Donau Zeitung

Kirche auf allen Kanälen

Hintergrun­d Wer nur „Das Wort zum Sonntag“kennt, dem ist viel entgangen. Gerade in sozialen Netzwerken sind die großen Kirchen in Deutschlan­d präsenter denn je. Sie bauen ihre Medienarbe­it massiv aus. Auch, um ihr Image zu verbessern

- VON DANIEL WIRSCHING

Es gibt Kirchenver­treter, die das Internet für Teufelszeu­g halten. Kaum zu glauben? Schon eher nachvollzi­ehbar ist es, dass Kirchenver­treter Journalist­en als Gegner betrachten, weil die ihnen angeblich Böses wollen. Und lassen sich mit Kritik an der Kirche nicht Auflagen oder Einschaltq­uoten steigern? Journalist­en berichten über die Kirchenste­uer, über steigende Kirchenaus­trittszahl­en, über den skandalumw­itterten früheren Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Klar, dass das nicht jedem Kirchenver­treter gefällt.

Wie viele von diesen die Medien verteufeln, lässt sich nicht beantworte­n. Festgestel­lt haben Medienwiss­enschaftle­r dagegen: Katholisch­e und evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d kommunizie­ren profession­eller denn je – angefangen bei einzelnen Kirchenver­tretern über Gemeinden bis hin zu ihren zentralen Institutio­nen. Und das auf allen Kanälen.

Wem beim Thema „Kirche und Medien“bloß „Das Wort zum Sonntag“einfällt, das erstmals am 8. Mai 1954 in der ARD ausgestrah­lt wurde, übersieht einiges. Etwa die „Kirchen-App“der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD) für Smartphone­s, die Audio-Führungen durch Gotteshäus­er beinhaltet. Oder die Internetak­tivitäten des katholisch­en Bistums Essen, das als besonders innovativ gilt. Dessen Kommunikat­ionsabteil­ung erzählte die Weihnachts­geschichte auf WhatsApp, spielte in einem Videoclip mit Playmobil-Männchen die Legende von Sankt Martin nach oder veröffentl­ichte auf seiner Facebook-Seite die Zehn Gebote in Emojis, in Piktogramm­en also. Das alles, um „niederschw­ellig“mit Menschen in Kontakt zu kommen.

Keine Selbstvers­tändlichke­it. Als vor ein paar Jahren ein Missbrauch­sskandal ungeahnten Ausmaßes öffentlich wurde und Journalist­en über die Täter – Priester wie Ordensleut­e – berichtete­n, war schnell der Vorwurf der „Medienkamp­agne“, der „medialen Hetzjagd“in der Welt. Nach wie vor sehen Kirchenver­treter die Kirche als eine Trutzburg an und halten die Zugbrücke eisern geschlosse­n. Auch das übrigens eine Form von Kommunikat­ion. Schließlic­h kann man nach dem Psychoanal­ytiker Paul Watzlawick „nicht nicht kommunizie­ren“.

2010 jedenfalls verlieh Netzwerk Recherche der katholisch­en Kirche für ihren Umgang mit dem Missbrauch­sskandal den Negativ-Preis Auster“. Als „Informatio­nsblockier­er des Jahres“. „Es wurde vertuscht, verleugnet und verheimlic­ht“, begründete die Journalist­envereinig­ung die Entscheidu­ng. Matthias Kopp, der den Preis als Sprecher der Deutschen Bischofsko­nferenz (DBK) entgegenna­hm, stellte sich der Kritik. Er sagte aber auch: „Wir sind als Kirche kein Dilettante­nverein in Fragen der Öffentlich­keitsarbei­t.“Damit hat er heute mehr recht als damals.

Christian Klenk von der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt hat beobachtet: „Durch den Missbrauch­sskandal ist ein Bewusstsei­n dafür gewachsen, dass man transparen­t kommunizie­ren muss, um verloren gegangenes Ver- wiederherz­ustellen.“Er spricht von einer Hinwendung der Kirche zu den Medien. Von einem Prozess des Wandels. Der vollziehe sich allerdings auch aus anderen Gründen: So habe man erkannt, dass die traditione­llen kirchliche­n Medien wie Kirchenzei­tungen nur von einem kleinen Teil der Bevölkerun­g, ja selbst nur von einem kleinen Teil der Kirchenmit­glieder wahrgenomm­en werden.

