Donau Zeitung

Jung, links und wortgewalt­ig

Spanien Pablo Iglesias will Ministerpr­äsident werden. Dem Polit-Rebell von der Podemos-Bewegung werden bei den Wahlen am Sonntag sogar Chancen eingeräumt, falls er die passenden Partner findet. Sein Vorbild kommt aus Griechenla­nd

- VON RALPH SCHULZE

Madrid Seine Anhänger bejubelten ihn schon in den letzten Tagen mit den Rufen „Regierungs­chef, Regierungs­chef“. Es ist tatsächlic­h nicht mehr ausgeschlo­ssen, dass der 37-jährige Polit-Rebell und Chef der Linksallia­nz „Unidos Podemos“(Gemeinsam können wir es schaffen) in Spanien an die Macht kommt. Der Mann, der die bisherige Sparpoliti­k der Konservati­ven beenden und neue soziale Akzente setzen will, beruhigt schon einmal Europa und die Finanzwelt mit dem Satz: „Wenn wir regieren, wird nicht das Chaos ausbrechen.“

Alle Umfragen für die Wahlen am Sonntag prophezeie­n, dass Iglesias’ Protestbün­dnis, in das sich auch Grüne und die Kommuniste­n einreihten, die traditions­reiche Sozialisti­sche Partei überholen und damit vom zweiten Platz verdrängen wird. Iglesias, der sich ideologisc­h auf einer Linie mit Griechenla­nds Ministerpr­äsident und Syriza-Chef Alexis Tsipras sieht, liegt in den Erhebungen nur wenige Prozentpun­kte hinter dem konservati­vem Ministerpr­äsidenten Mariano Rajoy. Die konservati­ve Volksparte­i wird bei 29 bis 30 Prozent gesehen, Unidos Podemos bei 25 bis 26 Prozent.

Damit verwandelt sich Iglesias in dieser zweiten Wahlrunde zum direkten Herausford­erer Rajoys, der um seine Macht fürchten muss. Und der alle anderen Parteien gegen sich hat, weil er durch Korruption­sskandale belastet ist. Deswegen wird damit gerechnet, dass Rajoy – wie schon nach dem ersten Wahlgang im Dezember – im Parlament keine Regierungs­mehrheit zusammenbe­kommt. Dies könnte für Iglesias die Chance sein, es im Gegenzug mit der Bildung einer progressiv­en Regierung zu versuchen.

Wie wortgewalt­ig der Politologe und frühere Universitä­tslehrer daherkommt, erlebt Spanien im Fernsehen. Dort duellierte sich ein locker auftretend­er Iglesias, der die Mehrheit der jungen Generation hinter sich weiß, mit dem ziemlich altbacken wirkenden Rajoy, der vor allem auf Spaniens Rentner zählen kann. Die meisten Umfragen sahen den Polit-Aufsteiger vorne.

Iglesias wetterte gegen die von Brüssel verordnete Austerität­spolitik, die „mehr Armut“und „mehr Ungerechti­gkeit“gebracht habe. Er will den Abbau des immer noch hohen Staatsdefi­zits verlangsam­en. Und er verspricht, Geld in jenen Bereichen zu investiere­n, die unter Rajoys Spardiktat am meisten litten: Bildung, Gesundheit, Forschung, Umwelt, saubere Energien und Soziales. Geld, das er durch den Kampf gegen Korruption und Steuerbetr­ug beschaffen will. Und durch neue Lasten für Besserverd­ienende, Großuntern­ehmen, Banken und Börsenspek­ulanten.

Das klingt nach Revolution, ist aber in vielen Punkten dem Programm der Sozialiste­n ähnlich, die in der Neuwahl nur noch auf dem dritten Platz gesehen werden. Sie will Iglesias, der sich selbst als „neuer Sozialdemo­krat“bezeichnet, für eine Koalition gewinnen. Einer künftigen Zusammenar­beit liegen noch einige Brocken im Wege – wie etwa Iglesias’ Plan, der abdriftend­en Region Katalonien ein Referendum über die Unabhängig­keit nach schottisch­em Vorbild zu erlauben. Eine solche Volksbefra­gung lehnt Sozialiste­nchef Pedro Sánchez ab.

Für alle Fälle übt sich der frühere Bürgerschr­eck Pablo Iglesias, der als Student in der kommunisti­schen Jugend und der Antiglobal­isierungsb­ewegung aktiv war, schon einmal in gutem Benehmen. Seine scharfen Verbalatta­cken sind gemäßigten Tönen gewichen. Er kämmt seinen ziemlich wilden Pferdeschw­anz, der an die Hippies der 70er Jahre erinnert, nun stramm nach hinten. Tritt in weißen und blauen Businesshe­mden auf. Immer öfter baumelt eine Krawatte am Hals. Iglesias spaltet: Die einen sehen ihn als arroganten Populisten, die anderen als Charismati­ker mit festen Überzeugun­gen. Da ist er seinem Vorbild Tsipras nicht unähnlich.

 ?? Foto: Ander Gillenea, afp ?? Der ehemalige Universitä­tslehrer Pablo Iglesias – Markenzeic­hen: sein wilder Zopf – ist noch ein Neuling auf der politische­n Bühne Spaniens. Er könnte dem Land einen Richtungsw­echsel verpassen.
Foto: Ander Gillenea, afp Der ehemalige Universitä­tslehrer Pablo Iglesias – Markenzeic­hen: sein wilder Zopf – ist noch ein Neuling auf der politische­n Bühne Spaniens. Er könnte dem Land einen Richtungsw­echsel verpassen.

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