CANON VS. NIKON
Neue Gerüchte rund um mögliche spiegellose Vollformatkameras von Canon und Nikon machen die Runde. Wer liefert zuerst – und wer schlägt Sony?
Als vor zehn Jahren Panasonic und Olympus die ersten spiegellose Systemkameras auf den Markt brachten, haben wohl nur die wenigsten mit einem derartigen Umbruch des Marktes gerechnet. Große Kamerahersteller wie Canon und Nikon, die mit ihren Spiegelreflexkameras den Markt beherrschten, fokussierten sich lieber auf ihre Stärken und setzten weiter auf die Entwicklung von klassischen Digitalkameras mit integriertem Spiegel. In den Folgejahren sollte die Strategie vorerst aufgehen. Der Absatz von digitalen Spiegelreflexmodellen stieg von 2008 bis 2012 stetig an. Zeitgleich nahm der Verkauf von Systemkameras zu – wenn auch in deutlich geringeren Mengen. Zum Vergleich: 2012 gingen 850.000 DSLRS über die Ladentheke und 200.000 CSCS (Compact System Cameras). Doch der Umbruch kam. Unter anderem befeuert durch eine schleichende Marktsättigung, nur noch moderate Modelloptimierungen – und den Erfolg der Fotografie mit dem Smartphone. Letzteres ist im Alltag oft die Kamera der ersten Wahl. Sie ist immer dabei, für alltägliche Motivsituationen geeignet und mittlerweile qualitativ auf einem durchaus akzeptablen Niveau – in etwa auf dem einer guten Kompaktkamera. Kein Wunder, dass infolgedessen der Absatz der bis dahin noch einigermaßen erfolgreichen Kompaktmodelle drastisch einbrach.
Von wegen Sommerloch! In den sonnigen Monaten könnte es in der Fotobranche heiß hergehen. Der Grund: neue Gerüchte rund um mögliche spiegellose Vollformatkameras von Canon und Nikon. Die spannendsten Fragen: Wer liefert zuerst – und wer schlägt Sony?
Sony bringt die Alpha 7
Einen weiteren Einschnitt im Hinblick auf den Verkauf von klassischen Spiegelreflexkameras brachte das Jahr 2013. In diesem stellte Sony seine erste Vollformat-systemkamera vor: die Alpha 7. Die 7er-serie war und ist ein Verkaufsschlager. Sony hat es geschafft, innerhalb weniger Jahre ein umfangreiches Kamerasystem auf den Markt zu bringen, das die Bedürfnisse der Profis erfüllt. Untermauert mit einem immer größer werdenden Objektivfuhrpark und einem Service für professionelle Fotografen, vergleichbar mit den Profiservices von Canon und Nikon.
Die DSLRS bekommen folglich stetig stärkere Konkurrenz, die Argumente für den Kauf schwinden (s. Grafik Ladenhüter Digitalkamera). Viele stellen sich schlicht die Frage, ob sie mit
einer deutlich kompakteren und leichteren Systemkamera nicht mindestens genauso gute Bilder aufnehmen können. Und die Antwort lautet in der Regel: ja. Denn technologisch haben sich die Systemkameras immens weiterentwickelt. Die zu Beginn beispielsweise schwache Auflösung und Bildwiederholfrequenz der elektronischen Sucher wurde stark verbessert, die einst träge Autofokusgeschwindigkeit optimiert und die Bildqualität auf das Level vergleichbarer Spiegelreflexmodelle gehoben. Die Folge: wachsende Csc-verkäufe bei zugleich drastisch sinkenden Absätzen bei den DSLRS.
Als Hauptgrund für den Kauf einer Spiegelreflexkamera wird heute primär der optische Sucher ins Feld geführt, auf den einige nicht verzichten wollen und der im Alltag auch Vorteile mit sich bringt. Etwa das natürlichere Bild vom Motiv und die klare Sicht bei Dunkelheit – CSCS produzieren hier zum Vergleich immer noch ein sichtbares Bildrauschen bei schlechtem Licht.
Marktführer Canon unter Druck
Bisher konnte sich Canon, was den Absatz ihrer Dslr-modelle angeht, aber noch nicht beklagen. Im fallenden Spiegelreflexsegment besitzen sie in Deutschland rund 60 Prozent Marktanteil. Es folgt, mit deutlichem Abstand, Erzrivale Nikon. Ganz anders sieht es indes im wachsenden Systemkameramarkt aus. Hier dominiert Sony das Feld mit mittlerweile rund 50 Prozent Marktanteil! Dahinter folgt Panasonic mit seinen Lumix-modellen. Canon liegt indes bei unter zehn Prozent. Zu wenig für das ehrgeizige
und erfolgsverwöhnte japanische Traditionsunternehmen. Zudem liegen 2018 erstmals die Verkäufe von System- und Spiegelreflexkameras auf gleichem Niveau. Höchste Zeit also, die Priorität auf den wachsenden Markt zu verlagern, um den Anschluss nicht komplett zu verlieren.
