„Wer Populisten kopiert, macht sie stärker“
Interview Der CSU-Politiker Manfred Weber über den Dauerstreit seiner Partei mit der CDU, das explosive politische Klima und den Kampf gegen die neue Konkurrenz von Rechts
Sie nehmen ab morgen am Friedensgipfel von CSU und CDU teil. Warum soll dort das gelingen, was seit Monaten nicht gelungen ist: die Versöhnung der Schwesterparteien? Weber: In Potsdam treffen sich zwei eigenständige Parteien. Die CSU hat in den letzten Monaten gezeigt, wie wichtig sie als eigenständige bundespolitische Kraft ist. Es gibt in der Sache unterschiedliche Meinungen, das darf auch so sein. Aber wir müssen jetzt wieder deutlich machen: Wir werden bei der Bundestagswahl nur gemeinsam erfolgreich sein.
Zuletzt hatte man der Eindruck, der größte politische Gegner der CSU heißt Angela Merkel. Weber: Die CDU hat es uns nicht einfach gemacht, weil unsere Argumente lange Zeit zu wenig gehört wurden. Wir dürfen aber nicht nur über die Flüchtlingspolitik reden, sondern müssen auch die Gesamtbilanz dieser Bundesregierung sehen. Angela Merkel ist unsere Kanzlerin und sie ist eine erfolgreiche Kanzlerin. Dem Land geht es gut. Umso wichtiger wird es jetzt sein, wieder klarzumachen, wer wirklich unser politischer Gegner ist.
Sie meinen damit Rot-Rot-Grün? Weber: SPD-Chef Sigmar Gabriel bereitet ja offensichtlich den Schwenk nach links schon vor. Bei der nächsten Bundestagswahl geht es auch darum: Gibt es eine Regierung, an der Kommunisten beteiligt sind? Wir müssen gemeinsam mit unserer, auch von der CSU unterstützten Kanzlerin Angela Merkel alles daran setzen, dass dieses Land weiterhin von einer bürgerlichen Mehrheit regiert wird. Sie stehen also ohne Wenn und Aber zu einem gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU? Weber: Die Debatte in der Sache ist legitim. In der Migrationspolitik hat sich die CSU allein gegen den gesamten Mainstream in Berlin gestellt, für Maß und Mitte und geregelte Zustände gekämpft. Es wäre aber falsch, deshalb den gemeinsamen Weg insgesamt in Frage zu stellen. Es geht in der Politik nicht um Show, sondern um gute Antworten. Eine gute Flüchtlingspolitik machen wir als christliche Partei dann, wenn wir auf der einen Seite Menschen in Not helfen, auf der anderen Seite aber Recht und Ordnung an den Grenzen herstellen.
Ihr Parteichef Horst Seehofer hat stolz verkündet, das „Ende der Willkommenskultur“sei notariell besiegelt. Das hat christliche Wähler erschreckt. Was antworten Sie denen? Weber: Wir sollten aufhören, die Debatten der letzten Monate zu führen. Horst Seehofer hat mit seinen Taten deutlich gemacht, was Hilfsbereitschaft aus bayerischer Sicht bedeutet. Kein anderes Bundesland gibt so viel Geld für die Unterstützung und Integration der Menschen aus wie Bayern. Die Bilder von Flüchtlingen, die mit offenen Armen empfangen wurden, sind am Hauptbahnhof München oder in Passau entstanden. Wir müssen aber eben auch mit Maß und Vernunft an die Sache herangehen und über Grenzen der Hilfsbereitschaft reden. Die AfD hat – auch in Bayern – von den Sorgen vieler Leute profitiert. Was kann die CSU der neuen Konkurrenz von Rechts entgegensetzen? Weber: Wir müssen einen klaren Trennstrich zu allen radikalen Kräften ziehen. Die AfD macht den Menschen Angst, sie schürt damit Hass. Dagegen müssen wir massiv kämpfen. Gegen Populismus und Extremismus helfen nur gute Antworten in der Sache, die den Menschen die Sorgen nehmen.
