Kein Lichtlein brennt
Das wahre Leben
Die Lichterkette hat ihren Platz als weltumspannendes Symbol für adventliches Wettrüsten auch im Jahr 2016 nach Christi Geburt verteidigt. Von Entspannung keine Spur. Wer etwas auf Weihnachten hält, klettert in die Gipfel von Apfelbäumen, fädelt die Ketten durch Astgabeln, wickelt sie um die Dachrinne, den Gartenzaun entlang und von dort um das Hirschgeweih an der Laube.
Wie es dann allüberall in die stade Zeit hineinleuchtet, heller und bunter als beim Nachbarn, ist es dem Menschen eine Freud. Nur wird diese Freude jedes Jahr aufs Neue getrübt. Das ist so, seit es Lichterketten gibt. Immer wenn der adventlich gestimmte Dekorateur die behutsam aufgewickelte Lichterkette vom Vorjahr aus dem Keller kramt, auf die Obstbäume verteilt und den Strom fließen lässt, ist wenigstens ein Drittel der Lämpchen tot. Ohne System, wild durcheinandergestorben. Und keiner in der Nachbarschaft weiß, woran. Niemand ist draufgetreten. Auch der Hund hat nicht mit ihr gespielt. Man könnte jetzt noch das chinesische Unternehmen befragen, das die Kette geflochten hat, ob es weihnachtliche Sollbruchstellen gibt, und wenn ja, warum so viele.
Natürlich würden die Chinesen nicht von Lichtlein reden, sondern von einer light-emitting diode. Aber das ist auch egal. Sicher ist, dass es sich um ein Phänomen handelt, das so zwangsläufig und unerklärlich ist wie das Verschwinden einzelner Socken in der Waschmaschine.
Natürlich wird kein Mensch ernsthaft behaupten, dass es Waschmaschinen gibt, die Socken fressen. Jedes Mal freilich, wenn Mann vor einer ungeraden Zahl Socken im Wäschekorb steht, beschleichen ihn Zweifel. Und wenn es so wäre, warum soll sich dann eine Waschmaschine nicht auch über Lichterketten hermachen können.