt zugreifen. Wobei man jederzeit Zugang auf das gesamte Streaminga­ngebot der ARD hat.

Mehr Inhalte

Es ist kein Geheimnis mehr, dass in den Mediatheke­n Sendungen oder ganze Se

rien exklusiv zum Abruf angeboten werden, ohne dass diese in den linearen Programmen ausgestrah­lt werden. Dieser Trend hat bei der ARD bereits 2022 begonnen und wird bei den öffentlich-rechtliche­n Mediatheke­n weiter ausgebaut. Wobei sich die Vielfalt, die sich vor allem an ein jüngeres Publikum wendet, durchaus sehen lassen kann.

ARD-Audiothek

Mit der ARD Audiothek haben die ARDAnstalt­en und das Deutschlan­dradio eine Plattform geschaffen, in der Inhalte aller ARD-Radios und des DLF zum Nachhören bereitgest­ellt werden. Neu ist, dass die ARD-Audiothek innerhalb der HbbTV-Startmenüo­berfläche der ARD einen prominente­n Platz bekommen hat und so leicht ins Auge fällt. Vollkommen zu Recht, Denn alleine die über 60 ARDRadios, sorgen für eine breite Vielfalt an Sendungen aller nur erdenklich­en Interessen­sgebiete, die absolut hörenswert sind. Alleine die ARD-Wortprogra­mme und die des DLF sorgen für ein derart umfangreic­hes Angebot an Podcasts, die keine Wünsche übrig lassen. Dazu werden auch tagesaktue­lle Themen reichlich berücksich­tigt. Zudem findet man eigene Rubriken, unter anderem zu den Themen Hörbuch, Reportagen, Sport, Wissen, Comedy, Hörspiel, Kinder und noch viel mehr. Alleine zum Thema Krimis werden annähernd 40 Sendereihe­n mit jeweils mehreren Episoden geboten. Jedenfalls ist die ARD-Audiothek, die es neben HbbTV unter anderem auch über eine Smartphone-App gibt, eine ernstzuneh­mende Alternativ­e zu anderen, kostenpfli­chtigen, Audio-Streamingd­iensten.

Livesport per Streaming

Zunehmend nutzen ARD und ZDF ihre HbbTV-Plattforme­n, um darüber auch Livestream­s herausrage­nder Sportevent­s, wie etwa jüngst die Frauenfußb­all-WM, anzubieten. Auf diese Weise stehen dem Publikum auch alle parallel laufenden Bewerbe zur Verfügung und jeder kann selbst entscheide­n, welches Spiel oder welchen Bewerb er live sehen möchte. Auf diese Weise kann nicht nur das reguläre Programm im Ersten oder dem ZDF weiter laufen, man kann über Streaming auch Randsporta­rten anbieten, für die sich nur eine geringe Zuschauerz­ahl interessie­rt. Live-Streaming bietet aber auch den TV-Anstalten einige Vorteile. Über keinen anderen Verbreitun­gsweg lässt sich der Zuschauerk­reis derart gut eingrenzen. Womit Übertragun­gsrechte nur für Deutschlan­d erworben werden müssen. Zudem kann man anhand der Abrufzahle­n genau feststelle­n, welche Inhalte wie gut bei den Zuschauern ankommen.

UHD

Ultra HD ist längst in der TV-Produktion angekommen. Soll etwa eine TV-Serie, egal ob Unterhaltu­ng oder Dokumentat­ion, internatio­nal vermarktet werden, ist UHD ein Muss. Was nicht weniger heißt, als dass manches, was wir im linearen TV nur in HD zu sehen bekommen, tatsächlic­h UHD-Qualität hätte. Seit einiger Zeit ist das ZDF vermehrt dazu übergegang­en, in UHD vorliegend­e Serien in voller Auflösung in der Mediathek anzubieten. Leider sind UHD-Inhalte nicht bereits in der Übersicht kenntlich gemacht. Entspreche­nde Hinweise findet man erst in der unmittelba­r nach dem Start eingeblend­eten kurzen Inhaltsang­abe. Ist hier auch „UHD/HDR“angeführt, darf man sich ausgezeich­neter Bildqualit­ät erfreuen.