Ähnlich, wenn nicht sogar verheerender, sieht es bei Nikon aus. Die Kameraschmiede hat momentan zwar in der Theorie ein spiegelloses Wechselobjektivsystem auf dem Markt, wirklich relevant ist die Nikon-1-reihe aber nicht. Der winzige Cx-sensor und die geringe Objektivauswahl machen die 1er-modelle für ambitionierte Fotografen uninteressant.
Die Gründe für die Situation bei Canon und Nikon sind mannigfaltig. Sie beginnt bei Canon beim (zu) späten Einstieg in das SystemkameraSegment 2015 mit der EOS M und mündet heute in einem System, das nur leicht gehobene fotografische Ansprüche erfüllt. Insbesondere beim Blick auf die eher günstigen und wenig lichtstarken Eos-m-objektive. Bei Nikon ist bis dato sogar überhaupt keine erfolgsversprechende Systemkameramodellreihe auf dem Markt.
Spiegellos in die Zukunft?
Doch nun soll die spiegellose Trendwende folgen! Den hoffnungsvollen Anfang machte Canon mit der Einführung der EOS M50, die technisch auf der gehobenen Einsteiger-dslr EOS 80D basiert, und mit einem aggressiven Preis von rund 580 Euro das Feld von hinten aufzurollen scheint. In der Konzernzentrale gibt man sich zufrieden, wie Marco Gottschalk, Marketing Director Consumer Imaging Group Canon Deutschland, im Interview verrät. Für diesen strategisch klugen Zug opfert das Unternehmen sogar mögliche Verkaufsargumente, für die eigentlich höher im Portfolio platzierten EOS M5 und EOS M6. Die Unterschiede gegenüber der M50 fallen so gering aus, dass es einfach zu wenig gute Gründe gibt, zu den kostspieligeren Kameras zu greifen.
Im Duell mit dem Elektroriesen
Selbstverständlich darf man hier spekulieren, ob Canon damit in der Vergangenheit nicht Fehler bei der spiegellosen Modell- und Preispolitik begangen hat und diese nun unter anderem mit der EOS M50 nachträglich korrigieren will. Denn die M5 und M6 wurden seinerzeit als Flaggschiffe im M-segment auf der photokina 2016 vorgestellt und galten seitdem eher als Ladenhüter. Damit könnte die EOS M50 der erste echte Erfolg im spiegellosen Canon-portfolio werden. Jüngste Zahlen sind zumindest ein
Silberstreifen am Horizont. So deutet sich ein Marktanteilsanstieg von acht auf 13 Prozent an. Für Canon ein Schritt in die richtige Richtung. Denn das Unternehmen selbst hat sich einen deutlichen zweistelligen Marktanteil als Ziel gesetzt, so Gottschalk. Langfristig strebt man mit Sicherheit die Marktführerschaft an – und will damit in einen direkten Konkurrenzkampf mit Elektroriese Sony treten. Ob dieses Duell erfolgreich ausgeht, bleibt jedoch mit Blick auf das momentane Portfolio eher fraglich.
Die Lösung kann folglich nur eine sein: die Vorstellung einer spiegellosen Eos-vollformatkamera. Aktuelle Gerüchte zum Stand der Dinge haben wir Ihnen im Info-kasten unten zusammengefasst. Keine Frage: Canon braucht ein mindestens ebenbürtiges Modell zur Sony7er-serie, um sich Marktanteile zu erobern. Die Nachfrage bei Canon-fotografen ist vorhanden. Vorausgesetzt, das Modell erfüllt die hohe Erwartungshaltung und bietet Zugriff auf das Ef-objektivsortiment. Gerade Letzteres ist zurzeit ein wichtiger Kaufgrund bei den Canon-eos-m-modellen. Denn über den optional erhältlichen Eos-m-anschlussadapter (Kostenpunkt um 120 Euro) kann jedes Ef-objektiv genutzt werden. Ein zugkräftiges Argument für bisherige Canon-spiegelreflexfotografen, die eine EOS M als Zweitkamera verwenden. Übrigens, neue Eos-m-modelle sollen folgen, die spiegellose Vollformatkamera womöglich aber erst im 1. Quartal 2019.
Kommt das photokina-highlight?
Glaubt man jüngsten Gerüchten, könnte der oben genannte Zeitpunkt für Canon sogar zu weit in der Zukunft liegen. Denn Nikon scheint bereits für diesen Sommer – oder zumindest für die photokina 2018 in Köln – zwei besonders heiße Eisen im Feuer zu haben, die das Unternehmen von jetzt auf gleich in den direkten Konkurrenzkampf mit Sony werfen würde. Die Rede ist natürlich von zwei potenziellen Nikon-vollformatsystemkameras, die in diversen Internetforen unter dem Codenamen „Noct“die Runde machen. Sind die Gerückte wahr, hätte Nikon einen zeitlichen und strategischen Vorteil – und könnte sich mit rund sechs Monaten Vorsprung bereits Marktanteile von Sony im spiegellosen Vollformatmarkt erobern. Allerdings weist wiederum ein Gerücht vom 11. Juli auf www.canonrumors.com auf eine Präsentation der spiegellosen Vollformat-eos auf September 2018 hin. Eines ist sicher: So spannend war es lange nicht mehr. Wir würden uns in jedem Fall über photokina-highlights dieser Größenordnung freuen.