STATIVE FÜR FOTO UND VIDEO
Test-&-technik-redakteur Tim Herpers liefert einen umfangreichen Überblick zu verschiedenen Stativ-systemen.
Welches Stativ ist das richtige für mich? Das ist eine Frage, die wir in der Redaktion immer wieder gestellt bekommen. Dieser Artikel soll Klarheit über die Möglichkeiten der Kamerastabilisierung schaffen. So viel ist sicher: Die Auswahl ist riesig.
Eine Kamera für 2.000 Euro, stabilisiert mit einem Stativ, das neu noch nicht einmal 100 Euro kostet. Das kann doch nichts werden – oder etwa doch? Unterwegs auf Fotoreisen wundere ich mich oft über den niedrigen Stellenwert eines Stativs bei manchen Fotografen. Wie wichtig ein Stativ ist, habe ich persönlich erst vor wenigen Jahren erfahren, als mir eine Vollformat-dslr samt Stativplatte aus dem Kugelkopf eines günstigen Stativs herausbrach. Kamera und Objektiv haben den Sturz glücklicherweise nahezu schadlos überstanden. Den Dreibeiner habe ich danach entsorgt.
Klar, im Austausch mit anderen Fotografen geht es in der Regel nie um das Stativ. Meist liegt das Hauptaugenmerk auf dem Vergleich der Kameratechnik, der Sensorgröße und der Frage, wer das lichtstärkere Objektiv besitzt.
Doch muss es zwingend ein klassisches Dreibein-stativ sein? Entscheidendes Kriterium beim Stativkauf ist natürlich Ihre Kamera und der Einsatzort. Hier liefern wir Ihnen einen kompakten Überblick auf gängige Stabili sie rungs möglichkeiten für Foto und Video, bebildert mit je einem typischen Beispiel pro Modellart.
Der Weg zum passenden Stativ
Welches Stativ ist denn nun das richtige für mich? Die Antwort auf diese Frage beginnt mit einer Gegenfrage: Was fotografieren Sie am meisten? Denn die Wahl des für Sie besten Stativs ist direkt abhängig von der Art Ihrer Fotografie. Fotografen, die mit ihrer DSLR in einen Wildpark fahren, um dort Tierfotos aufzunehmen,
greifen zu einem anderen Stativ als Weltenbummler, die tagelang zu Fuß unterwegs sind und Stabilität für ihre kompakte Systemkamera benötigen.
Tipps für den Stativkauf
Auch wenn der Online-handel boomt, raten wir Ihnen für den Stativkauf zu einem Besuch beim lokalen Fotohändler. Hier haben Sie in der Regel die Möglichkeit, eine Auswahl vorab zu testen. Plus: Sie erhalten eine individuelle Kaufberatung des Händlers. Sollte dies nicht reichen, helfen Ihnen diese Tipps für den Stativkauf:
Zunächst sollten Sie einen Blick auf die Handhabung des Stativs werfen. Wie lassen sich die Stativbeine ausfahren? Sind Einstellelemente ergonomisch geformt? Wenn Sie die Handhabung des Stativs überzeugen konnte, ist es hilfreich, auf die Verarbeitung zu achten. Klassische Stative gibt es in unterschiedlichsten Materialien. Die Vorund Nachteile der drei verbreitesten – Aluminium, Carbon und Holz finden Sie auf der nächsten Doppelseite. Da es letztlich aber nicht in erster Linie auf die Verarbeitung, sondern auf die Stabilität eines Stativs ankommt, prüfen Sie diese vorab des Kaufs. Um schnell herauszufinden, wie stabil ein Stativ ist, reicht schon ein kräftiger Druck auf das Stativkreuz. Werfen Sie dabei auch einen Blick auf die untersten Stativbeinauszüge und deren Dicke. Je dünner die Beine, umso geringer die Stabilität, die hier direkt mit dem Funktionsumfang des Stativs konkurriert: Schließlich versuchen insbesondere Hersteller von Reisestativen, möglichst kleine und leichte, zugleich aber auch stabile Stative zu fertigen. Vergleichen Sie für ein Fazit zum Funktionsumfang das Verhältnis zwischen maximaler Traglast und Stativgewicht sowie zwischen Packmaß und maximaler Arbeitshöhe. Gut ausgestattete Stative verfügen über bodennahe Kamerapositionen und Spikes für die Stativfüße. Welches Kaufkriterium fehlt nun noch? Natürlich
ein Preis-leistungs-verhältnis. Vergleichen Sie die Kosten mit dem, was Sie erhalten. Bei einigen Herstellern gibt es jahrelange Garantien und zuverlässigen Austausch – auch solch einen produktbezogenen Service sollten Sie beim Kauf eines Stativs im Hinterkopf behalten. Aber wie teuer muss ein gutes Stativ denn nun sein?
