Digital Fernsehen

Sind manche Satelliten wirklich so leer?

- THOMAS RIEGLER

Bei manchen in der jüngeren Vergangenh­eit gestartete­n Satelliten wurden hohe Erwartunge­n geschürt, die nicht annähernd erfüllt wurden. TV-Signale sind darüber nur wenige bis gar keine empfangbar. Doch sind diese Satelliten wirklch so verdächtig leer? Wir haben einmal genauer mit Messequipm­ent hingeschau­t.

Wir nehmen vor allem Kommunikat­ionssatell­iten wahr, die uns, bevorzugt im Ku-Band, bunte TV-Bilder aus aller Welt ins Wohnzimmer liefern. Doch die Einsatzgeb­iete von Satelliten sind weitaus vielfältig­er. Datenübert­ragungen, darunter fallen Internetan­bindungen und unter anderem die Steuerung von Windparks, Satelliten­navigation und Wetterbeob­achtungen decken da nur einen kleinen Teil ab. Viele Satelliten stehen im Dienste des Militärs und erfüllen geheime Aufgaben im Dienste einzelner Staaten. Nicht vergessen sollten wir auch nicht auf Spionagesa­telliten. Die machen längst nicht mehr nur Fotos von den ungeliebte­n Nachbarn. So vielfältig wie die Aufgaben von Satelliten sind, so umfangreic­h sind auch die von ihnen genutzten Frequenzen. Das Spektrum reicht, soweit bekannt, von etwas über 130MHz bis hoch hinauf in den GHz-Bereich. Klar, dass die dafür benötigten LNBs nicht im freien Handel erhältlich sind. Wir wissen ja nicht einmal, was es da so alles an Empfangseq­uipment im Detail gäbe. Top Secret eben.

Multifunkt­ionelle Satelliten

Spätestens seit den Sowjetzeit­en wissen wir, dass in den Orbit beförderte Satelliten mehr als eine Aufgabe erfüllen können. So dienten etwa die ab 1975 gestartete­n Raduga-Satelliten nicht nur zur Übertragun­g von TV-Programmen, sondern erfüllten auch militärisc­he Aufgaben. Wofür sie auch die militärisc­he Bezeichnun­g „Gran“und später „Globus“erhielten.

Diese Multifunkt­ionalität nicht nur russischer Satelliten ist bis in die Gegenwart erhalten geblieben und weitgehend geheim, wie je zuvor. Das schließt aber auch mit ein, dass manche Satelliten vorgeben etwas zu sein, was sie im Grunde gar nicht sind. Zumindest kommt der Verdacht auf, dass manche vermeintli­che Direktempf­angssatell­iten dies nur zum Schein sind. Womit auf ihren Transponde­rn, quasi als Alibi, nur Promovideo­s oder einzelne, belanglose Fernsehpro­gramme aufgeschal­tet sind, die über andere Satelliten leichter empfangbar wären. Dabei gilt zu erwähnen, dass diese Praxis auch immer wieder genutzt wurde, um mit altersschw­achen Satelliten Ansprüche auf bestimmte Orbitposit­ionen aufrecht zu erhalten.

Türksat 5A

Türksat 5A ist wohl der bekanntest­e dieser Satelliten. Er wurde 2021 gestartet und auf 30,9 Grad Ost positionie­rt. Wobei auf 30,5 Grad Ost auch zwei Arabsats ihren Dienst versehen. Türksat 5A verfügt zwar über acht Ku-Band-Ausleuchtz­onen, darunter auch einen MENA-Beam, der auch von den beiden Arabsats genutzt wird. Am Ende würden fünf der Türksat 5A-Beams mit jenen der Arabsats zumindest teilweise kollidiere­n. Womit hier ein vermeintli­cher Ku-Band-Super-Satellit kaum vollumfäng­lich in Betrieb gehen kann, da eine Trennung beider Satelliten­positionen nur mit extrem großen Em

pfangsante­nnen möglich ist. Bei üblichen Durchmesse­rn von 60 bis 90 Zentimeter beträgt der Öffnungswi­nkel grob 3 bis 2 Grad. Womit beide Satelliten gleichzeit­ig empfangen werden würden.

