Sie riecht schon Merkels Schwäche
SPD Andrea Nahles macht ihrer Partei Mut für die Bundestagswahl. Die Kanzlerkandidatur müssen andere entscheiden
Nürnberg/Berlin Andrea Nahles wird nicht Kanzlerkandidatin. Noch nicht, müsste man sagen. Denn eines Tages – vielleicht 2021 oder früher – trauen ihr viele in der SPD ganz viel zu. Am Wochenende gehört der Bundesarbeitsministerin die politische Bühne. Die 46 Jahre alte frühere Generalsekretärin knöpft sich beim Landesparteitag der Bayern-SPD in Nürnberg CSU, CDU und die Kanzlerin vor.
Die CDU habe Angela Merkel beim Essener Parteitag in den Hintern getreten. Die SPD müsse nur warten, wie sich die CDU weiter zerlege. Zum ersten Mal sei Merkel wirklich schlagbar: „Das liegt in der Luft. Ich riech es. Ich weiß nicht, was ihr immer riecht morgens, aber ich rieche ihre Schwäche“, ruft Nahles. Um es nicht auf die Spitze zu treiben (sie sieht ja Merkel bald wieder im Kabinett), schiebt sie nach: „Ich seh sie nicht morgens, keine Sorge. Das war ein Bild!“
Nahles, die sauer ist, weil Merkel ihr bei der Rente den Spruch von der „doppelten Haltelinie“geklaut hat – bekommt in Nürnberg tosenden Applaus. Darauf salutiert sie militärisch mit der Hand. Mission Mutmachen erfüllt.
Der Wahlkampf kann beginnen. Aber wer ist der richtige Kandidat? Die ungelöste K-Frage ist überall brennendes Thema in der SPD, in Nürnberg und in Berlin. Martin Schulz hält seit über zwei Wochen die Füße still. Kein großes Interview mehr. Der scheidende EUParlamentspräsident braucht auch nicht viel zu sagen. Die Zahlen sprechen für ihn. Schulz sitzt im Moment auf einem deutlich höheren Prozenthügel als sein Parteivorsitzender. Bei der Beliebtheit ist er laut ARD-Deutschlandtrend auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Auch bei der Kanzlerfrage rückt er Merkel auf die Pelle.
Sigmar Gabriel liegt gegen Merkel 19:57 hinten. Für ihn ist das nichts Neues. Doch just in dem Moment, wo er sich so sicher wie selten zu sein scheint, tatsächlich nach der Kanzlerkandidatur zu greifen, entfalten die Zahlen eine gefährliche Dynamik in der SPD. Von verheerenden Werten wird geraunt. Das sei zwar bitter für Gabriel, weil dieser doch das EU-Kanada-Abkommen Ceta und 15000 Jobs bei Tengelmann gerettet sowie Frank-Walter Steinmeier zum designierten Bundespräsidenten gemacht habe. Aber es sei nun mal nicht zu ändern.
Ist Gabriels Image bei den Wählern wirklich einbetoniert? Ist der vielen Deutschen noch nicht so bekannte Schulz der Heilsbringer, der der SPD einen frischen Start in den Wahlkampf und womöglich sogar den Einzug ins Kanzleramt bescheren kann? Schulz hat keine Aktien in der Großen Koalition, er könnte unbefangener als Gabriel eine Kampagne fahren.
Am Sonntagabend stellt sich Schulz in der ARD der KandidaturFrage: Hat er nicht einen Anspruch wegen der großen Zustimmung? Schulz legt sich nicht fest, verweist auf das Team. Er und Gabriel seien „enge Freunde“, der Chef mache im Januar einen Vorschlag. Punkt.
Längst geht es nicht mehr nur um die K-Frage. Kandidatur und Vorsitz müssten in einer Hand liegen, sagen Führungsleute. Für wie bedrohlich Gabriel diese Diskussion hält, zeigen jüngstn Äußerungen: „Popularität ist wichtig, aber nicht das Einzige, was Wählerinnen und Wähler interessiert.“
Aufgelockert wird derzeit das verkrampfte Verhältnis zur Linkspartei. Am Sonntag trafen sich wieder viele Abgeordnete von SPD, Linken und Grünen, um Chancen für Rot-Rot-Grün auszuloten. Auch DGB-Chef Reiner Hoffmann ist dabei. Vor der Koalition kommt die Wahl. Und dafür braucht es erst einen Kandidaten. Tim Braune, dpa