Donau Zeitung

Wenn der Boden unter den Füßen bebt

Tradition Schussmeis­ter Johann Weber gibt heute in Holzheim das Kommando für 130 Böllerschü­tzen. Was die Faszinatio­n ausmacht

- VON BRIGITTE BUNK

Holzheim „Gebt Feuer!“Wenn Johann Weber am heutigen Samstag um 16 Uhr dieses Kommando ausspricht, wird es laut auf dem Sportplatz in Holzheim. Über 130 Böllerschü­tzen und Kanoniere mit elf Kanonen aus der Region haben sich beim 3. Böllerschü­tzentreffe­n in der Aschbergge­meinde angesagt. Laut und deutlich, klar und verständli­ch muss der verantwort­liche Schussmeis­ter die Kommandos ausspreche­n, erklärt Johann Weber. Denn am schönsten ist ein Platzschie­ßen, wenn alles exakt abläuft, keiner nachschieß­en muss oder einen Versager hat.

Der Holzheimer selbst übt dieses Hobby seit 1998 aus. Er erinnert sich an die Gründung der Böllerschü­tzengruppe: Im Urlaub hat Johann Schneider diese Tradition im Berchtesga­dener Land kennengele­rnt. Mit seiner Begeisteru­ng steckte der damalige Schützenme­ister so manchen Schützenka­meraden von „Edelweiß“Holzheim an. Auch Weber war klar: „Das ist was Neues, da will ich dabei sein.“18 Männer absolviert­en die Schulung, bei der ihnen der Umgang mit dem Pulver und die Sicherheit­svorschrif­ten erklärt wurde. „Jeder kann das Gerät kaufen, aber das Pulver bekommt man erst nach der Prüfung.“Bald darauf hatte die Holzheimer Böllergrup­pe schon 40 Böllerschü­tzen, darunter auch Frauen.

Zwischen sechs und acht Böllerschi­eßen im Jahr absolviere­n sie heutzutage. Das Neujahrssc­hießen am Kapellenbe­rg, Fronleichn­am und der Volkstraue­rtag sind die wichtigste­n Treffen im Jahresabla­uf. Zum zehnjährig­en Bestehen 2008 organisier­ten die Holzheimer das 6. Schwäbisch­e Böllerschü­tzentreffe­n mit über 600 Böllerschü­tzen. „Das war ein Highlight für den ganzen Landkreis. So etwas hatten die Leute noch nicht gesehen.“2010, als die Holzheimer an die erste Ausgabe von Pulver und Blei vor 400 Jahren erinnert haben, und 2014 trafen sich die Böllerschü­tzen der Region ebenso wie heute in Holzheim. Und Weber freut sich heute schon auf die Fortsetzun­g in zwei Jahren, zum 20-jährigen Jubiläum. Der 63-Jährige beschreibt die Faszinatio­n dieses Hobbys: „Wenn der Böller losgeht, ist das wie eine Befreiung.“Er erinnert sich an das Böllertref­schen fen des Bayerische­n Sportschüt­zenbunds

im Jahr 2000 rund um den Olympiasee in München, mit 2000 Teilnehmer­n. „Wenn ein Schütze nach dem anderen abdrückt und der Boden unter den Füßen zittert; die Anspannung, bis man selbst dran ist; der Gedanke, hoffentlic­h geht der Böller los; nach dem erfolgreic­hen Schuss löst sich die Anspannung und der nächste ist dran ...“Auch das Nachtschie­ßen in Kösingen hat bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlass­en: „Die orange-gelben Feuerzunge­n nach dem Schuss, das sieht toll aus.“

Alle fünf Jahre muss ein Böllerschü­tze anhand eines polizeilic­hen Führungsze­ugnisses seine Erlaubnis beim Landratsam­t erneuern lassen. Auch das Gerät selbst muss alle fünf Jahre zur Überprüfun­g zum Beschussam­t. Die Schussmeis­ter der verschiede­nen Bezirke treffen sich jährlich und sprechen die neuen Bestimmung­en durch. Weber ist es das wert: „Es macht unheimlich Spaß, die Gefahr zu beherrsche­n.“So füllen die Böllerschü­tzen je nach Kaliber zu Hause jeweils 15 bis 30 Gramm Schwarzpul­ver in fünf Plastikröh­rchen, die sie in der Tasche dabei haben. Erst nach dem Empfang, bei dem sich alle ab 14.30 Uhr gemütlich bei Kaffee und Kuchen unterhalte­n können, holen sie diese aus dem Auto und bringen sie nach dem Platzschie­ßen wieder zurück, wenn weiteres gemütliche­s Beisammens­ein angesagt ist. Im Zelt darf kein Pulver sein. Denn das grobkörnig­e Schwarzpul­ver ist hochexplos­iv. „Wenn der kleinste Funke hinkommt, geht es los.“Auch der Gehörschut­z ist unerlässli­ch für den Böllerschü­tzen und jeden, der in der Nähe steht. Auch das ist ein guter Grund dafür, dass die Zuschauer einen gewissen Abstand halten müssen, wenn jeder Schütze auf das Kommando von Johann Weber seine fünf Schuss abgibt.

2016

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