Kirche auf allen Kanälen
Hintergrund Wer nur „Das Wort zum Sonntag“kennt, dem ist viel entgangen. Gerade in sozialen Netzwerken sind die großen Kirchen in Deutschland präsenter denn je. Sie bauen ihre Medienarbeit massiv aus. Auch, um ihr Image zu verbessern
Es gibt Kirchenvertreter, die das Internet für Teufelszeug halten. Kaum zu glauben? Schon eher nachvollziehbar ist es, dass Kirchenvertreter Journalisten als Gegner betrachten, weil die ihnen angeblich Böses wollen. Und lassen sich mit Kritik an der Kirche nicht Auflagen oder Einschaltquoten steigern? Journalisten berichten über die Kirchensteuer, über steigende Kirchenaustrittszahlen, über den skandalumwitterten früheren Limburger Bischof Tebartz-van Elst. Klar, dass das nicht jedem Kirchenvertreter gefällt.
Wie viele von diesen die Medien verteufeln, lässt sich nicht beantworten. Festgestellt haben Medienwissenschaftler dagegen: Katholische und evangelische Kirche in Deutschland kommunizieren professioneller denn je – angefangen bei einzelnen Kirchenvertretern über Gemeinden bis hin zu ihren zentralen Institutionen. Und das auf allen Kanälen.
Wem beim Thema „Kirche und Medien“bloß „Das Wort zum Sonntag“einfällt, das erstmals am 8. Mai 1954 in der ARD ausgestrahlt wurde, übersieht einiges. Etwa die „Kirchen-App“der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Smartphones, die Audio-Führungen durch Gotteshäuser beinhaltet. Oder die Internetaktivitäten des katholischen Bistums Essen, das als besonders innovativ gilt. Dessen Kommunikationsabteilung erzählte die Weihnachtsgeschichte auf WhatsApp, spielte in einem Videoclip mit Playmobil-Männchen die Legende von Sankt Martin nach oder veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite die Zehn Gebote in Emojis, in Piktogrammen also. Das alles, um „niederschwellig“mit Menschen in Kontakt zu kommen.
Keine Selbstverständlichkeit. Als vor ein paar Jahren ein Missbrauchsskandal ungeahnten Ausmaßes öffentlich wurde und Journalisten über die Täter – Priester wie Ordensleute – berichteten, war schnell der Vorwurf der „Medienkampagne“, der „medialen Hetzjagd“in der Welt. Nach wie vor sehen Kirchenvertreter die Kirche als eine Trutzburg an und halten die Zugbrücke eisern geschlossen. Auch das übrigens eine Form von Kommunikation. Schließlich kann man nach dem Psychoanalytiker Paul Watzlawick „nicht nicht kommunizieren“.
2010 jedenfalls verlieh Netzwerk Recherche der katholischen Kirche für ihren Umgang mit dem Missbrauchsskandal den Negativ-Preis Auster“. Als „Informationsblockierer des Jahres“. „Es wurde vertuscht, verleugnet und verheimlicht“, begründete die Journalistenvereinigung die Entscheidung. Matthias Kopp, der den Preis als Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) entgegennahm, stellte sich der Kritik. Er sagte aber auch: „Wir sind als Kirche kein Dilettantenverein in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit.“Damit hat er heute mehr recht als damals.
Christian Klenk von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hat beobachtet: „Durch den Missbrauchsskandal ist ein Bewusstsein dafür gewachsen, dass man transparent kommunizieren muss, um verloren gegangenes Ver- wiederherzustellen.“Er spricht von einer Hinwendung der Kirche zu den Medien. Von einem Prozess des Wandels. Der vollziehe sich allerdings auch aus anderen Gründen: So habe man erkannt, dass die traditionellen kirchlichen Medien wie Kirchenzeitungen nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung, ja selbst nur von einem kleinen Teil der Kirchenmitglieder wahrgenommen werden.
