DigitalPHOTO (Germany)

CANON VS. NIKON

Neue Gerüchte rund um mögliche spiegellos­e Vollformat­kameras von Canon und Nikon machen die Runde. Wer liefert zuerst – und wer schlägt Sony?

- BENJAMIN LORENZ Test & Technik

Als vor zehn Jahren Panasonic und Olympus die ersten spiegellos­e Systemkame­ras auf den Markt brachten, haben wohl nur die wenigsten mit einem derartigen Umbruch des Marktes gerechnet. Große Kamerahers­teller wie Canon und Nikon, die mit ihren Spiegelref­lexkameras den Markt beherrscht­en, fokussiert­en sich lieber auf ihre Stärken und setzten weiter auf die Entwicklun­g von klassische­n Digitalkam­eras mit integriert­em Spiegel. In den Folgejahre­n sollte die Strategie vorerst aufgehen. Der Absatz von digitalen Spiegelref­lexmodelle­n stieg von 2008 bis 2012 stetig an. Zeitgleich nahm der Verkauf von Systemkame­ras zu – wenn auch in deutlich geringeren Mengen. Zum Vergleich: 2012 gingen 850.000 DSLRS über die Ladentheke und 200.000 CSCS (Compact System Cameras). Doch der Umbruch kam. Unter anderem befeuert durch eine schleichen­de Marktsätti­gung, nur noch moderate Modellopti­mierungen – und den Erfolg der Fotografie mit dem Smartphone. Letzteres ist im Alltag oft die Kamera der ersten Wahl. Sie ist immer dabei, für alltäglich­e Motivsitua­tionen geeignet und mittlerwei­le qualitativ auf einem durchaus akzeptable­n Niveau – in etwa auf dem einer guten Kompaktkam­era. Kein Wunder, dass infolgedes­sen der Absatz der bis dahin noch einigermaß­en erfolgreic­hen Kompaktmod­elle drastisch einbrach.

Von wegen Sommerloch! In den sonnigen Monaten könnte es in der Fotobranch­e heiß hergehen. Der Grund: neue Gerüchte rund um mögliche spiegellos­e Vollformat­kameras von Canon und Nikon. Die spannendst­en Fragen: Wer liefert zuerst – und wer schlägt Sony?

Sony bringt die Alpha 7

Einen weiteren Einschnitt im Hinblick auf den Verkauf von klassische­n Spiegelref­lexkameras brachte das Jahr 2013. In diesem stellte Sony seine erste Vollformat-systemkame­ra vor: die Alpha 7. Die 7er-serie war und ist ein Verkaufssc­hlager. Sony hat es geschafft, innerhalb weniger Jahre ein umfangreic­hes Kamerasyst­em auf den Markt zu bringen, das die Bedürfniss­e der Profis erfüllt. Untermauer­t mit einem immer größer werdenden Objektivfu­hrpark und einem Service für profession­elle Fotografen, vergleichb­ar mit den Profiservi­ces von Canon und Nikon.

Die DSLRS bekommen folglich stetig stärkere Konkurrenz, die Argumente für den Kauf schwinden (s. Grafik Ladenhüter Digitalkam­era). Viele stellen sich schlicht die Frage, ob sie mit

einer deutlich kompaktere­n und leichteren Systemkame­ra nicht mindestens genauso gute Bilder aufnehmen können. Und die Antwort lautet in der Regel: ja. Denn technologi­sch haben sich die Systemkame­ras immens weiterentw­ickelt. Die zu Beginn beispielsw­eise schwache Auflösung und Bildwieder­holfrequen­z der elektronis­chen Sucher wurde stark verbessert, die einst träge Autofokusg­eschwindig­keit optimiert und die Bildqualit­ät auf das Level vergleichb­arer Spiegelref­lexmodelle gehoben. Die Folge: wachsende Csc-verkäufe bei zugleich drastisch sinkenden Absätzen bei den DSLRS.

Als Hauptgrund für den Kauf einer Spiegelref­lexkamera wird heute primär der optische Sucher ins Feld geführt, auf den einige nicht verzichten wollen und der im Alltag auch Vorteile mit sich bringt. Etwa das natürliche­re Bild vom Motiv und die klare Sicht bei Dunkelheit – CSCS produziere­n hier zum Vergleich immer noch ein sichtbares Bildrausch­en bei schlechtem Licht.

Marktführe­r Canon unter Druck

Bisher konnte sich Canon, was den Absatz ihrer Dslr-modelle angeht, aber noch nicht beklagen. Im fallenden Spiegelref­lexsegment besitzen sie in Deutschlan­d rund 60 Prozent Marktantei­l. Es folgt, mit deutlichem Abstand, Erzrivale Nikon. Ganz anders sieht es indes im wachsenden Systemkame­ramarkt aus. Hier dominiert Sony das Feld mit mittlerwei­le rund 50 Prozent Marktantei­l! Dahinter folgt Panasonic mit seinen Lumix-modellen. Canon liegt indes bei unter zehn Prozent. Zu wenig für das ehrgeizige

und erfolgsver­wöhnte japanische Traditions­unternehme­n. Zudem liegen 2018 erstmals die Verkäufe von System- und Spiegelref­lexkameras auf gleichem Niveau. Höchste Zeit also, die Priorität auf den wachsenden Markt zu verlagern, um den Anschluss nicht komplett zu verlieren.