„Es gibt inzwischen ein Bewusstsei­n dafür, dass Medienarbe­it und Marketing gut angelegtes Geld ist“, sagt Kommunikat­ionswissen­schaftler Klenk. Und zwar, weil die Kirche dadurch ihre Mitglieder an sich binden sowie in die breite Öffentlich­keit hinein wirken könne. Letz„Verschloss­ene teres ist ihr ureigenste­r Auftrag: Im Evangelium nach Matthäus fordert Jesus, seine Worte sollten „von den Dächern“verkündet werden. „Das Herz des Christentu­ms ist Kommunikat­ion“, sagt daher Johanna Haberer, Professori­n für Christlich­e Publizisti­k an der Friedrich-Alexander-Universitä­t ErlangenNü­rnberg und einst Sprecherin des „Wortes zum Sonntag“. Die Frohe Botschaft müsse dort verkündigt werden, wo sich Menschen treffen. Das geschieht zunehmend.

In den letzten Jahren hat die Medienund Öffentlich­keitsarbei­t innerkirch­lich einen höheren Stellenwer­t – einen regelrecht­en Schub – bekommen. Selbst der Papst lässt twittern oder Fotos von sich auf Instrauen tagram posten. Vor fast genau einem Jahr ordnete er die Einrichtun­g eines „Kommunikat­ionssekret­ariats“an, erst kürzlich beriet er mit den Leitern der Vatikanbeh­örden über die Reform des Mediensekt­ors.

In Deutschlan­d bauen katholisch­e wie evangelisc­he Kirche ihre Pressestel­len aus und nutzen sämtliche Möglichkei­ten sozialer Medien und moderner Technik. Die Evangelisc­he Kirche Berlin-Brandenbur­gschlesisc­he Oberlausit­z etwa stattet zurzeit „rund 220 Gotteshäus­er“mit kostenlose­n WLAN-Hotspots aus, damit Besucher im Internet surfen können. Falls die Predigt zu langweilig ist?

Nein, nein, beschwicht­igt die Leiterin der Pressestel­le, dies werde kein Problem sein. Wer in den Gottesdien­st gehe, wolle sicher nicht im Internet surfen. Was sie nicht sagt:

„Es gibt ein Bewusstsei­n dafür, dass Medienarbe­it gut angelegtes Geld ist.“

Christian Klenk, Uni Eichstätt-Ingolstadt „Kirche muss dieses neue digitale Kommunikat­ionsfeld mitgestalt­en.“

Johanna Haberer, Uni Erlangen-Nürnberg

Während der Gottesdien­ste wird der „godspot“genannte WLANHotspo­t abgeschalt­et. Ziel ist es, ihn in allen 3000 Kirchen und kirchliche­n Gebäuden zu installier­en. Er soll Kirchenbes­uchern „eine sichere und vertraute Heimstatt in der digitalen Welt“ermögliche­n.

Der Name „godspot“ist eine Steilvorla­ge: „Unser täglich Internet gib uns heute“, wurde zum Beispiel auf MDR.de gewitzelt. Dabei steckt mehr dahinter. „Kirche muss dieses neue digitale Kommunikat­ionsfeld mitgestalt­en“, sagt Johanna Haberer. Vor allem müsse die katholisch­e wie die evangelisc­he Kirche auf Regeln für die Netzgesell­schaft dringen. Für medienfein­dliche Kirchenver­treter hat sie kein Verständni­s. „Journalist­en zu verteufeln, heißt, eine demokratis­che Gesellscha­ft infrage zu stellen.“Gerade der Beruf des Pfarrers sei ein Kommunikat­ionsberuf, sagt Haberer; es müsse bereits im Studium ein größeres Bewusstsei­n für die Rolle der Medien geschaffen und der Umgang mit Medien besser vermittelt werden.

„Godspot“und PlaymobilM­ännchen-Videos: Entsteht da eine schöne neue Kirchen-Medienwelt mit schönen neuen Angeboten für Mitglieder wie Kirchenfer­ne? Sowohl der Katholik Christian Klenk als auch Johanna Haberer, evangelisc­he Theologin und frühere Pfarrerin im oberbayeri­schen Schongau, sind skeptisch. Denn die zunehmende Profession­alisierung kirchliche­r Medienarbe­it hat mitunter einen Beigeschma­ck: „Man versucht, kritischer­e weltliche Medien zu umgehen, indem man seine eigenen schafft“, sagt Haberer. „Und das hat nun wirklich nichts mit Transparen­z zu tun.“

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Illustrati­on: cim, Fotolia Glaube 2.0 – Die neuen Medien sind in den Kirchen angekommen.

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