„Es gibt inzwischen ein Bewusstsein dafür, dass Medienarbeit und Marketing gut angelegtes Geld ist“, sagt Kommunikationswissenschaftler Klenk. Und zwar, weil die Kirche dadurch ihre Mitglieder an sich binden sowie in die breite Öffentlichkeit hinein wirken könne. Letz„Verschlossene teres ist ihr ureigenster Auftrag: Im Evangelium nach Matthäus fordert Jesus, seine Worte sollten „von den Dächern“verkündet werden. „Das Herz des Christentums ist Kommunikation“, sagt daher Johanna Haberer, Professorin für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg und einst Sprecherin des „Wortes zum Sonntag“. Die Frohe Botschaft müsse dort verkündigt werden, wo sich Menschen treffen. Das geschieht zunehmend.
In den letzten Jahren hat die Medienund Öffentlichkeitsarbeit innerkirchlich einen höheren Stellenwert – einen regelrechten Schub – bekommen. Selbst der Papst lässt twittern oder Fotos von sich auf Instrauen tagram posten. Vor fast genau einem Jahr ordnete er die Einrichtung eines „Kommunikationssekretariats“an, erst kürzlich beriet er mit den Leitern der Vatikanbehörden über die Reform des Mediensektors.
In Deutschland bauen katholische wie evangelische Kirche ihre Pressestellen aus und nutzen sämtliche Möglichkeiten sozialer Medien und moderner Technik. Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz etwa stattet zurzeit „rund 220 Gotteshäuser“mit kostenlosen WLAN-Hotspots aus, damit Besucher im Internet surfen können. Falls die Predigt zu langweilig ist?
Nein, nein, beschwichtigt die Leiterin der Pressestelle, dies werde kein Problem sein. Wer in den Gottesdienst gehe, wolle sicher nicht im Internet surfen. Was sie nicht sagt:
„Es gibt ein Bewusstsein dafür, dass Medienarbeit gut angelegtes Geld ist.“
Christian Klenk, Uni Eichstätt-Ingolstadt „Kirche muss dieses neue digitale Kommunikationsfeld mitgestalten.“
Johanna Haberer, Uni Erlangen-Nürnberg
Während der Gottesdienste wird der „godspot“genannte WLANHotspot abgeschaltet. Ziel ist es, ihn in allen 3000 Kirchen und kirchlichen Gebäuden zu installieren. Er soll Kirchenbesuchern „eine sichere und vertraute Heimstatt in der digitalen Welt“ermöglichen.
Der Name „godspot“ist eine Steilvorlage: „Unser täglich Internet gib uns heute“, wurde zum Beispiel auf MDR.de gewitzelt. Dabei steckt mehr dahinter. „Kirche muss dieses neue digitale Kommunikationsfeld mitgestalten“, sagt Johanna Haberer. Vor allem müsse die katholische wie die evangelische Kirche auf Regeln für die Netzgesellschaft dringen. Für medienfeindliche Kirchenvertreter hat sie kein Verständnis. „Journalisten zu verteufeln, heißt, eine demokratische Gesellschaft infrage zu stellen.“Gerade der Beruf des Pfarrers sei ein Kommunikationsberuf, sagt Haberer; es müsse bereits im Studium ein größeres Bewusstsein für die Rolle der Medien geschaffen und der Umgang mit Medien besser vermittelt werden.
„Godspot“und PlaymobilMännchen-Videos: Entsteht da eine schöne neue Kirchen-Medienwelt mit schönen neuen Angeboten für Mitglieder wie Kirchenferne? Sowohl der Katholik Christian Klenk als auch Johanna Haberer, evangelische Theologin und frühere Pfarrerin im oberbayerischen Schongau, sind skeptisch. Denn die zunehmende Professionalisierung kirchlicher Medienarbeit hat mitunter einen Beigeschmack: „Man versucht, kritischere weltliche Medien zu umgehen, indem man seine eigenen schafft“, sagt Haberer. „Und das hat nun wirklich nichts mit Transparenz zu tun.“