Donau Zeitung

Heute ist es die EM – damals war es das Galopp-Derby

-

Wenn heute Menschen mal für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen wollen, die schlechten Nachrichte­n ausblenden und sich gemeinsam mit anderen berieseln lassen wollen – dann gehen sie zum Public Viewing, stellen sich in die Menschenme­nge vor die Leinwand und fiebern gemeinsam mit der Fußball-Nationalel­f.

Auch im Ersten Weltkrieg suchen die Menschen in Deutschlan­d nach Zerstreuun­g. Noch bevor der Krieg ausgebroch­en ist, hat das Pferderenn­en an Beliebthei­t gewonnen – und auch der Krieg hemmt den Aufschwung dieses Trends nicht, es wird weiter eifrig gewettet.

Die Galopprenn­bahn in HamburgHor­n ist einer dieser Orte, wo Menschen zusammenko­mmen und im gemeinsame­n sportliche­n Ereignis aufgehen. Dort fanden bereits 1855 erste Rennen statt.

Aber am 25. Juni 1916 reißt ein junger Mann die Zuschauer besonders mit. Jockey-Lehrling Otto Schmidt gewinnt als völliger Außenseite­r auf dem Hengst Amorino das mit 125 000 Mark dotierte Rennen über eine Distanz von 2400 Metern. Diesen Sieg hat kaum einer erwartet, die Quoten sehen gut aus und die Wettumsätz­e an diesem außergewöh­nlichen Derby-Tag belaufen sich auf 1,25 Millionen Mark.

Dieses Ereignis, bei dem die Menschen gedanklich weit abseits vom Krieg schwelgen, findet beinahe ohne Unterbrech­ung regelmäßig statt. Einzig im Jahr 1919 muss es in Hamburg wegen revolution­ärer Unruhen abgesagt werden.

Bis heute findet auf der Rennbahn das Galopp-Derby statt. Die Summe des Preisgelde­s hat sich seither allerdings verändert, es beträgt inzwischen 1,7 Millionen Euro. Der Wettumsatz ist ebenfalls um über 30 Millionen Euro angestiege­n.

Dennoch sieht sich der deutsche Galoppspor­t derzeit viel Kritik ausgesetzt. Die Fußball-Europameis­terschaft erfreut sich derweil weiterhin großer Beliebthei­t. (kafi)

Newspapers in German

Newspapers from Germany