Sohn wollte Vater die Augen ausdrücken
Prozess Das Gericht verurteilt einen 25-jährigen Mann aus Lauingen wegen eines Angriffs auf seinen Vater: Er wollte ihm die Augen ausdrücken
Wegen eines Angriffs auf seinen Vater musste sich ein 25-Jähriger aus Lauingen in Augsburg vor Gericht verantworten.
Augsburg/Lauingen Der junge Mann auf der Anklagebank scheint sich zu amüsieren, obwohl die Straftat, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft, alles andere als eine Bagatelle ist. Der 25-Jährige, der noch im Haus seiner Eltern in Lauingen gelebt hat, soll seinen Vater im Streit gewürgt und versucht haben, ihm beide Augen zu zerquetschen. Doch die Zuhörer im Gerichtssaal, unter ihnen seine Eltern als Zeugen, erleben einen Angeklagten, der häufig höhnisch grinst, sich mitunter vor Lachen kaum einkriegt, wenn Beteiligte den Ablauf der Ereignisse in Worte zu fassen versuchen.
Welchen Eindruck sein Verhalten macht, scheint dem 25-Jährigen trotz mahnender Worte seiner Verteidigerin Sylvia Wunderle nicht zu interessieren. Ein Augsburger Schöffengericht hat nach dreitägiger Verhandlung den jungen Mann zu zweieinhalb Jahren Haft wegen vorsätzlicher und versuchter Körperverletzung verurteilt und die Einweisung in eine Suchtklinik ange- ordnet. Ohne eine Therapie, so ein Gutachter, seien von dem Angeklagten wegen seiner Drogen- und Alkoholsucht auch in Zukunft ähnliche Gewaltausbrüche zu erwarten. „An Wochenenden“, berichtete seine Mutter, „ging es bei uns immer wieder rund.“Ihr Sohn, gelernter Maler und Lackierer, seit Jahren aber arbeitslos, habe sich mit Schnaps „abgefüllt und zugesoffen“. Schon mit 13 begann er zu kiffen. „Er und mein Mann haben sich nicht bloß einmal am Hals gehabt. Meist fing es mit Schimpfworten an.“Die Situation zu Hause war problematisch: „Wir haben ihn mehrmals aufgefordert auszuziehen, aber er hatte ja kein Geld.“An einem Dezemberabend eskaliert die Situation, der Sohn hat ein befreundetes Pärchen eingeladen. In seiner Dachstube werden je eine Flasche Wodka und Ramazotti „vernichtet“. Dazu hören sie laut Musik, was die Mutter auf den Plan ruft, weil sie am nächsten Tag früh zur Arbeit muss. Dies und eine abfällige Geste lässt ihren Sohn ausrasten.
Wutentbrannt zerschlägt er einen Glastisch, stürzt sich auf den herbeieilenden Vater. „Er ging wie ein Tier auf mich los und hat mich gewürgt“, schildert der 55-Jährige vor Gericht. Vater und Sohn kämpfen, bis dieser ihm beide Daumen in die Augenhöhlen drückt. Im Polizeiprotokoll heißt es später: „Dem Opfer tritt Flüssigkeit aus den Augen. Beide sind stark blutunterlaufen.“Der 55-Jährige hat Glück, trägt keine bleibenden Schäden davon. Der Zweikampf endet, als es dem Vater gelingt, sich loszureißen. Um Hilfe schreiend rennt er aus dem Haus, wo draußen der Freund des Angeklagten eine Zigarette raucht. Gemeinsam gelingt es, den Tobenden, der weiter um sich schlägt und beide Männer durch Bisse verletzt, am Boden zu fixieren, bis die Polizei eintrifft.
Die brutale Attacke ihres Sohnes hat die Eltern verschreckt. Wie sehr, wird erkennbar, als im Prozess Richterin Rita Greser den Vater fragt, ob er seinen Sohn wieder bei sich aufnehmen würde. Sie hört zunächst ein klares „Nein“. Doch Minuten später korrigiert sich der Zeuge und sagt „Ja“– „wenn mein Sohn eine Therapie gemacht hat“. Dem 55-Jährigen ist anzumerken, wie unangenehm ihm ist, sein Kind belasten zu müssen. Hatte er vor der Polizei noch ausgesagt, Angst vor seinem Sohn zu haben, rückt er im Prozess davon ab, zieht auch seine Strafanzeige zurück. Als er begründen muss, warum, bricht der Zeuge in Tränen aus. „Ich habe schon einmal ein Kind verloren“, erwidert der Mann schluchzend.
Staatsanwältin Julia Kühn wollte in ihrem Plädoyer nicht ausschließen, dass der Angeklagte aufgrund einer Kopfverletzung, die er bei einem Arbeitsunfall erlitt, heute psychisch krank ist. Er sei jedoch, darin waren sich Anklägerin, Gericht und Gutachter einig, für seine Tat schuldfähig, wenn auch nur vermindert. Der 25-Jährige hatte an dem Abend 2,3 Promille Alkohol im Blut, er war stark betrunken.
Um Hilfe schreiend rannte der Vater aus seinem Haus