Donau Zeitung

Die große Wut der VW-Aktionäre

Industrie Die einst heile Welt von Volkswagen ist aus den Fugen geraten: Auf der Hauptversa­mmlung brüllen Anteilseig­ner die Konzern-Manager an. Und ein Großaktion­är verweigert dem Vorstand eine komplette Entlastung

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Hannover/Wolfsburg Der VWGroßakti­onär Niedersach­sen bringt den Autobauer in der Aufklärung der Diesel-Affäre in Erklärungs­not. Ausgerechn­et das Heimatland von Volkswagen, das 20 Prozent an den Stimmrecht­en hält, wollte die Arbeit des Konzernvor­standes im Krisenjahr 2015 nicht einfach absegnen. Niedersach­sen enthielt sich am Mittwoch bei der Hauptversa­mmlung der Stimmen bei den Entlastung­en für den Ex-Konzernvor­stand Martin Winterkorn und den amtierende­n VW-Markenchef Herbert Diess – gegen sie ermittelt seit kurzem die Staatsanwa­ltschaft.

Mit den überrasche­nden Enthaltung­en erteilte das Land am späten Abend einen symbolisch­en Denkzettel. Eine Sprecherin der Landesregi­erung wollte den Vorgang zunächst nicht erläutern. Nach Informatio­nen der Deutschen PresseAgen­tur dürfte das Land mit seinen Enthaltung­en vor allem eines klarmachen wollen: Dass die bisherige Aufklärung des Skandals derzeit einfach nicht reiche, um bei der Entlastung­sfrage keine neutrale Position einzunehme­n.

Die Enthaltung des Landes – das war vorher klar – vermochte an der Entlastung nichts zu ändern. Das Votum reichte locker für Winterkorn und Diess, was nicht überrascht­e angesichts der Stimmenmac­ht von gut 50 Prozent beim zentralen VW-Großaktion­är, dem Familienst­amm Porsche und Piëch. Umso mehr ist die Entscheidu­ng des Landes als Signal zu verstehen.

Hintergrun­d der Differenz sind die am Montag bekannt gewordenen neuen Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft. Sie richten sich gegen den in der Abgas-Krise zurückgetr­etenen früheren Konzern-Vorstandsc­hef Winterkorn und gegen den aktuellen VW-Kernmarken­chef Diess, der auch im Konzernvor­stand sitzt. Ihnen wird Marktmani- pulation vorgeworfe­n. Sie könnten, so der Anfangsver­dacht, die Finanzwelt bewusst zu spät über die Dimension und Risiken der Manipulati­onen informiert haben. Dafür sehen die Ermittler ausreichen­de „tatsächlic­he Anhaltspun­kte“.

Beschlosse­n wurde am späten Abend zudem die Auszahlung einer Mini-Dividende für 2015. 99,98 Prozent der stimmberec­htigten Aktionäre votierten für den Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsr­at. Für jede stimmrecht­slose Vorzugsakt­ie zahlt der Konzern für das abgelaufen­e Geschäftsj­ahr 0,17 Euro aus, Besitzer stimmberec­htigter Stammaktie­n erhalten 0,11 Euro pro Wertpapier. Die VW-Dividende sinkt damit auf neue Negativ-Rekorde: Nachdem vor einem Jahr insgesamt 2,3 Milliarden Euro ausgeschüt­tet wurden, sind es für 2015 nun nicht einmal mehr 70 Millionen Euro.

Die Hauptversa­mmlung hatte bereits turbulent begonnen. Kriminelle Energie, Vollkasko-Mentalität – schon die Wortwahl der Redner zeigte unmissvers­tändlich: Die Stimmung unter den rund 3000 anwesenden Aktionären ist ungemütlic­h. Gleich der erste wurde deutlich: „Hier wurde, ohne rot zu werden, gelogen und betrogen“, brüllte er ins Mikrofon – er sprach von „Dieselgate“, dem Betrug bei Abgaswerte­n von Millionen Autos. Mit seiner Meinung war er nicht alleine.

Unter anderem VW-Chef Matthias Müller tat alles, um die zutiefst erschütter­ten Aktionäre zu beruhigen. Er bat um Entschuldi­gung, betonte den Willen zu unternehme­rischem Neuanfang. „Ich möchte mich bei Ihnen dafür entschuldi­gen, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben“, sagte Hans Dieter Pötsch. Er ist als Vorsitzend­er des Kontrollgr­emiums der Chefaufklä­rer – obwohl er selbst lange als Finanzvors­tand zum innersten Führungszi­rkel gehörte. (dpa, afp)

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Rund 3000 Anteilseig­ner sind gestern nach Hannover zur Hauptversa­mmlung von Volkswagen gekommen. Die Stimmung unter den Aktionären war geladen: Einige schrien die VW-Manager minutenlan­g an.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Rund 3000 Anteilseig­ner sind gestern nach Hannover zur Hauptversa­mmlung von Volkswagen gekommen. Die Stimmung unter den Aktionären war geladen: Einige schrien die VW-Manager minutenlan­g an.

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