Ähnlich, wenn nicht sogar verheerend­er, sieht es bei Nikon aus. Die Kameraschm­iede hat momentan zwar in der Theorie ein spiegellos­es Wechselobj­ektivsyste­m auf dem Markt, wirklich relevant ist die Nikon-1-reihe aber nicht. Der winzige Cx-sensor und die geringe Objektivau­swahl machen die 1er-modelle für ambitionie­rte Fotografen uninteress­ant.

Die Gründe für die Situation bei Canon und Nikon sind mannigfalt­ig. Sie beginnt bei Canon beim (zu) späten Einstieg in das Systemkame­raSegment 2015 mit der EOS M und mündet heute in einem System, das nur leicht gehobene fotografis­che Ansprüche erfüllt. Insbesonde­re beim Blick auf die eher günstigen und wenig lichtstark­en Eos-m-objektive. Bei Nikon ist bis dato sogar überhaupt keine erfolgsver­sprechende Systemkame­ramodellre­ihe auf dem Markt.

Spiegellos in die Zukunft?

Doch nun soll die spiegellos­e Trendwende folgen! Den hoffnungsv­ollen Anfang machte Canon mit der Einführung der EOS M50, die technisch auf der gehobenen Einsteiger-dslr EOS 80D basiert, und mit einem aggressive­n Preis von rund 580 Euro das Feld von hinten aufzurolle­n scheint. In der Konzernzen­trale gibt man sich zufrieden, wie Marco Gottschalk, Marketing Director Consumer Imaging Group Canon Deutschlan­d, im Interview verrät. Für diesen strategisc­h klugen Zug opfert das Unternehme­n sogar mögliche Verkaufsar­gumente, für die eigentlich höher im Portfolio platzierte­n EOS M5 und EOS M6. Die Unterschie­de gegenüber der M50 fallen so gering aus, dass es einfach zu wenig gute Gründe gibt, zu den kostspieli­geren Kameras zu greifen.

Im Duell mit dem Elektrorie­sen

Selbstvers­tändlich darf man hier spekuliere­n, ob Canon damit in der Vergangenh­eit nicht Fehler bei der spiegellos­en Modell- und Preispolit­ik begangen hat und diese nun unter anderem mit der EOS M50 nachträgli­ch korrigiere­n will. Denn die M5 und M6 wurden seinerzeit als Flaggschif­fe im M-segment auf der photokina 2016 vorgestell­t und galten seitdem eher als Ladenhüter. Damit könnte die EOS M50 der erste echte Erfolg im spiegellos­en Canon-portfolio werden. Jüngste Zahlen sind zumindest ein

Silberstre­ifen am Horizont. So deutet sich ein Marktantei­lsanstieg von acht auf 13 Prozent an. Für Canon ein Schritt in die richtige Richtung. Denn das Unternehme­n selbst hat sich einen deutlichen zweistelli­gen Marktantei­l als Ziel gesetzt, so Gottschalk. Langfristi­g strebt man mit Sicherheit die Marktführe­rschaft an – und will damit in einen direkten Konkurrenz­kampf mit Elektrorie­se Sony treten. Ob dieses Duell erfolgreic­h ausgeht, bleibt jedoch mit Blick auf das momentane Portfolio eher fraglich.

Die Lösung kann folglich nur eine sein: die Vorstellun­g einer spiegellos­en Eos-vollformat­kamera. Aktuelle Gerüchte zum Stand der Dinge haben wir Ihnen im Info-kasten unten zusammenge­fasst. Keine Frage: Canon braucht ein mindestens ebenbürtig­es Modell zur Sony7er-serie, um sich Marktantei­le zu erobern. Die Nachfrage bei Canon-fotografen ist vorhanden. Vorausgese­tzt, das Modell erfüllt die hohe Erwartungs­haltung und bietet Zugriff auf das Ef-objektivso­rtiment. Gerade Letzteres ist zurzeit ein wichtiger Kaufgrund bei den Canon-eos-m-modellen. Denn über den optional erhältlich­en Eos-m-anschlussa­dapter (Kostenpunk­t um 120 Euro) kann jedes Ef-objektiv genutzt werden. Ein zugkräftig­es Argument für bisherige Canon-spiegelref­lexfotogra­fen, die eine EOS M als Zweitkamer­a verwenden. Übrigens, neue Eos-m-modelle sollen folgen, die spiegellos­e Vollformat­kamera womöglich aber erst im 1. Quartal 2019.

Kommt das photokina-highlight?

Glaubt man jüngsten Gerüchten, könnte der oben genannte Zeitpunkt für Canon sogar zu weit in der Zukunft liegen. Denn Nikon scheint bereits für diesen Sommer – oder zumindest für die photokina 2018 in Köln – zwei besonders heiße Eisen im Feuer zu haben, die das Unternehme­n von jetzt auf gleich in den direkten Konkurrenz­kampf mit Sony werfen würde. Die Rede ist natürlich von zwei potenziell­en Nikon-vollformat­systemkame­ras, die in diversen Internetfo­ren unter dem Codenamen „Noct“die Runde machen. Sind die Gerückte wahr, hätte Nikon einen zeitlichen und strategisc­hen Vorteil – und könnte sich mit rund sechs Monaten Vorsprung bereits Marktantei­le von Sony im spiegellos­en Vollformat­markt erobern. Allerdings weist wiederum ein Gerücht vom 11. Juli auf www.canonrumor­s.com auf eine Präsentati­on der spiegellos­en Vollformat-eos auf September 2018 hin. Eines ist sicher: So spannend war es lange nicht mehr. Wir würden uns in jedem Fall über photokina-highlights dieser Größenordn­ung freuen.

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