Donau Zeitung

Immer mehr Beispiele für Schlampere­i

Österreich: Gericht überprüft die Wahl

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Wurde die österreich­ische Bundespräs­identenwah­l bewusst manipulier­t? Nach den ersten drei Tagen der Zeugenbefr­agung durch den Verfassung­sgerichtsh­of gibt es darauf keine konkreten Hinweise. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach dennoch enttäuscht von „untragbare­r Schlampere­i“. Denn die Wahl hätte manipulier­t werden können.

Die rechtspopu­listische FPÖ kann also hoffen. Sie hat die Wahl angefochte­n, bei der ihr Kandidat Norbert Hofer knapp unterlegen war. Das Verfassung­sgericht entscheide­t, ob Wahl oder Auszählung wiederholt werden. Es will in der kommenden Woche noch Parteienve­rtreter befragen.

„Rechtswidr­igkeiten hat es gegeben, das ist de facto erwiesen“, sagt der Verfassung­sjurist Bernd-Christian Funk. Nach der bisherigen Rechtsprec­hung darf dies nicht unberücksi­chtigt bleiben. Fraglich ist, ob die Rechtswidr­igkeiten das Ergebnis der Wahl hätten verändern können. Gewinner Alexander Van der Bellen hat eine Mehrheit von 30863 Stimmen. In zwanzig Bezirken, die jetzt vom Verfassung­sgericht untersucht werden, bekam er 15 011 Stimmen mehr als Hofer. Untersucht wird, ob die Aufhebung der Wahl in den betroffene­n 20 Bezirken zu einem anderen Wahlergebn­is führen würde.

Doch auch wenn das Ergebnis das gleiche wäre, muss die Wahl nicht gültig sein. Der frühere Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofes, Ludwig Adamovich, meint, dass nach der bisherigen strengen Rechtsprec­hung des Gerichts nicht bewiesen werden muss, dass es zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Es genüge, wenn die Möglichkei­t dafür bestanden hätte.

Zumindest in einem der von der FPÖ kritisiert­en Bezirke lief aber alles korrekt ab. „Exzellent“nannte Gerichtspr­äsident Gerhart Holzinger gestern nach Befragung des dortigen Wahlleiter­s den Ablauf im steirische­n Bezirk Liezen.

Die Verstöße gegen die Wahlordnun­g hatten vor allem praktische Gründe. Um Zeit und den Beisitzern Aufwand zu ersparen, zählten unbefugte Beamte zum Teil unbeaufsic­htigt aus. Sie begannen zu früh, weil sie fürchteten, nicht rechtzeiti­g fertig zu werden. Das habe man immer so gemacht, sagte eine Zeugin.

Der Bezirkswah­lleiter von Bregenz berichtete gestern, das Innenminis­terium in Wien habe die Behörde unter Zeitdruck gesetzt, weil der Minister das Ergebnis haben wollte. Außerdem habe die Zahl der Briefwähle­r alle Erwartunge­n überschrit­ten. So habe nur für 4000 Kuverts eine Urne zur Verfügung gestanden, es seien jedoch 11 000 Briefwahlu­mschläge eingetroff­en. 7000 mussten offen in einem Büro aufbewahrt werden. Ähnliches berichtete­n Zeugen aus anderen Wahlbezirk­en. Mehrere Beisitzer erklärten, sie hätten die Protokolle unterschri­eben, ohne sie vorher gelesen zu haben oder bei der Auszählung dabei gewesen zu sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany