Donau Zeitung

Leitartike­l

Der Ton in der politische­n Debatte verschärft sich dramatisch. Wie es so weit kommen konnte und weshalb es wenig bringt, Populisten zu beschimpfe­n

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger-allgemeine.de

Wie fängt man einen Leitartike­l an, der sich um Hass dreht? Um das vergiftete politische Klima in Deutschlan­d, aber auch in vielen anderen Ländern. Mit welchen Worten beginnt man einen Text, der sich damit beschäftig­t, dass immer mehr Menschen Worte zu Waffen machen? Dass es Politiker gibt, die Angst schüren, nur um Stimmen zu holen.

Eigentlich möchte man den eigenen Frust und die Fassungslo­sigkeit über den enthemmten, manchmal unerträgli­chen Umgangston in Sätze fassen. Man möchte die Hetzer mit ihrem eigenen Hass konfrontie­ren. Man möchte voller Wut auf die Wut der anderen antworten. Aber das bringt nichts. Denn wer wütend ist, verlernt das Zuhören.

Wir leben in einer Zeit der Polarisier­ung. Einer Zeit, in der Politik zur Frage von Gut und Böse, von Rettung und Untergang stilisiert wird. Besonders deutlich ist das in der Flüchtling­sfrage zu spüren: Wer davor warnt, Deutschlan­d sei mit hunderttau­senden Menschen aus fremden Kulturen überforder­t, betont sicherheit­shalber gleich mal, dass er nichts mit braunem Gedankengu­t zu tun hat. Wer Frauen, Männern und Kindern in Not helfen will, wird als „linksversi­ffter Gutmensch“beschimpft. Beide Seiten stehen sich unversöhnl­ich und zunehmend aggressiv gegenüber.

Wo diese Polarisier­ung hinführen kann, erleben wir in Österreich. Dort wurde der Wahlkampf um das Amt des Bundespräs­identen zu einer niveaulose­n, von gegenseiti­ger Verachtung geprägten Schlammsch­lacht. Die Bewerber um den Platz im Weißen Haus in Washington gehen seit jeher nicht zimperlich miteinande­r um. Aber mit seiner Hetze gegen bestimmte Bevölkerun­gsgruppen hat Donald Trump die Grenzen noch weiter verschoben. Und in Großbritan­nien ist die Debatte um den EUAustritt komplett entgleist. Der Zorn wird zur politische­n Botschaft. Der Zorn auf Ausländer, auf die Globalisie­rung, auf Europa, auf politische Eliten, auf die Medien. Hinter dieser Wut steckt oft Angst. Aufgabe der Politik ist es, diese Angst – sei sie objektiv auch noch so unbegründe­t – ernst zu nehmen und Antworten darauf zu finden. Wer Probleme verharmlos­t, nährt erst recht das Misstrauen. Das hat die Kölner Silvestern­acht deutlich gezeigt. Zu lange neigte unser Land zur übertriebe­nen politische­n Korrekthei­t. Das ist historisch leicht zu erklären. Trotzdem war es fatal. Das Ergebnis ist eine unterschwe­llige Aggression, die nun umso stärker ausbricht. Waren die Grenzen dessen, was man sagen durfte, vorher zu eng gesetzt, scheint es jetzt gar keine Grenzen mehr zu geben. Heute ist „politisch korrekt“ein Schimpfwor­t und all jene, die außer Provokatio­n wenig zu bieten haben, halten sich für wahnsinnig mutig.

Demokratie lebt vom zivilisier­ten Streit. Doch der Umgangston hat sich so verschärft, dass manche Politiker inzwischen sogar um ihr Leben fürchten. Das Attentat auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker und der Mord an der britischen Brexit-Gegnerin Jo Cox zeigen, dass nichts mehr undenkbar ist.

„Menschen haben Ängste, aber es macht keinen Sinn, sie in ihren Ängsten zu stärken.“Besser als der Historiker Fritz Stern kann man es kaum ausdrücken. Seine Worte entlarven die Methode populistis­cher Bewegungen. Diese säen Misstrauen, sie ermutigen die Bürger, ihre Wut offen auszuleben. Sie stärken das Volk in seinen Ängsten, denn die Angst ist ihr Lebenselix­ier.

Darin liegt die Chance für alle politische­n Kräfte, denen es wirklich darum geht, Probleme zu lösen. Sie dürfen den Stimmungsm­achern nicht nachrennen. Sie müssen klare Kante zeigen. Es hilft aber auch wenig, Populisten und deren Anhänger zu beschimpfe­n. Wir dürfen Hass nicht mit Hass bekämpfen.

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