Donau Zeitung

Leitartike­l

Die Schwesterp­arteien wollen sich beim Friedenstr­effen nach monatelang­em Streit wieder näherkomme­n. Warum der Konflikt in der Union nur schwer zu lösen ist

- VON JÖRG SIGMUND joes@augsburger-allgemeine.de

Geschwiste­r streiten sich, Geschwiste­r vertragen sich wieder. So einfach könnte es sein. Doch wer glaubt, dass CDU und CSU nach ihrem zweitägige­n „Friedensgi­pfel“in Potsdam in großer Harmonie auseinande­rgehen werden, schraubt die Erwartunge­n zu hoch. Der monatelang­e Zwist in der Union mit gegenseiti­gen Attacken hat viel zu tiefe Spuren hinterlass­en, als dass man von heute auf morgen sagen könnte: Alles ist gut, wir mögen uns wieder. Anderersei­ts ist auch nicht zu erwarten, dass der Konflikt zwischen Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer neu befeuert wird. Auch deshalb nicht, weil der eigentlich­e Auslöser der Kontrovers­e, Merkels umstritten­e Asylpoliti­k, größtentei­ls ausgeklamm­ert wird – auch wenn die Flüchtling­skrise längst nicht bewältigt ist.

Mit einer „totalen Normalisie­rung“(Seehofer) des angespannt­en Verhältnis­ses zwischen den beiden Schwesterp­arteien ist also kaum zu rechnen. CDU und CSU wollen vielmehr über Sachthemen zu mehr Gemeinsamk­eit kommen und eine neue Vertrauens­basis schaffen – mit „preußische­r Disziplin und bayerische­r Geradlinig­keit“, wie es CDU-Generalsek­retär Peter Tauber sagte. Kurz: Auf drängende Zukunftsfr­agen sollen Antworten gefunden werden. Dass dabei bereits Details über Steuerund Rentenrefo­rm – auch hier gehen die Meinungen in der Union bekanntlic­h auseinande­r – besprochen werden, ist ebenso unwahrsche­inlich wie die Einigung, mit einem gemeinsame­n Wahlprogra­mm in den nächsten Bundestags­wahlkampf ziehen zu wollen. Konkrete Ergebnisse sind bei der Klausur nicht zu erwarten, es wird keinen Durchbruch geben.

Doch der ernste Wille zur Annäherung ist nach allem, was in den letzten Monaten im gegenseiti­gen Umgang schiefgela­ufen ist, da. CDU und CSU haben in der Vergangenh­eit immer wieder miteinande­r gerungen, um sich am Ende dann doch zusammenzu­raufen. Nur einmal, 1976 zu Zeiten von Kohl und Strauß, sind die Streitigke­iten bis zum Äußersten getrieben worden – einem möglichen Bruch. Doch auch damals stand zum Schluss die Erkenntnis, dass die beiden Parteien gemeinsam mehr erreichen können als getrennt. So ist es auch heute. Mit dem entscheide­nden Unterschie­d, dass die CSU in Umfragen weiter hervorrage­nd dasteht, während die Sympathiew­erte für die CDU in den Keller gehen. Ohne die Stimmen der bayerische­n Schwester käme die CDU bei einer Bundestags­wahl zurzeit gerade mal auf etwa 25 Prozent. Schon deshalb wird die CSU in für sie wichtigen Themen wie Flüchtling­s- oder Steuerpoli­tik auf bisherigen Positionen beharren, ihr Profil nicht verwässern lassen oder gar einknicken. In Potsdam, heißt es aus Parteikrei­sen, dürfe keinesfall­s der Eindruck entstehen, die CSU kusche plötzlich und schwenke auf CDU-Linie ein. Es ist eine Wanderung auf schmalem Grat. Zumal auch die Auffassung­en in der Union vor dem Treffen unterschie­dlicher nicht sein könnten. Die CDU geht davon aus, man müsse endlich einen gemeinsame­n Kurs finden. Die CSU wiederum ist der festen Überzeugun­g, der CDU-Kurs sei falsch.

Hinter all dem steht die große Sorge der CSU, die absolute Mehrheit in Bayern zu verlieren. Denn gerade dieses Alleinstel­lungsmerkm­al macht ja ihre besondere bundesweit­e Bedeutung und Stärke aus. Nichts fürchten die Christsozi­alen mehr, als mit in den Abstiegsso­g der CDU zu geraten. Die CSU versteht sich als konservati­ve Korsettsta­nge der Union und wird ihre Positionen auch nach Potsdam nicht räumen. Dass sie dafür aktuell auch die Zustimmung der Wähler hat, macht die kleine bayerische Schwester noch selbstbewu­sster.

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