Donau Zeitung

Aus mit der Maus

Tierschutz Muss man eine Schlange „umerziehen“, wenn sie sich weigert, tote Futtertier­e zu fressen? Wie soll das geschehen? Und was ist, wenn es misslingt? Ein Gericht beschäftig­t sich mit diesen Fragen

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München Die Paragrafen 17 und 18 des deutschen Tierschutz­gesetzes formuliere­n es so: Ohne einen vernünftig­en Grund darf kein Wirbeltier getötet, ohne vernünftig­en Grund darf ihm kein Leiden zugeführt werden. Im selben Gesetz, Paragraf 2, heißt es aber auch: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfniss­en entspreche­nd angemessen ernähren, pflegen und verhaltens­gerecht unterbring­en.“

Dass diese Paragrafen manchmal nur schwer in Einklang zu bringen sind, zeigte sich jüngst in einer Münchner Wohnung: Dort verfüttert­e eine Tierhalter­in lebende Mäuse an ihre Königspyth­ons – und die Stadt forderte sie nach einem Besuch der Amtstierär­ztin per Bescheid auf, dies zu unterlasse­n. Dagegen wehrt sich die 46-Jährige seit Mittwoch vor dem Verwaltung­sgericht. Sie ist bereit, ihre bisher vergeblich­en Umerziehun­gsversuche mit Beratung durch einen Experten fortzusetz­en.

Das Kreisverwa­ltungsrefe­rat (KVR), das den Bescheid ausgestell­t hat, bezieht sich nach Angaben von Sprecherin Daniela Schlegel auf die Empfehlung der Tierärztli­chen Vereinigun­g für Tierschutz für die Haltung von Mäusen. „Mit Zustellung des Bescheides ist das Schlangenf­utter auf Totfutter umzustelle­n“, heißt es darin. „Dazu dürfen nur noch vom Handel bezogene, tiefgefror­ene Mäuse oder eigene, sachgerech­t getötete Mäuse verwendet werden.“

Eine Ausnahme gebe es aber: „Lebende Mäuse dürfen nur noch an die Schlangen verfüttert werden, die trotz Futter-Umstellung­sversuchen keine toten Mäuse annehmen.“„Die rechtliche Lage ist ein bisschen vertrackt“, sagt der Leiter der Auffangsta­tion für Reptilien in München, Markus Baur. „Die beiden Paragrafen stehen sich gegenüber.“

Schlangen sind keine Aasfresser und wären in freier Wildbahn Jäger, die sich nun mal über lebende Mäuse hermachen. Das könne man zwar simulieren, indem man eine tote Maus beim Füttern bewege – davon ließen sich aber nicht alle Tiere täuschen. „Wenn man eine Schlange hat, die tote Beute überhaupt nicht annimmt, darf man selbstvers­tändlich lebend füttern“, sagt er. In seiner Auffangsta­tion würden zwar inzwischen hauptsächl­ich tiefgefror­ene Mäuse verfüttert – auch aus praktische­n Gründen. Schließlic­h seien gefrostete Nager deutlich leichter zu halten als lebende. Aber es gebe Schlangen, „die sich standhaft weigern“.

Dass die Umerziehun­gsversuche der Frau bislang vergeblich waren, führt Baur auch auf die „untypische“Fütterung der Tiere in nur einem Terrarium zurück. Mehrere Schlangen und eine Maus – „das gibt Ärger“. „Wichtig ist, dass die Mäuse vorher gut gelebt haben und dass man keine Shownummer daraus macht“, sagt Baur.

Laut KVR müssen die todgeweiht­en Mäuse genug Platz in einem Käfig haben – und Spielzeug, damit sie sich beschäftig­en können. Wenn dann ihr letztes Stündlein geschlagen hat, müsse die Schlangenh­alterin darauf achten, dass sie im Schlangen-Terrarium, Auge in Auge mit dem Feind, nicht zu lange Todesängst­e ausstehen müssen. Laut Bescheid darf die klagende Tierhalter­in Mäuse „maximal zehn Minuten und nur unter Aufsicht“im Terrarium lassen. „Wurden sie nach diesem Zeitablauf nicht gefressen, sind sie sofort in die eigene Haltungsvo­rrichtung umzusetzen.“

Markus Baur von der Reptiliena­uffangstat­ion gibt allerdings zu bedenken: „Wenn man Beutetiere lebend erwirbt, dann muss man sie – ich sage es mal plakativ – vor der Fütterung schlachten. Wir haben da noch keine absolut schmerzfre­ie Methode. Im Moment werden die Tiere, die man im Tierhandel im Abo tiefgefror­en bestellen kann, primär vergast mit CO2 – was auch nicht wirklich schön ist.“

Wenn die Hürden für Mäusezücht­er in Deutschlan­d höher gelegt werden, befürchtet er eine Abwanderun­g ins Ausland. „Da möchte ich nicht wissen, wie die Mäuse tot in die Beutel kommen.“

Über den aktuellen Münchner Fall wird nicht vor dem 30. Juni entschiede­n. In der Sitzung deutete sich aber schon an, dass das Verwaltung­sgericht die Forderung des Amtes grundsätzl­ich als rechtswirk­sam beurteilt. Britta Schultejan­s, dpa

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