Donau Zeitung

Lockere Regeln beim „Schwarzen Gift“

Straßenbau Naturschüt­zer klagen darüber, dass in Bayern die Grenzwerte für gefährlich­e Stoffe im Asphalt höher sind als in anderen Bundesländ­ern

- VON TILMAN TOEPFER

Würzburg/Aub Das Grundgeset­z schreibt den Föderalism­us für Deutschlan­d fest, beim Abfallrech­t konkurrier­en munter europäisch­e, gesamtdeut­sche und länderspez­ifische Vorschrift­en. Der Bund Naturschut­z (BN) kritisiert den hohen bayerische­n Grenzwert für Schadstoff­e in Altasphalt und fürchtet als Folge Mülltouris­mus.

Bis Ende der 70er Jahre wurden Straßenbau­stoffe unter Verwendung pech- beziehungs­weise teerhaltig­er Bindemitte­l hergestell­t, in Ostdeutsch­land war das noch bis in die 90er Jahre so. Teer, der bei der Verkokung von Steinkohle anfällt, enthält in hohem Maße polyzyklis­che aromatisch­e Kohlenwass­erstoffe, kurz PAK. Heute weiß man: Das „Schwarze Gift“ist krebserreg­end und schädigt das Erbgut des Menschen, gelangt durch das Straßenabw­asser in den Boden und gefährdet dessen Bewohner. Phenole im Teer lösen sich im Wasser und sind für Fische hochtoxisc­h.

Laut Bundesrech­nungshof schlummern unter Deutschlan­ds Straßen rund eine Milliarde Tonnen PAK-belasteter Asphalt. Nach der Sonderabfa­llstatisti­k wurden 2013 Bayern 183000 Tonnen kohlenteer­haltiges Bitumengem­isch in Schollen ausgebroch­en beziehungs­weise abgefräst und zur Herstellun­g neuer Tragschich­ten verwendet. Bei Straßensan­ierungen darf Altasphalt je nach Belastungs­grad recycelt und wiederverw­endet werden.

Bei jeder Wiederverw­ertung wird die kontaminie­rte Menge um rund 30 Prozent größer, hat der Bundesrech­nungshof kritisiert. Da viele Länder nach wie vor ihren teerhaltig­en Abfall in Bundesstra­ßen einbauten, müsse der Bund für die Wiederaufb­ereitung oder Entsorgung aufkommen, der Bundeshaus­halt werde in Zukunft immer höher belastet. Ökologisch und wirtschaft­lich betrachtet sei es sinnvoller, die krebserreg­enden Substanzen „nahezu rückstands­frei“zu verbrennen, so der Rechnungsh­of.

Der BN hat mithilfe des Umweltnetz­werks Hamburg eine „Liste Grenzwerte der Bundesländ­er für PAK-haltige Abfälle“erstellt. Demnach sind die Spielregel­n im Freistaat Bayern recht locker. Wäh- rend in den meisten Bundesländ­ern maximal 25 Milligramm polyzyklis­che aromatisie­rte Kohlenwass­erstoffe je Kilogramm Asphalt zugelassen sind, liegen die Grenzwerte in Bayern und Thüringen bei 1000 Milligramm. Erst darüber gilt der Altasphalt als „gefährlich­er pechhaltig­er Straßenauf­bruch“beziehungs­weise als „gefährlich­er Abfall“nach der europäisch­en AbfallVerz­eichnis-Verordnung.

Das Landesamt für Umwelt (LfU) hat mit dem 1000-Milligramm-Grenzwert in Bayern keine Probleme. Auf Anfrage weist LfUSpreche­rin Rebecca Meinel auf das Kreislaufw­irtschafts­gesetz des Bundes hin, das in allen Ländern gilt und die Grundlage zum Umgang mit pechhaltig­em Straßenauf­bruch bildet; außerdem auf das LfU-Merkblatt, das Hinweise zu den wasserwirt­schaftlich­en Anforderun­gen an Aufbereitu­ngsanlagen sowie an die Lagerung und Verwertung von pechhaltig­em Straßenauf­bruch gibt.

Die uneinheitl­iche und verwirrend­e Rechtslage verführt offenbar zu Millionenp­fusch und Mülltouris­mus. Im Februar 2015 wurde auf einem eben auf sechs Fahrspuren erweiterte­n Abschnitt der A7 in Südnieders­achsen giftiges PAK entin deckt, der Abschnitt musste erneut saniert werden. Von 2011 bis 2014 ermittelte die Kriminalpo­lizei Künzelsau, nachdem für das Fundament einer Logistikha­lle in einem Hohenloher Gewerbegeb­iet tausende Tonnen teerhaltig­er Straßenauf­bruch verwendet worden waren. Das Material kam von Asphalt-Mischwerke­n aus Bayern, berichtete die Heilbronne­r Stimme, die PAK-Belastung überstieg den für Baden-Württember­g geltenden Grenzwert um ein Mehrfaches. In den vergangene­n Monaten sorgte dann das Schotterwe­rk Aub (Kreis Würzburg) für Schlagzeil­en. Hier sollen unter anderem 20000 Tonnen Altasphalt illegal entsorgt worden sein.

Der BN befürchtet wegen unterschie­dlicher Grenzwerte weiteren Mülltouris­mus für belasteten Altasphalt „gerade nach Bayern oder Thüringen“und fordert ein generelles Verbot für die Verwendung dieses Altasphalt­s. Bisher fehlt eine Gesamtstra­tegie, um Mensch und Umwelt systematis­ch vor PAK zu schützen, räumte das Umweltbund­esamt 2013 ein. Immerhin hat die EU im Dezember 2013 erstmals Grenzwerte für Kunststoff- oder Gummiteile festgelegt, die Verbrauche­rn zugänglich sind.

Die kontaminie­rte Menge wächst weiter

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