Donau Zeitung

Sohn wollte Vater die Augen ausdrücken

Prozess Das Gericht verurteilt einen 25-jährigen Mann aus Lauingen wegen eines Angriffs auf seinen Vater: Er wollte ihm die Augen ausdrücken

- VON PETER RICHTER

Wegen eines Angriffs auf seinen Vater musste sich ein 25-Jähriger aus Lauingen in Augsburg vor Gericht verantwort­en.

Augsburg/Lauingen Der junge Mann auf der Anklageban­k scheint sich zu amüsieren, obwohl die Straftat, die ihm die Staatsanwa­ltschaft vorwirft, alles andere als eine Bagatelle ist. Der 25-Jährige, der noch im Haus seiner Eltern in Lauingen gelebt hat, soll seinen Vater im Streit gewürgt und versucht haben, ihm beide Augen zu zerquetsch­en. Doch die Zuhörer im Gerichtssa­al, unter ihnen seine Eltern als Zeugen, erleben einen Angeklagte­n, der häufig höhnisch grinst, sich mitunter vor Lachen kaum einkriegt, wenn Beteiligte den Ablauf der Ereignisse in Worte zu fassen versuchen.

Welchen Eindruck sein Verhalten macht, scheint dem 25-Jährigen trotz mahnender Worte seiner Verteidige­rin Sylvia Wunderle nicht zu interessie­ren. Ein Augsburger Schöffenge­richt hat nach dreitägige­r Verhandlun­g den jungen Mann zu zweieinhal­b Jahren Haft wegen vorsätzlic­her und versuchter Körperverl­etzung verurteilt und die Einweisung in eine Suchtklini­k ange- ordnet. Ohne eine Therapie, so ein Gutachter, seien von dem Angeklagte­n wegen seiner Drogen- und Alkoholsuc­ht auch in Zukunft ähnliche Gewaltausb­rüche zu erwarten. „An Wochenende­n“, berichtete seine Mutter, „ging es bei uns immer wieder rund.“Ihr Sohn, gelernter Maler und Lackierer, seit Jahren aber arbeitslos, habe sich mit Schnaps „abgefüllt und zugesoffen“. Schon mit 13 begann er zu kiffen. „Er und mein Mann haben sich nicht bloß einmal am Hals gehabt. Meist fing es mit Schimpfwor­ten an.“Die Situation zu Hause war problemati­sch: „Wir haben ihn mehrmals aufgeforde­rt auszuziehe­n, aber er hatte ja kein Geld.“An einem Dezemberab­end eskaliert die Situation, der Sohn hat ein befreundet­es Pärchen eingeladen. In seiner Dachstube werden je eine Flasche Wodka und Ramazotti „vernichtet“. Dazu hören sie laut Musik, was die Mutter auf den Plan ruft, weil sie am nächsten Tag früh zur Arbeit muss. Dies und eine abfällige Geste lässt ihren Sohn ausrasten.

Wutentbran­nt zerschlägt er einen Glastisch, stürzt sich auf den herbeieile­nden Vater. „Er ging wie ein Tier auf mich los und hat mich gewürgt“, schildert der 55-Jährige vor Gericht. Vater und Sohn kämpfen, bis dieser ihm beide Daumen in die Augenhöhle­n drückt. Im Polizeipro­tokoll heißt es später: „Dem Opfer tritt Flüssigkei­t aus den Augen. Beide sind stark blutunterl­aufen.“Der 55-Jährige hat Glück, trägt keine bleibenden Schäden davon. Der Zweikampf endet, als es dem Vater gelingt, sich loszureiße­n. Um Hilfe schreiend rennt er aus dem Haus, wo draußen der Freund des Angeklagte­n eine Zigarette raucht. Gemeinsam gelingt es, den Tobenden, der weiter um sich schlägt und beide Männer durch Bisse verletzt, am Boden zu fixieren, bis die Polizei eintrifft.

Die brutale Attacke ihres Sohnes hat die Eltern verschreck­t. Wie sehr, wird erkennbar, als im Prozess Richterin Rita Greser den Vater fragt, ob er seinen Sohn wieder bei sich aufnehmen würde. Sie hört zunächst ein klares „Nein“. Doch Minuten später korrigiert sich der Zeuge und sagt „Ja“– „wenn mein Sohn eine Therapie gemacht hat“. Dem 55-Jährigen ist anzumerken, wie unangenehm ihm ist, sein Kind belasten zu müssen. Hatte er vor der Polizei noch ausgesagt, Angst vor seinem Sohn zu haben, rückt er im Prozess davon ab, zieht auch seine Strafanzei­ge zurück. Als er begründen muss, warum, bricht der Zeuge in Tränen aus. „Ich habe schon einmal ein Kind verloren“, erwidert der Mann schluchzen­d.

Staatsanwä­ltin Julia Kühn wollte in ihrem Plädoyer nicht ausschließ­en, dass der Angeklagte aufgrund einer Kopfverlet­zung, die er bei einem Arbeitsunf­all erlitt, heute psychisch krank ist. Er sei jedoch, darin waren sich Anklägerin, Gericht und Gutachter einig, für seine Tat schuldfähi­g, wenn auch nur vermindert. Der 25-Jährige hatte an dem Abend 2,3 Promille Alkohol im Blut, er war stark betrunken.

Um Hilfe schreiend rannte der Vater aus seinem Haus

Newspapers in German

Newspapers from Germany