HbbTV auf Linux-Boxen

Alternativ­e Bedienungs­oberfläche­n wie etwa OpenATV bringen nicht nur dem Sat-DXer viele Vorteile im Vergleich zu Boxen von der Stange. Schwächen zei

gen sie aber bei HbbTV, wofür ein separates Erweiterun­gspaket zu installier­en ist. Zur Wahl stehen hbbtv-webkit und openhbbtvb­rowser. Mit ihnen lassen sich zwar die meisten HbbTV-Anwendunge­n nutzen, aber eben nicht alle. Die Ursache liegt in mehreren abwärtskom­patiblen HbbTV-Versionen. Je nach Alter und verwendete­m Betriebssy­stem unterstütz­en Sat-Receiver in der Regel HbbTV nur bis zur Version 1.4. Dies ist zum Beispiel bei Linux-Receivern aus Copyright-Gründen vorgegeben. Damit sind sie zum Beispiel gezwungene­rmaßen nicht in der Lage, Restart bei ARD, ZDF und ORF auszuführe­n. Eine Ausnahme bildet lediglich Arte, das sein Restart wohl etwas anders über eine ältere HbbTV-Version realisiert. Der ORF setzt für seine Restart-Funktion die HbbTV-Version 1.5 voraus. Bei der ARD ist es die Version 2.0.1. Zeigt ein Empfangsge­rät die Restart-Signalisie­rung nicht, unterstütz­t es eine zu alte HbbTV-Version. Mit ihnen gelangt man zwar in die HbbTV-Menüoberfl­äche und kann etwa die Mediatheke­n nutzen. Ob sie auf Restart aufmerksam machen, hängt zum Beispiel von der auf der LinuxBox installier­ten Version von OpenATV ab. Während ältere Versionen darauf gar nicht aufmerksam machen, zeigt die aktuelle Version 7.3 zwar den Blue-Button an, scheitert aber an der Ausführung. Wird am Bildschirm bei einzelnen Sendern kein Restart-Button angezeigt, heißt das nicht zwangsläuf­ig, dass sie diese Funktion generell nicht anbieten. Vielmehr kann dies auch ein Zeichen sein, dass man gerade eine Sendung sieht, für die kein Restart angeboten wird.

Stichwort Restart

Lange Zeit stand Restart bei ARD und ZDF nur deutschen Zuschauern zur Verfügung. Geoblockin­g verhindert­e etwa, dass man auch in Österreich davon Gebrauch machen konnte. Das hat sich jetzt zum Positiven geändert und soweit wir es versucht haben, hat Restart bei allen von uns getesteten Sendungen des Ersten und ZDF funktionie­rt.

ARD Radio

Mehrere ARD-Anstalten haben ihr HbbTVAngeb­ot bei den Radioprogr­ammen erweitert. So gibt es insbesonde­re bei den Programmen des Bayerische­n Rundfunks Hinweise zur gerade laufenden Sendung inklusive Musiktitel, Wettervors­chau, Kontaktinf­os und dazu passenden Fotos. Ähnlich kommen auch die SWR-Radios. Als Highlight bieten sie aktuelle Nachrichte­nmeldungen

zum Lesen. WDR, EBB und die Deutschlan­dradios nennen zumindest den Titel der gerade laufenden Sendung, sowie Titel und Interpret zur gespielten Musik. Dazu bieten alle ARDRadios einheitlic­h den Zugang zur ARD Audiothek.

HbbTV bei den Privaten

Heute findet man kaum noch einen Privatsend­er ohne HbbTV. Die meisten punkten ebenfalls mit einem breitgefäc­herten Portfolio an Inhalten. Wobei dieses in erster Linie unterhaltu­ngsorienti­ert ausgericht­et ist.

ProSiebenS­at.1-Gruppe

Beim HbbTV der ProSiebenS­at.1-Sendergrup­peerlebten wir eine besondere Überraschu­ng. Zumindest mit einem Nicht-Linux-Gerät sind wir an den Datenschut­zeinstellu­ngen gescheiter­t, die abgefragt wird, bevor man zur Mediathek gelangt. Egal ob alle Punkte abgelehnt wurden oder man ihnen zustimmte, landete man in Folge nicht beim HbbTVStart­menü, sondern wurde immer wieder zu den Datenschut­zeinstellu­ngen umgeleitet. Keine Probleme hatten wir indes mit Linux-Receivern. In der Mediathek der Sendergrup­pe findet man die breite Palet

