Donau Zeitung

Ein ganz normaler Unterricht

Besuch Die Flüchtling­sklassen in der Höchstädte­r Berufsschu­le sind ein Erfolg. Wer sich davon gestern überzeugte

- VON SIMONE BRONNHUBER

Höchstädt Wie heißt der höchste Berg in Deutschlan­d? Wie viele Menschen leben in der Bundesrepu­blik? Und was sind eigentlich Bundesländ­er? Gemeinsam sprechen die jungen Männer die Antworten laut aus – mal mehr, mal weniger verständli­ch. Anschließe­nd schreiben sie den vollständi­gen, grammatika­lisch korrekten Satz auf ein Blatt Papier. Lehrerin Milena Baum notiert zur Hilfestell­ung den gleichen Satz. Ihre Aufzeichnu­ng wird auf einer Leinwand live übertragen. Eine ganz normale Unterricht­seinheit in der V-Klasse mit zweithöchs­tem Sprachnive­au am berufliche­n Schulzentr­um in Höchstädt. Die Besonderhe­it: Die jungen Männer sind alle Flüchtling­e und Asylbewerb­er.

Am gestrigen Freitag sind in dem Klassenzim­mer weitere „Schüler“. Da sind Kameraleut­e, noch mehr Lehrer, Schulleite­r und Stellvertr­eter, Vertreter aus der Wirtschaft und der Politik und noch einige mehr Menschen mit Hemd und Sakko. Unter ihnen sind Georg Eisenreich, Staatssekr­etär im Bayerische­n Ministeriu­m für Bildung und Kultus, Wissenscha­ft und Kunst, Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft e. V. (vbw), und Dr. Markus Schmitz, Vorsitzend­er der Geschäftsf­ührung der Bundesagen­tur für Arbeit der Regionaldi­rektion Bayern. Sie sind in Höchstädt, um die modellhaft­e Beschulung von Flüchtling­en und Asylbewerb­ern vor Ort in der Berufsschu­le zu sehen und Erfahrunge­n zu hören. Schmitz: „Wenn man die Schüler sieht, dann ist das beeindruck­end, wie schnell sie Deutsch lernen.“Für ihn würde in Höchstädt ein wichtiger Lückenschl­uss zwischen Schule und Beruf geschaffen werden. Denn: In Höchstädt wird unter anderem das Modellproj­ekt „Perspektiv­e Beruf für Asylbewerb­er und Flüchtling­e“umgesetzt. Daneben gibt es auch Berufsinte­grationskl­assen und zusätzlich­e Vorklassen mit unterschie­dlichen sprachlich­en Niveaus sowie Berufsüber­gangsjahrk­lassen. Außerdem legen Schulleite­r Dr. Helmut Nebel und zuständige­r Lehrer Konrad Lindner Wert auf praktische Erfahrunge­n – sowohl in der Schule und in Betrieben. Nebel: „Wir haben 2012 als erste Schule mit einer Klasse für Flüchtling­e begonnen. Die Dimensione­n waren da noch nicht absehbar. Wir sind sehr stolz auf unsere vielen qualifizie­rten Lehrerinne­n, die alle einen Migrations­hintergrun­d haben und vier bis fünf Sprachen sprechen.“Knapp 200 junge Menschen werden aktuell in Höchstädt unterricht­et. Konrad Lindner fügt hinzu, dass auch die Schüler allesamt sehr bemüht seien und die Erfolge der Beschulung recht geben. „Das liegt auch an den guten Kooperatio­nspartnern, mit denen wir zusammenar­beiten. Hilfreich ist vor allem, dass wir die Eingangskl­assen homogen gestalten können, weil wir nach sprachlich­em Niveau unterschei­den.“

Der 17-jährige Mohammed aus Afghanista­n stellt das gestern eindrucksv­oll unter Beweis. Im verständli­chen und grammatika­lisch richtigen Deutsch begrüßt er die Ehrengäste und erzählt, dass er seit acht Monaten in Deutschlan­d und erst seit sechs Monaten in der Schule ist und trotzdem so schnell und so gut die Sprache erlernt hat. „Die Lehrerinne­n sind sehr nett. Sie erklären uns alles.“Genau für solche junge Menschen habe die vbw 800 000 Euro bereitgest­ellt, sagt Bertram Brossardt. Und: „Wir sind damit breit aufgestell­t und gerne der Hauptspons­or für das Modellproj­ekt.“Auch Staatssekr­etär Eisenreich betont, dass im Oktober deshalb zusätzlich 160 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden, „um den Schulen auch Freiraum zu schaffen. Sie sind mit sehr viel Offenheit auf das Thema eingegange­n und sind unglaublic­h selbststän­dig.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany