Ein ganz normaler Unterricht
Besuch Die Flüchtlingsklassen in der Höchstädter Berufsschule sind ein Erfolg. Wer sich davon gestern überzeugte
Höchstädt Wie heißt der höchste Berg in Deutschland? Wie viele Menschen leben in der Bundesrepublik? Und was sind eigentlich Bundesländer? Gemeinsam sprechen die jungen Männer die Antworten laut aus – mal mehr, mal weniger verständlich. Anschließend schreiben sie den vollständigen, grammatikalisch korrekten Satz auf ein Blatt Papier. Lehrerin Milena Baum notiert zur Hilfestellung den gleichen Satz. Ihre Aufzeichnung wird auf einer Leinwand live übertragen. Eine ganz normale Unterrichtseinheit in der V-Klasse mit zweithöchstem Sprachniveau am beruflichen Schulzentrum in Höchstädt. Die Besonderheit: Die jungen Männer sind alle Flüchtlinge und Asylbewerber.
Am gestrigen Freitag sind in dem Klassenzimmer weitere „Schüler“. Da sind Kameraleute, noch mehr Lehrer, Schulleiter und Stellvertreter, Vertreter aus der Wirtschaft und der Politik und noch einige mehr Menschen mit Hemd und Sakko. Unter ihnen sind Georg Eisenreich, Staatssekretär im Bayerischen Ministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw), und Dr. Markus Schmitz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesagentur für Arbeit der Regionaldirektion Bayern. Sie sind in Höchstädt, um die modellhafte Beschulung von Flüchtlingen und Asylbewerbern vor Ort in der Berufsschule zu sehen und Erfahrungen zu hören. Schmitz: „Wenn man die Schüler sieht, dann ist das beeindruckend, wie schnell sie Deutsch lernen.“Für ihn würde in Höchstädt ein wichtiger Lückenschluss zwischen Schule und Beruf geschaffen werden. Denn: In Höchstädt wird unter anderem das Modellprojekt „Perspektive Beruf für Asylbewerber und Flüchtlinge“umgesetzt. Daneben gibt es auch Berufsintegrationsklassen und zusätzliche Vorklassen mit unterschiedlichen sprachlichen Niveaus sowie Berufsübergangsjahrklassen. Außerdem legen Schulleiter Dr. Helmut Nebel und zuständiger Lehrer Konrad Lindner Wert auf praktische Erfahrungen – sowohl in der Schule und in Betrieben. Nebel: „Wir haben 2012 als erste Schule mit einer Klasse für Flüchtlinge begonnen. Die Dimensionen waren da noch nicht absehbar. Wir sind sehr stolz auf unsere vielen qualifizierten Lehrerinnen, die alle einen Migrationshintergrund haben und vier bis fünf Sprachen sprechen.“Knapp 200 junge Menschen werden aktuell in Höchstädt unterrichtet. Konrad Lindner fügt hinzu, dass auch die Schüler allesamt sehr bemüht seien und die Erfolge der Beschulung recht geben. „Das liegt auch an den guten Kooperationspartnern, mit denen wir zusammenarbeiten. Hilfreich ist vor allem, dass wir die Eingangsklassen homogen gestalten können, weil wir nach sprachlichem Niveau unterscheiden.“
Der 17-jährige Mohammed aus Afghanistan stellt das gestern eindrucksvoll unter Beweis. Im verständlichen und grammatikalisch richtigen Deutsch begrüßt er die Ehrengäste und erzählt, dass er seit acht Monaten in Deutschland und erst seit sechs Monaten in der Schule ist und trotzdem so schnell und so gut die Sprache erlernt hat. „Die Lehrerinnen sind sehr nett. Sie erklären uns alles.“Genau für solche junge Menschen habe die vbw 800 000 Euro bereitgestellt, sagt Bertram Brossardt. Und: „Wir sind damit breit aufgestellt und gerne der Hauptsponsor für das Modellprojekt.“Auch Staatssekretär Eisenreich betont, dass im Oktober deshalb zusätzlich 160 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, „um den Schulen auch Freiraum zu schaffen. Sie sind mit sehr viel Offenheit auf das Thema eingegangen und sind unglaublich selbstständig.“