MEGA-FESTBRENNWEITE IM DETAIL: JE HÖHER DIE BRENNWEITE, DESTO ZAHLREICHER DIE LINSENVIELFALT
desto größer muss die Auflösungsleistung des Objektivs sein, um ein Bild gleich detailliert wie bei einem größeren Sensor abzubilden. Das Verhältnis der Auflösungsleistung entspricht vereinfacht ausgedrückt dem Crop-faktor des Sensors: Löst eine Optik am Vollformatsensor zum Beispiel 100 Linienpaare pro Millimeter auf, muss an einem Microfourthirds-sensor eine Auflösung von 200 Linienpaaren erreicht werden, um einen vergleichbaren Detailreichtum zu gewährleisten. Für die Objektivkonstrukteure bedeuten also kleinere Sensoren auch größere Herausforderungen. Wir geben hingegen die Auflösungsleistung eines Objektivs in Linienpaaren pro Bildhöhe an. Somit entfällt eine Umrechnung und die Objektive sind über Systemgrenzen hinweg vergleichbar. Apropos Objektivkonstrukteure: Neben der Auflösungsleistung ist auch die Konstruktion kompakter Objektive mit hoher Lichtstärke eine echte Herausforderung. Hier stoßen die Ingenieure immer wieder an physikalische Grenzen, denn eine hohe Lichtstärke (zum Beispiel f/1,4) und eine ultrakompakte Bauform sind tendenziell Gegenspieler.
Kontrast versus Schärfe
Steigen wir etwas tiefer in die Schärfebeurteilung ein, kommt der Faktor „Kontrast“ins Spiel. Kontrast und Schärfe gehen bei der Auflösungsmessung Hand in Hand, und doch sind sie nicht identisch. Bietet ein Objektiv beispielsweise einen hohen globalen Kontrast, lassen sich größere Linienpaare des Siemenssterns optimal erkennen. Das heißt aber noch nicht, dass die Auflösungsleistung für feine Strukturen hoch ist. Bietet ein Objektiv aber einen hohen Mikrokontrast, können wir im Testlabor die feinsten Strukturen noch auseinanderhalten – allerdings unter Umständen in so schlechter Auflösung, dass wir diese Werte als „unscharf“beurteilen würden. Der Mikrokontrast spielt für die Bildwirkung allerdings eine entscheidende Rolle: Im Gegensatz zu Testchart-aufnahmen können „reale“Aufnahmen (also außerhalb der kontrollierten Testumgebung) von Objektiven mit hohem Mikrokontrast schärfer wirken als solche mit auflösungsstärkeren Objektiven. Vielleicht haben Sie schon Begriffe wie „Pop“oder „3D-look“gehört. Hierbei ist ebenfalls der Mikrokontrast entscheidend. Das Phänomen kennen wir auch vom „Bokeh“: Zwar sind sowohl Mikrokontrast und der damit einhergehende dreidimensionale Look als auch das Bokeh (also die Wirkung der unscharfen Bildbereiche) physikalisch erklärbar, aber fast unmöglich zu quantifizieren. Das erklärt unter anderem, warum die Auflösungsleistung in der Objektivbewertung eine so große Rolle spielt: Sie ist objektiv messbar. So liefern sich die Hersteller ein Wettrüsten um die Auflösung, um optimale Mtf-werte zu erhalten und so die Gunst der Käufer für sich zu gewinnen. Bitte nicht falsch verstehen: Selbstverständlich ist die Auflösungsleistung eines Objektivs enorm wichtig und damit ein entscheiden
des Kaufkriterium. Doch sollte es eben nicht das einzig entscheidende Kriterium bleiben.
Objektivgüte im Detail
Unter Objektivgüte werden Aspekte wie Vignettierung, Verzeichnung und Aberrationen zusammengefasst. Schauen wir uns diese Punkte nun etwas genauer an.