Was sagen Sie zur Kritik, die CSU habe sich aus Angst, Wähler zu verlieren, der AfD zu sehr angenähert? Weber: Das ist doch Unsinn. Keiner kämpft so entschlossen gegen extreme Parteien wie die CSU. Eines ist aber völlig klar: Wer versucht, die Populisten zu kopieren und deren Sprache zu übernehmen, der macht die Populisten nur stärker. Ich sage: Auf in den Kampf! Wir müssen die AfD mit Argumenten in der Sache stellen und deren Methode, die Gesellschaft zu spalten, aufdecken und bekämpfen. Die politische Stimmung in vielen Ländern ist sehr explosiv. Macht Ihnen das Angst? Weber: Ja, das macht mir schon Sorgen. Die Debatten werden härter und aggressiver. Emotion ist wichtig, wir müssen sagen, wofür wir stehen. Aber wir sollten dabei auch vernünftig miteinander umgehen. Ohne gegenseitigen Respekt nimmt unsere Demokratie Schaden.
Manche Menschen haben das Gefühl, dass ihnen keiner mehr zuhört, dass Politiker die Mehrheitsmeinung ignorieren. Verstehen Sie das? Weber: Natürlich bedeutet Politik, nah an den Menschen zu sein, zuzuhören. Und das erfüllt die CSU wie keine andere Partei. Aber die Leute erwarten auch von Politikern, dass wir Orientierung geben und führen. Viele große Entscheidungen in der Bundesrepublik wurden in einer Zeit getroffen, als die Mehrheit der Menschen davon noch nicht restlos überzeugt war. Wir dürfen nicht zu einer Stimmungsdemokratie werden.
In den vergangenen Jahren haben große Krisen die Politik überlagert. Erst sprachen alle über Griechenland, dann über die Flüchtlinge. Was ist das große Thema für die Bundestagswahl? Weber: Das Bedürfnis nach Sicherheit. Den Menschen in Deutschland geht es gut. Aber Themen wie Syrien, Putin, Terror oder die Flüchtlingsströme treiben sie um. Die Leute sehnen sich nach Sicherheit und dafür sind Angela Merkel und Horst Seehofer Garanten. Die Kanzlerin ist international erfahren und steht für Stabilität, die CSU verkörpert Recht und Ordnung.
Nun droht auch noch der Austritt Großbritanniens aus der EU. Oder ist der Brexit nur ein großer Bluff, mit dem die Briten noch mehr Sonderrechte heraushandeln wollen? Weber: Wir alle wollen, das Großbritannien dabeibleibt. Alle, die darauf spekulieren, mit einem möglichen Brexit könnte man noch bessere Bedingungen erzielen, werden wir enttäuschen. Da wird das Europäische Parlament nicht mitspielen. Austritt heißt Austritt. Und damit ist auch die Rosinenpickerei, die die Briten seit Jahrzehnten praktizieren, vorbei. Klar ist aber auch: Es kann nach dem Referendum in der EU nicht so weitergehen wie bisher. Wir müssen Europa zurück zu den Menschen bringen.
„Angela Merkel ist ein Garant für Sicherheit.“
Die zweite große Baustelle der EU heißt Türkei. Warum fordern Sie das Ende der Beitrittsverhandlungen? Weber: Diese Gespräche werden von beiden Seiten nicht ehrlich geführt, weil alle sagen, es werde sowieso nie zum Beitritt kommen. Es ist besser, wenn wir mit der Türkei pragmatisch einzelne Verträge schließen, wie beispielsweise in der Flüchtlingsfrage. Nur so funktioniert eine Partnerschaft mit der Türkei.
Interview: Michael Stifter
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Manfred Weber stammt aus Niederbayern. Der 43-Jährige ist Mitglied im CSU-Präsidium und seit 2014 Vorsitzender der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.