Was, wenn die Briten Goodbye sagen?
Brexit Wir haben mit Banken und einem Exilbriten gesprochen. Und mit dem Chef von Gartner, der bald nach Großbritannien zieht
Landkreis Klaus Lother sagt es deutlich: Mit Amerika ist Großbritannien momentan der wichtigste Markt für den Gundelfinger Fassadenspezialisten Josef Gartner. Trotzdem ist dem Geschäftsführer von Gartner nicht bange, wenn die Briten heute für den Austritt aus der EU, den sogenannten Brexit, stimmen würden: „Unsere Geschäftspartner sind international aufgestellt und investieren langfristig. Wir sehen keinen Bauherren, der deswegen eine Entscheidung zurückstellt. Deshalb erwarten wir für unser Geschäft keinen wirklichen Einfluss. Wir gehen davon aus, dass es in den nächsten zwei, drei Jahren auf hohem Niveau weitergeht.“Weil Gartner in Großbritannien so erfolgreich ist, ist Lother momentan sehr oft vor Ort. Er spürt die Unzufriedenheit der Menschen. „Das muss man anerkennen.“Trotzdem hält er einen Austritt der Briten aus der EU für den falschen Weg. „Die lokale Wirtschaft wird es dann nicht einfach haben.“
Lother jedenfalls würde sich wünschen, dass sich die Briten für einen Verbleib in der EU entscheiden. Auch, weil er schon in einigen Wochen mit seiner Familie auf die Insel ziehen wird. Dort baut die Permasteelisa Group, der italienische Mutterkonzern von Gartner, sein neues europäisches Hauptquartier auf. Weil Lother schon seit Längerem das Europageschäft des Konzerns verantwortet, wechselt er über den Ärmelkanal. Geschäftsführer von Gartner bleibt er trotzdem weiterhin. Dabei unterstützt ihn künftig Jürgen Wax, der zum 1. Juli in die Geschäftsführung der Josef Gartner GmbH aufsteigt.
Ebenso wie Gartner-Geschäftsführer Klaus Lother wünscht sich auch Christopher L. Fryars, dass seine Landsleute heute nicht aus der EU ausscheren. Seit 30 Jahren lebt er in Deutschland, hat in seiner neuen Heimat die Firma CLF Plant Climatics gegründet, die in Wertingen ihren Sitz hat. Der Brite Fryars sagt klar: „Ich halte es für absolut sinnlos und schlecht für Großbritannien, wenn das Land jetzt aus der EU austritt.“Insbesondere auf der Seite der älteren Briten hat Fryars eine zunehmende Desillusionierung mit Europa ausgemacht. Dass die enttäuschten Alten nun mit ihrer Entscheidung die Zukunft der Jungen gefährden könnten, stimmt ihn nachdenklich. Besonders problematisch sei dieser Generationenkonflikt deswegen, weil die Abstimmung auf einen Wochentag fällt. „Da sind die Jüngeren beschäftigt, das ist sehr ungünstig.“
Auch Fryars selbst hätte gerne beim Referendum abgestimmt. Doch als er sich informierte, musste er feststellen, dass er dazu als Exilbrite, der schon so lange außer Landes wohnt, gar nicht berechtigt ist. Unabhängig davon hat der 71-Jährige aber schon das Einbürgerungsverfahren in Deutschland eingeleitet und sagt: „Ich werde meinen britischen Pass wahrscheinlich abgeben.“Mit dem möglichen EU-Aus- tritt der Briten habe das allerdings nichts zu tun. Eher mit der gesellschaftlichen Entwicklung in seiner Heimat und in der Bundesrepublik: „Ich habe eine große Bewunderung dafür, wie Deutschland sich in den vergangenen 30 Jahren entwickelt hat. Hier hat die Demokratie einen viel höheren Stellenwert. Deutschland hat sich stark geöffnet. In England dagegen ist es kälter geworden. Vielleicht auch angetrieben durch den Finanzplatz London.“
Wenn der nun nicht mehr Teil der EU ist, was bedeutet das dann für den Wirtschaftsstandort Deutschland? Rainer Hönl von der Raiffeisenbank Donau-Mindel sagt klar: „Das wäre nicht gerade lustig.“Trotzdem teilt er nicht die Einschätzung, dass ein Austritt an den Börsen zu einem „schwarzen Freitag“führen würde. „Aber natürlich sind die Börsen gerade volatil.“Insgesamt ist sich Hönl aber sicher, dass Großbritannien weiter ein wichtiger Handelspartner bleibt. Dazu müssten viele Dinge in einer Übergangsphase dann bilateral geregelt werden. „Das kostet uns natürlich Geld. Und die Engländer auch.“
Thomas Schwarzbauer von der Kreis- und Stadtsparkasse Dillingen erwartet für den Fall des Brexits für Großbritannien und die EU 2017 eine deutliche Verlangsamung des Wachstums. Auch zu Finanzmarktturbulenzen könne es kommen. Man habe die Kunden, die in unmittelbarer Geschäftsbeziehung zum Wirtschaftsraum Großbritannien stehen, deshalb schon im Vorfeld des Referendums bei Fragen der Geldanlage oder Finanzierung unterstützt.
„Da sind die Jüngeren beschäftigt, das ist sehr ungünstig.“
Christopher L. Fryars