Vignettierung steht für die Randabschattung eines Objektivs. Hier gilt meist, dass diese bei Offenblende am stärksten sichtbar ist und mit dem Abblenden ebenfalls abnimmt. Auch wenn Vignetten ein gern genutztes Stilmittel darstellen, ist es wünschenswert, rein optisch eine möglichst geringe Randabschattung zu haben. Eine Vignette nachträglich hinzuzufügen ist deutlich einfacher, als eine im Ausgangsbild vorhandene Vignettierung am Rechner wieder loszuwerden.
Verzeichnungen werden nicht ganz korrekt auch als „Verzerrungen“bezeichnet. Wir unterscheiden grundsätzlich zwei Arten von Verzeichnung: kissenförmig und tonnenförmig. Weitwinkelobjektive verzeichnen das Bild tonnenförmig. Dabei wölben sich die Bildränder nach außen, senkrechte und waagerechte Linien im Bild werden ebenfalls nach außen gebogen. Nah am Objektiv befindliche Objekte werden größer dargestellt – Sie kennen diesen Effekt von Porträtaufnahmen mit Weitwinkeloptiken, in denen die Nase unvorteilhaft groß abgebildet wird. Teleobjektive hingegen verzeichnen das Bild kissenförmig, wobei die Außenlinien sich nach innen wölben. Objekte wirken schmaler und gestreckter, was weniger irritierend wirkt als die tonnenförmige Verzeichnung und daher gerne in der Porträtfotografie genutzt wird, wo Brennweiten von
85 Millimetern und darüber zum Einsatz kommen. Eine dritte Form von Verzeichnung ist eine Kombination aus den beiden vorweg beschriebenen Varianten und wird als „wellenförmige Verzeichnung“beschrieben. Diese komplexe Verzeichnung ist je nach Intensität mehr oder weniger gut zu erkennen und lässt sich nur sehr schlecht am Rechner korrigieren.
Aberrationen (oder vielmehr ihre Abwesenheit) stellen ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Objektivgüte dar. Unter Aberrationen (bzw. chromatischen Aberrationen) versteht man Farbsäume, die besonders an Bildrändern auftauchen können. Sie entstehen, weil Licht unterschiedlicher Wellenlänge auch unterschiedlich stark gebrochen wird.
Die Rezepte der Konstrukteure
Diesen Herausforderungen stehen die Ingenieure aber nicht hilflos gegenüber, sondern können auf Bauteile und Verfahren zurückgreifen, die die oben genannten Fehler minimieren. Chromatische Aberrationen lassen sich etwa mittels Ed-linsenelementen (Extra Low Dispersion) im optischen Pfad reduzieren, da sie über eine geringe Streuung verfügen. In fast allen hochwertigen Objektivkonstruktionen befinden sich heute asphärische Elemente. Sie weichen hinsichtlich ihrer Form von üblichen Linsenformen ab und helfen dabei, sphärische Aberrationen in den Griff zu bekommen. Diese Abbildungsfehler resultieren nicht in Farbsäumen, sondern lassen das Bild weicher und kontrastärmer wirken. Eine wichtige Rolle für die optische Leistung spielt zudem die „Vergütung“. Dabei handelt es sich um eine Beschichtung, die Streulicht verhindert und die Lichtdurchlässigkeit des beschichteten Elements verbessert. Zudem werden interne Reflexionen zwischen Linsenelementen reduziert und das Anhaften von Staub, Wasser, Schmutz oder Fett auf dem Frontelement minimiert. Bei den Themen Reflexionen und Lichtdurchlässigkeit wird es spannend, denn je mehr (auch korrigierende) Elemente sich in einer Konstruktion befinden, desto komplizierter wird die Reduktion der dadurch wiederum entstehenden Abbildungsfehler. Die geringere Zahl der verbauten Einzelelemente ist unter anderem ein Grund dafür, dass Festbrennweiten oft eine bessere Leistung zeigen, als vergleichbare Zoomobjektive.
Zum Schärfe-werkzeugkoffer der Objektiventwickler gehören auch stabilisierte Elemente im Objektiv (optischer Stabilisator). Immer häufiger finden wir aber sensorbasierte Lösungen, die auch Objektive stabilisieren, die ohne integrierten Stabilisator konstruiert wurden. (cm)