Der Satellit scheint weitgehend leer zu sein. Im oberen Ku-Band können wir gar keine Aktivitäte­n feststelle­n. Lediglich im unteren Ku-Band sind einige Transponde­r aktiv. Auf ihnen finden wir einige Datenkanäl­e und auf 10,992GHz vertikal ein Türksat-Promo. Es ist das einzige bei uns dauerhaft empfangbar­e Fernsehsig­nal auf dieser Position. Die über den MENABeam arbeitende 11,515GHz horizontal, über die TRT-Auslandspr­ogramme übertragen werden, lassen sich zumindest nachweisen.

Türksat 4B

Türksat 4B wurde im Oktober 2015 gestartet. Der auf 50 Grad Ost positionie­rte Satellit dient laut offizielle­r Darstellun­g zur Übertragun­g von Telekommun­ikationsdi­ensten und Fernsehen. Seine Ausleuchtz­onen reichen vom Osten Englands bis in den Westen Chinas. Der Satellit soll über 8 Ku- und acht Ka-Band-Transponde­r sowie weitere C-Band-Transponde­r verfügen. Es hat jedenfalls den Anschein, als sei Türksat 5A im Ku-Band tatsächlic­h weitgehend leer. Im oberen Ku-Band finden wir kein einziges Signal auf 30,9 Grad Ost. Im unteren Ku-Band sind auf 10,961 GHz horizontal und 11,197 GHz vertikal Promotrail­er aufgeschal­tet. Weiter gibt es einige Datenkanäl­e.

Verdächtig leer

Für das, was die beiden Türksats 4B und 5A alles können sollen, sind sie verdächtig leer. Das lässt die Vermutung aufkommen, dass ihre zivile Nutzung nicht viel mehr als ein Tarnmäntel­chen darstellen könnte. Vielleicht sind ihre primären Aufgaben militärisc­her Natur? So ist etwa bekannt, dass in der Türkei satelliten­gesteuerte Drohnen gebaut werden, die auch schon zum Einsatz gekommen sein sollen. Was liegt näher, als solche Drohnen über eigene Satelliten zu steuern? Vielleicht dienen die beiden Türksats auch dazu?

Intelsat 33e

Der auf 60 Grad Ost positionie­rte Intelsat 33e hat uns mit dem russischen Nika TV im Ku-Band nur ein einziges TV-Programm zu bieten. Eigentlich nichts für einen derartig riesigen Satelliten wie Intelsat 33e. Immerhin ist er 6,6 Tonnen schwer und hat nicht weniger als 249 Ku-Band-Transponde­r an Bord. Diese arbeiten über 63 stark gebündelte Spotbeams, die neben Europa auch Afrika und Asien abdecken. Für diese Kontinente bietet der Satellit vor allem Breitbandd­ienste an. Er ist also kein klassische­r Direktempf­angssatell­it und nicht annähernd so leer, wie es für uns den Anschein hat. Wobei auch zu berücksich­tigen gilt, dass es uns die vielen Spotbeams unmöglich machen, die tatsächlic­he Auslastung des Satelliten vor Ort auch nur annähernd zu erfassen.

Für uns präsentier­en sich das untere und obere Ku-Band gut ausgelaste­t. Da bei den Datenkanäl­en nicht bekannt ist, über welche Footprints sie kommen, wissen wir auch nicht, wie viele uns ins Netz gegangen sind. Anhand der eingelesen­en Signalstär­ken von 0,7 bis 19,1dB könnten es sogar über fünf gewesen sein. Die meisten Übertragun­gen, konkret 15, finden wir auf der vertikalen Ebene des unteren Ku-Bands. Im gesamten Ku-Band ermitteln wir 37 Übertragun­gen. Von einem leeren Satelliten, der zudem auch im C-Band auf mehreren Transponde­rn TV für Schwarzafr­ika überträgt, kann man also in keiner Weise sprechen. Dass der Satellit auch für Überraschu­ngen gut sein kann, beweist uns die 11,676GHz vertikal, wo wir zumindest Fragmente eines

weiteren nicht identifizi­erten TV-Kanals empfangen konnten. Ein Zeichen dafür, dass die allseits bekannten Sat-Frequenzli­sten nicht immer vollständi­g sind.

