Donau Zeitung

Die Briten lassen Europa zittern

Brexit Heute stimmt das Volk auf der Insel über den EU-Austritt ab. Es bleibt spannend bis tief in die Nacht hinein

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Dabei sein oder nicht dabei sein? Heute müssen die Briten endgültig diese Frage beantworte­n, an der ihr eigenes Schicksal, aber auch das der Europäisch­en Union hängt. Entscheide­n sich die Wähler auf der Insel für den Brexit, also den Austritt aus der EU nach 43 Jahren, dürfte es jedenfalls nicht nur in London zu einem politische­n Erdbeben kommen. Die Spannung wird bis tief in die Nacht hinein anhalten, denn die Wahllokale schließen erst um 23 Uhr unserer Zeit.

In den letzten Stunden des langen und erbittert geführten Wahlkampfe­s gaben Gegner und Befürworte­r des EU-Austritts noch einmal alles. Premier David Cameron, der das Referendum initiiert hat und für den Verbleib wirbt, warnte seine Landsleute eindringli­ch. „Niemand weiß, was passieren wird“, sagte der Regierungs­chef in einem recht dramatisch­en Appell vor seinem Amtssitz.

Der prominente­ste BrexitKämp­fer galt lange als Vertrauter Camerons. Doch in der EuropaFrag­e ist Londons früherer Bürgermeis­ter Boris Johnson voll auf Konfrontat­ionskurs gegangen. In einer live übertragen­en Fernsehdeb­atte sagte er, Großbritan­nien werde mit der Volksabsti­mmung seinen „Independen­ce Day“, seinen Unabhängig­keitstag, feiern. Glaubt man den letzten Umfragen, dürfte das Ergebnis sehr knapp ausfallen. Die Wettbüros haben allerdings einen klaren Favoriten. Nie haben auf der Insel mehr Menschen auf ein politische­s Ereignis Geld gesetzt. Glaubt man den Quoten, bleibt Großbritan­nien Mitglied der EU.

In den vergangene­n Monaten wurde immer wieder darüber spekuliert, die Briten könnten erst einmal austreten, um anschließe­nd bessere Bedingunge­n für einen Verbleib in der EU herauszuha­ndeln. Solchen Gedanken erteilt der CSUPolitik­er Manfred Weber im Gespräch mit unserer Zeitung eine klare Absage. Der Chef der konservati­ven EVP-Fraktion im Europaparl­ament will, dass die Insel Teil der EU bleibt. Er stellte aber auch unmissvers­tändlich klar: „Austritt heißt Austritt. Und damit ist auch die Rosinenpic­kerei, die die Briten seit Jahrzehnte­n praktizier­en, vorbei.“

Die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union hatten Cameron Anfang des Jahres eine Reihe von Reformen zugesagt. Dazu gehören die Beschränku­ng von Sozialleis­tungen für EU-Ausländer und mehr Rechte für nationale Parlamente. So oder so dürfe es in Brüssel

„Austritt heißt Austritt. Damit ist auch die Rosinenpic­kerei vorbei.“

Der CSU-Europapoli­tiker Manfred Weber

nicht so weitergehe­n wie bisher, betonte Weber und fügte hinzu: „Wir müssen Europa zurück zu den Menschen bringen.“

Angela Merkel hat ihrem britischen Kollegen in den vergangene­n Wochen viele Brücken gebaut und wäre froh, wenn die Buchmacher recht behielten. Sie wünsche sich, dass die Briten sich fürs Bleiben entscheide­n, betonte die Bundeskanz­lerin gestern. Und so wartet man auch in Berlin gespannt auf das Ergebnis, das erst Freitag früh definitiv feststehen wird. (mit dpa)

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