Wie beim Kauf von Autoreifen
Sie ahnen es sicher: Eine preisliche Grenze, ab der Stative etwas taugen oder auch nicht taugen, gibt es nicht. Es ist ähnlich wie beim Kauf von Autoreifen: Hochpreisige Sportwagen sollten nur mit entsprechend hochwertigen Reifen genutzt werden. Für den günstigen Kleinwagen reichen meist solide Standardreifen aus. Wer stattdessen mit einem Jeep im unbefestigten Gelände unterwegs ist, benötigt Gummimaterial vom Spezialisten. Auch bei Stativen müssen Sie dabei einkalkulieren, dass die drei Faktoren Funktionsumfang, Stabilität und Kosten in direkter Beziehung zueinander stehen: Stative, die stabil und zugleich leicht sind, kosten in der Regel viel. Schwere und stabile Stative sind hingegen schon für wenig Geld zu haben. Billige und leichte Stative sollten aufgrund fehlender Stabilität gänzlich vermieden werden. Letztlich ist die Wahl des Stativs immer von den Anforderungen der Kamera und den Wünschen des Fotografen abhängig. Wir haben unsere Übersicht auf eine Stativauswahl für Sie nachfolgend in ein Foto- und ein Videosegment aufgeteilt.
Stabilität fürs Foto
Wir beginnen unsere Übersicht an Fotostativen für Hobbyfotografen mit den kleinsten Dreibeinern: den Mini- oder auch Tischstativen (1). Bodennahe Perspektiven für leichte Kameras sind hier spielend leicht möglich. Das Einbeinstativ (2) ist der beste Freund vieler Natur- und Sportfoto-
Der Stativmarkt ist riesig und bietet zu jedem noch so speziellen Fotomotiv ein passendes Gerät zur Stabilisierung. Tim Herpers, Test & Technik
grafen, die häufig mit langen und schweren Telebrennweiten arbeiten. So dient das Einbein nicht nur zur stabileren Kameraposition, sondern auch zu Entlastung des Fotografen. Die klassischen Dreibeinstative haben wir in dieser Übersicht in vier Klassen gruppiert. Der Markt ist extrem vielfältig und gibt neben handelsüblichen Fotostativen mit einem großen Funktionsumfang (3) und leichten Reisestativen (6) auch zwei Extreme her: Für maximale Stabilität und entsprechend große Kameras gibt es ebenso Dreibeiner (4) wie für Fotografen, denen es in erster Linie auf ein möglichst kleines Packmaß und geringes Stativgewicht ankommt (5). Dieses Quartett ergänzen wir mit einem Blick auf Spezialstative (8), wie den Pakpod, der durch seine extravagante Form auffällt und für unebenes Gelände die Kamera auf Wunsch in der Waage hält. Apropos Waage: Eine Wasserwaage (7) für den Blitzschuh der Kamera ist auch in Zeiten von digitalen Wasserwaa-
gen ein hilfreiches Zubehör. Die digitale Anzeige verbraucht zusätzlich Akkulaufzeit, die mittels Wasserwaage eingespart werden kann.
Video: Stabilität fürs Bewegtbild
Schauen wir uns im Folgenden Möglichkeiten der Stabilisierung für Hobbyfilmer an: Die Video-kompatibilität spielt beim Kamerakauf für viele Fotografen mittlerweile eine wichtige Rolle. 4K-videoauflösung ist selbst in günstigen Mittelklassemodellen ein weitverbreiteter Standard geworden. Ebenso erleichtern bildstabilisierte Kamerasensoren und Objektive mit integriertem Bildstabilisator das Filmen aus der freien Hand. Alternativen zum klassischen Videostativ (2) gibt es inzwischen viele. Das Einbeinstativ für Videoaufnahmen (3) ist in der Regel mit drei kleinen Stützen versehen. So gelingen weiche und dennoch stabile Kamerazooms von einem Standpunkt aus. Dynamischere Video-
sequenzen lassen sich mit Schwebestativen (4), Videoschienen, Kamerakränen oder Schwenkarmen (1) erstellen. Für die Einrichtung der Kamera an einem Schwebestativ (auch Steadycam genannt) ist ein wenig Geduld und Übung gefragt. Doch nach kurzer Eingewöhnung sind tatsächlich ruckelfreie Aufnahmen möglich. Wesentlich einfacher gestaltet sich die Bedienung elektronisch gesteuerter Schwebestative, sogenannter Gimbals (5, 6). Gimbal ist die englische Bezeichnung für die kardanische Aufhängung, die mittlerweile kinowürdige Kamerafahrten für jedermann aus der Hand ermöglicht – selbst mit modernen Smartphones. Kostspieliger Nachteil: Sie sind wesentlich teurer als klassische, manuell zu bedienende Schwebestative. Wer viel unterwegs filmt, findet bei einigen Stativherstellern auch für Reisen optimierte Stative (7), die direkt mit einem kompatiblen Videokopf ausgeliefert werden.