Wenn große Schiffe nur kleine Fische fangen
Flüchtlingskrise Ob Schlepper oder Waffenschmuggler: Der Einsatz der Marine vor Libyens Küste hat einen Haken
Berlin Mehr als 15 000 Menschen hat die Bundeswehr seit Juni vergangenen Jahres im Mittelmeer aus Seenot gerettet. Nun wird ihr Einsatz vor der libyschen Küste ausgeweitet: Die Einheiten der Marine, die dort kreuzen, sollen in Zukunft nicht nur gegen Schlepper vorgehen, sondern auch gegen Waffenschmuggler. Eine entsprechende Korrektur des Mandats hat das Kabinett am Mittwoch beschlossen, die Zustimmung des Bundestages gilt als sicher. Nach wie vor allerdings hat die Mission einen Haken: Die Soldaten dürfen nur auf hoher See operieren und nicht in libyschen Hoheitsgewässern.
Seit dem Sturz von Muammar alGaddafi im Herbst 2011 haben der Islamische Staat und andere extremistische Gruppen in dem zerfallenden Land massiv an Einfluss gewonnen. Die umkämpfte Hafenstadt Sirte ist dabei zum Umschlagplatz für Waffen geworden, die Schmuggler auf kleinen Booten von Tunesien und Ägypten aus nach Libyen schaffen. Gaddafis Heimatstadt Sirte gilt als wichtigste Basis des IS in Libyen.
Bleiben die Waffenschmuggler nahe genug an der Küste, stört auch künftig niemand ihre kriminellen Geschäfte – die libysche Küstenwache muss erst wieder neu aufgebaut werden. Transportieren sie ihre Ware jedoch durch internationale Gewässer, könnte das Geschäftsmodell der Waffenhändler schnell zerbrechen. Auf hoher See dürfen die EU-Schiffe verdächtige Boote bald stoppen, durchsuchen und beschlagnahmen. Dazu schicken sie sogenannte Boarding-Teams an Bord, die bewaffnet sind und eine Durchsuchung auch erzwingen können. Eine dieser Einheiten ist in Eckernförde bei Kiel stationiert.
Benannt ist die Mission nach einem Flüchtlingskind, das am 24. August im Mittelmeer an Bord der Fregatte Schleswig-Holstein geboren wurde: Sophia. Insgesamt beteiligen sich an ihr 1300 Soldaten und zivile Bedienstete aus 22 europäischen Ländern, das gegenwärtige Mandat der Bundeswehr erlaubt den Einsatz von bis zu 950 Soldaten. Im Moment sind an Bord der Schiffe, im Operations-Hauptquartier und auf dem italienischen Flaggschiff 400 deutsche Soldaten vor Ort. Bisher wurden 69 mutmaßliche Schlepper festgenommen und knapp 140 ihrer Boote unbrauchbar gemacht. Dabei allerdings handelt es sich in der Regel nur um „kleine Fische“. Die Strippenzieher der Schlepper-Mafia organisieren ihr Geschäft von der Küste aus und sind für die EU-Einheiten damit nicht greifbar. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex schätzt, dass sie alleine in diesem Jahr etwa 300 000 Flüchtlinge aus Libyen nach Europa schleusen werden.
Mit der Ausweitung des Einsatzes im Mittelmeer, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in dieser Woche einstimmig beschlossen hat, werde Europa an seiner „Gegenküste“mehr Ordnung schaffen, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der Kern der Mission, das Retten von Menschen in Seenot, bleibe dabei aber auf jeden Fall erhalten. Neben dem verstärkten Kampf gegen den Waffenschmuggel will die Bundeswehr nun auch libysche Küstenschützer ausbilden – aber nicht an Land, sondern auf ihren Schiffen auf hoher See. Außerdem ist eine Ausbildungsmission für libysche Sicherheitskräfte im benachbarten Tunesien im Gespräch. Libyen selbst bleibt für die Bundeswehr zunächst tabu.