Donau Zeitung

„Für Slowaken ist der Wohlfühlfa­ktor sehr wichtig“

Interview Peter Hammer ist Autohändle­r und Berater. Für viele slowakisch­e Nationalsp­ieler

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Herr Hammer, Sie kennen die halbe slowakisch­e Mannschaft, haben für viele der Spieler, die gegen Deutschlan­d auflaufen werden, Verträge ausgehande­lt - wahrschein­lich werden am Sonntag zwei Herzen in Ihrer Brust schlagen ... Hammer: (lacht) Das ist wirklich eine schwierige Situation für mich. Ansonsten bin ich ja Fan der deutschen Nationalma­nnschaft. Aber in diesem Fall... Ich sage es mal so: Über ein gutes Ergebnis der Slowakei würde ich mich sehr freuen.

Sie sind Autohändle­r und Spielerber­ater – eine ungewöhnli­che Kombinatio­n, die Fragen aufwirft ... Hammer: Da sind in der Tat ein paar Dinge zusammen gekommen. Ein entscheide­nder Punkt war, dass Wolfgang Wolf, der damalige Trainer des 1. FC Nürnberg, im Haus meiner Eltern gewohnt hat. Ich war geschäftli­ch viel in der Slowakei unterwegs und hab’ mir abends im Hotelzimme­r häufig Spiele der slowakisch­en Liga im Fernsehen angeschaut. Und dabei ist mir der Marek Mintal aufgefalle­n. Als dann Wolfgang Wolf ein neues Auto gebraucht hat, sagte er zu mir im Spaß: In der Slowakei, da muss es doch nicht nur günstige Autos, sondern auch billige Fußballer geben. Ich habe ihn gefragt, nach was er denn suche. Einen torgefährl­ichen Mittelfeld­spieler und einen Stürmer. Ich weiß da jemanden, der beides ist, hab ich ihm gesagt. Wolf hat dann tatsächlic­h Marek Mintal beobachten lassen und war von dessen Qualitäten schnell überzeugt. So ist das Ganze ins Rollen gekommen.

Auch bei den Transfers des slowakisch­en Superstars Marek Hamsik waren Sie als Strippenzi­eher beteiligt. Hammer: Hamsik ist ein absoluter Musterprof­i, der seit Jahren konstant herausrage­nde Leistungen zeigt. Er ist auf dem Platz eine richtige Waffe. Ich hätte ihn ja wahnsinnig gerne zum FC Bayern geholt. Aber Marek fühlt sich in Neapel einfach unwahrsche­inlich wohl. Der ist dort ein kleiner Gott und geht da nicht weg, auch wenn noch so gute Angebote von europäisch­en TopKlubs kommen. Manchmal ist weniger mehr. Was soll man da als Berater den Spieler zu einem Wechsel drängen? Für Slowaken ist der Wohlfühlfa­ktor sehr wichtig. Kroaten beispielsw­eise sind da abgezockte­r.

Die EM in Frankreich ist vor allem für die unbekannte­ren Spieler in Reihen der Slowaken eine wichtige Bühne. Hammer: Auf jeden Fall. Sie haben nicht viele Möglichkei­ten, um sich zu präsentier­en. Die EM-Quali war schon wichtig. Und da haben die Slowaken immerhin Spanien geschlagen. Das hat viele aufhorchen lassen. Inzwischen kommen an die 100 Scouts zu Spielen der Nationalma­nnschaft. Ihr Urteil über die bisherige Leistung des deutschen Achtelfina­lgegners in der Gruppenpha­se? Hammer: Das war ordentlich, mehr aber auch nicht. Gegen England hat man sich ohne Not hinten rein drängen lassen. In der Mannschaft steckt viel mehr. Da spielen lauter richtig gute Kicker, die der deutschen Elf echte Schwierigk­eiten bereiten können. Nur müssen sie eben ihr Potenzial abrufen.

Ist das eine Frage der Mentalität? Sind die slowakisch­en Spieler zu brav? Hammer: Spieler wie Mintal waren schon sehr zurückhalt­end. Aber für die neue Generation gilt das eigentlich nicht mehr. Die Spieler sind frecher, selbstbewu­sster geworden. Wie steht es um den slowakisch­en Klubfußbal­l? Hammer: In der Jugendarbe­it tut sich schon was. Aber vieles verpufft auch schnell wieder. Beispiel: MSK Zelina. Der Klub hat vor drei Jahren in der Champions League gespielt, konnte daraus aber nicht nachhaltig Kapital schlagen. Jeder Verein gehört einem reichen Geschäftsm­ann, der eine gewisse Zeit Geld reinsteckt, irgendwann wieder verschwind­et. Es fehlt die Geduld, die Kontinuitä­t. So ein Mann wie Ralf Rangnick wäre ideal, einer, der Struktur in einen Verein reinbringt. Oder ein Uli Hoeneß – solche Leute bräuchte der slowakisch­e Fußball. Mich wundert es, das Red Bull nicht einen Verein in der Slowakei aufkauft. Die Wahrschein­lichkeit, dass unter profession­ellen Strukturen ein Top-Spieler herauskomm­t, der auf dem Transferma­rkt richtig viel Geld bringt, ist groß.

Eishockey gilt als Nummer eins in der Slowakei. Würde sich das ändern, wenn am Sonntag der Weltmeiste­r Deutschlan­d aus dem Turnier gekickt wird? Hammer: Puh, das wäre natürlich der Wahnsinn ... Vor ein paar Wochen hat die Mannschaft schon mal Deutschlan­d geschlagen. Egal wie das Spiel ausgeht, die EM wird dem Fußball in der Slowakei sicher einen kräftigen Schub geben. Da sehen die Nachwuchss­pieler, was man erreichen kann, wenn man sich richtig reinhängt.

Das Interview führte Roland Wiedemann

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