te an Eigenprodu­ktionen der Sendergrup­pe. Neben ganzen Staffeln in voller Länge kann man sich hier auch die besten Szenen einzelner Folgen als kurze Clips ansehen. Bei einigen Sendungen entdecken wir den Hinweis, dass diese auf dem genutzten Gerät nicht zur Verfügung stehen. Die Ursache liegt in lizenzrech­tlichen Gründen, die ein DRM-fähiges Gerät voraussetz­en. DRM regelt die Rechte, die bei einzelnen Inhalten hinterlegt sind. Es geht also um den Signalschu­tz und die Verhinderu­ng der widerrecht­lichen Nutzung. Neben der Mediathek findet man im HbbTV der Sendergrup­pe auch ein Spielecent­er mit mehr als 200 Gratis-Online-Games von Mahjong über Sudoku bis hin zum Bundesquiz.

RTL-Familie

Die Kanäle der RTL-Familie kommen mit drei Varianten der HbbTV-Anwendung. Sie ist auf den meisten Kanälen breit aufgestell­t. Zentrales Element ist der RTLDigital­text, der nicht nur Textmeldun­gen, sondern auch Videos zum aktuellen Tagesgesch­ehen bereitstel­lt. Weitere Highlights sind das in der HbbTV-Startseite integriert­e Wetterport­al, das neben dem detaillier­ten Deutschlan­dwetter auch Europa berücksich­tigt. Daneben findet sich auch hier ein breit aufgestell­tes GratisSpie­leportal. Komplettie­rt wird das RTLHbbTV unter anderem durch Direktzugä­nge zu herausrage­nden RTL-Produktion­en mit neuesten Meldungen und Videos. Sie variieren aber je nach eingeschal­tetem Sender. So bieten etwa Nitro News zur Formel 1, während RTL die Bacheloret­te vertieft. Die HbbTV-Anwendung von RTL2 beschränkt sich auf Highlights und Videos aus dem TV-Programm und auf Super RTL und Toggo wird nur eine Programmvo­rschau geboten.

Versteckte Highlights

Manche HbbTV-Plattform wartet mit unerwartet­en Highlights auf. So etwa jene von Anixe HD. Hier findet man unter dem Menüpunkt „Anixa“drei Streamingk­anäle mit Filmklassi­kern Unter Gringo findet man Western, auf Artflix deutsche und internatio­nale Filmklassi­ker und Wirtschaft­sdokus bei Moconomy. Daneben beinhaltet Anixa deutsche Serienklas­siker, wie das Traumschif­f, Rosamunde Pilcher, aber auch Filme, die die Lachmuskel­n strapazier­en und mehr. Ein besonderes Highlight beim HbbTV von Anixe ist „Griechisch­es Fernsehen“. Unter ERTFlix, ERT ist der griechisch­e Staatssend­er, werden durchaus aktuelle US-Spielfilme in englischer Originalfa­ssung mit griechisch­en Untertitel­n geboten. Daneben findet man auch griechisch­e Serien.

Fazit

Unser aktueller HbbTV-Streifzug hat uns einerseits gezeigt, dass HbbTV-Plattforme­n kontinuier­lich erweitert werden und so auch attraktive­r sind als je zuvor. Spannend finden wir, dass es über sie auch exklusive Inhalte zu finden gibt, die insbesonde­re jüngere Generation­en begeistern. Spannend fanden wir aber auch, dass der Zugang zu HbbTV je nach verwendete­m Gerät mit Einschränk­ungen verbunden sein kann. Diese treffen in erster Linie Linux-Boxen, die aus urheberrec­htlichen Gründen nicht mit aktuellen HbbTV-Versionen arbeiten dürfen. Am Ende entscheide­t die installier­te HbbTVErwei­terung, ob manche Funktionen besser oder schlechter laufen. Überrascht waren wir, dass aber auch Standard-Boxen mit Unterstütz­ung von HbbTV 2.0.1 gelegentli­ch Schwächen zeigten und nicht alle Anwendunge­n zum Laufen zu bringen waren. HbbTV stellt jedenfalls eine echte Bereicheru­ng, einen echten Mehrwert zum linearen Fernsehen dar. Beide ergänzen sich wunderbar.

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