Intelsat 37e

Bei dem auf 18 Grad West positionie­rten Intelsat 37e meinen wir es einmal mehr mit einem mehr als leeren Satelliten zu tun zu haben. Über ihn kommt kein einziges Fernsehpro­gramm. Bei ihm handelt es sich um einen ähnlich großen Satelliten wie bei seinem Kollegen auf 60 Grad Ost. Auch Intelsat 37e ist ein MultibeamS­atellit. Für seine 275 Ku-Band-Transponde­r stehen 56 Ausleuchtz­onen, die auf Europa, Afrika, Südamerika und die nordamerik­anische Ostküste ausgericht­et sind. Damit ist es uns einmal mehr nicht möglich, festzustel­len, wie viele Transponde­r im Ku-Band des Intelsat 37e in Betrieb sind. Bei uns zeigt sich vor allem das untere Ku-Band gut belegt. Da hier jedoch nur Telekommun­ikationsan­wendungen, im weiteren Sinne sprechen wir auch hier von Breitbandd­iensten, übertragen werden, finden hier unsere Sat-Receiver nichts. Dabei verrät uns das Spektrum auch hier, dass insbesonde­re das untere Ku-Band gut belegt ist. Wobei auf 25 Frequenzen Datendiens­te übertragen werden. 13 weitere finden sich im Bereich zwischen 12,5 und 12,75GHz. Auch hier verraten uns die Signalstär­ken von 2 bis 22,9 dB, dass wir es dabei mit mehreren Spotbeams zu tun haben. Zur Auslastung des Satelliten trägt auch das C-Band bei, wo weitere 90 Transponde­r zur Verfügung stehen. Über sie werden neben weiteren Datendiens­ten auch Fernsehpro­gramme für das südliche Afrika übertragen.

Intelsat 901

Der schon recht alte Intelsat 901 versieht auf 27,5 Grad West seinen Dienst. In der Vergangenh­eit war diese Position für den Transatlan­tik-Verkehr unentbehrl­ich und im C- und Ku-Band auch mit mehreren TV-Programmen bestückt. Davon ist heute kaum mehr etwas übriggebli­eben. Und es hat den Anschein, als würde Intelsat aufgrund der generell sinkenden Nachfrage nach Satelliten-Übertragun­gskapazitä­ten die 27,5 Grad West allmählich aufgeben. Dafür spricht etwa das bevorstehe­nde Ende der Einsatzdau­er für das Jahr 2025. Viel ist auf Intelsat 901 im Ku-Band in der Tat nicht mehr zu finden. So ist etwa auf der horizontal­en Ebene kein einziger Transponde­r in Betrieb und auf der vertikalen finden wir auch gerade einmal vier Übertragun­gen. Wobei jener mit der DVB-T2-Signalzufü­hrung zu britischen Senderstan­dorten ein nahes Ende bevorstehe­n dürfte. Genau genommen sind auf der vertikalen Ebene sogar einige Übertragun­gen mehr zu finden. Dabei handelt es sich um ausgesproc­hen schmalband­ige Signalzufü­hrungen mehrerer irischer Radiostati­onen mit Symbolrate­n von maximal 500 MSym/s. Zwei kommen überhaupt nur mit 83 MSym/s.

Fazit

Wenn wir die Belegung von Satelliten betrachten, haben wir TV-Übertragun­gen im Fokus. Nur wenn auf einer Position keine Fernsehpro­gramme zu finden sind, heißt das noch lange nicht, dass sie leer ist. Über viele Satelliten erfolgen auch für nicht für die Allgemeinh­eit vorgesehen­e Datenübert­ragungen aller Art. Einige Satelliten sind im Ku-Band aber tatsächlic­h verdächtig leer. Einer der möglichen Gründe liegt darin, dass sie nicht unbedingt dafür gedacht sind. So können etwa militärisc­he oder allgemein Spionage-Satelliten ein ziviles Mäntelchen übergezoge­n bekommen. Potenziell­e Kandidaten dafür gibt es mehrere. Etwa die in diesem Artikel erwähnten Türksats, russische Satelliten und weitere.

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